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OH BOY!

25.12.2012 | FILM/TV

Ab 28. Dezember 2012 in den österreichischen Kinos
OH BOY!
Deutschland / 2012
Drehbuch und Regie: Jan Ole Gerster
Mit: Tom Schilling, Ulrich Noethen, Michael Gwisdek, Friederike Kempter u.a.

Berlin heute. Nicht von seiner reizvollen, wilden Großstadtseite gezeigt, sondern eher glanzloser Hintergrund einer extrem glanzlosen Geschichte. Der junge Mann, um den es geht, ist Mitte oder Ende 20, kassiert monatlich tausend Euro vom Papa für ein Studium, das er längst abgebrochen hat, und ist dennoch von Geldproblemen gequält. Niko Fischer, so lautet sein Name, trinkt gerne Kaffee (aber selbst der ist teuer) und raucht Kette, hat allerdings nie ein Feuerzeug oder auch nur ein Streichholz. Fremde darum zu bitten, ist auch eine Art von Kommunikation, die er aber eigentlich nicht anstrebt…

Er lebt, frisch eingezogen, noch mit Kartons an den Wänden gestapelt, in einer Berliner Mietwohnung. Der Gefährtin einer Nacht macht er vorsichtig klar, dass er sich nicht wieder melden wird. Der Psychologe bei der Verkehrspolizei findet, er habe einmal zu oft betrunken ein Auto gelenkt und zieht seinen Führerschein ein. In der U-Bahn wird er ohne Ticket erwischt. Ein lästiger Nachbar, der sich ausweinen will, ist ein unerwünschter Besuch.

Mit einem ebenfalls gescheiterten Schauspielerfreund (der sich im Gegensatz zu ihm wenigstens ein Mittagessen leisten kann) treibt er sich auf einem Filmset herum, ist aber an einem Job nicht interessiert. Eine Ex-Schulkollegin (hektisch: Friederike Kempter), die einst von ihm als Dickerchen gemobbt wurde, möchte ihn nun verspätet verführen und ist sehr ärgerlich, als er ablehnt. In der Wohnung eines Dealers fällt ihm nichts anderes ein, als sich in einem bequemen Stuhl hinzulegen und einzuschlafen.

Am Ende belästigt ihn in einer Bar ein alter Mann, der ihm von seiner Vergangenheit erzählt, fällt dann um und kommt ins Spital. Dort sitzt unser Held verschlafen, als er die Todesnachricht des Unbekannten erhält. Boy, oh Boy, das kommt dicke, und alles an einem Tag.

Zwischendurch hat man in dieser mit Episoden dicht bestückten Geschichte auch noch den energischen, erfolgreichen Papa unseres Versagers kennen gelernt (gnadenlos cool: Ulrich Noethen), der erklärt, das Nichtstun des Junior nicht mehr zu finanzieren. Oh Boy, wie soll das weitergehen?

Tatsächlich ist einem dies völlig egal. Ein untätiger Oblomow unserer Zeit, den Drehbuchautor / Regisseur Jan Ole Gerster zu keiner Figur machen konnte, die eines zweiten Blicks wert scheint. Gewiss, Tom Schilling ist unter den jungen deutschen Schauspielern von heute vielleicht der Außerordentlichste. Er kann die Ziellosigkeit eines Menschen greifbar machen, der nicht imstande ist, einen Zipfel Leben zu packen und etwas damit zu tun. Aber selbst, wenn das eine bewusste Lebensform ist – dann müsste man in der Story etwas von Widerstand fühlen und nicht nur Softie-Gleichgültigkeit. Dieser Niko Fischer wird sich vermutlich treiben lassen, bis er verhungert. Wie interessant ist das? Als Studie, damit wir begreifen, dass manche Menschen für unsere Gesellschaft nicht geschaffen sind? Und doch – oh Boy, es gibt weit interessantere Versager.

Aus Gründen der Affektation (was sonst?) ist dieser Film auch noch in Schwarzweiß gedreht (und man merkt, wie sehr man bunte Farben gewöhnt ist und wie wenig man sich mit dem Grau in Grau befreunden kann). Fazit: Das ist für das Nachtprogramm von arte, wo Möchtegern-Arthaus-Anspruch solcher Art sich am besten versteckt…

Renate Wagner

 

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