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MY OLD LADY

19.11.2014 | FILM/TV

FilmPlakat My Old Lady~1

Ab 21. November 2014 in den österreichischen Kinos
MY OLD LADY
USA / 2014
Drehbuch und Regie: Israel Horovitz
Mit: Maggie Smith, Kevin Kline, Kristin Scott Thomas u.a.

Zugegeben, das Prinzip der Leibrente ist ein Vabanque-Spiel, und es hat tatsächlich einen unmoralischen Kern, da es auf Ableben eines Menschen spekuliert, aber andererseits ist es praktisch und bei uns eingeführt und kaum jemand würde es in Frage stellen. Nur die Amerikaner wundern sich darüber, und das gewaltig in Gestalt von Mathias Gold, der auch gewaltig und unangenehm davon betroffen ist: Schließlich ist er nach Europa gekommen, um sein Erbe in Form einer Pariser Luxuswohnung in Besitz zu nehmen – und dann sitzen da Madame Mathilde Girard und ihre Tochter per Leibrente unverrückbar darin, und von Rechts wegen müsste er ihnen noch etwas dafür zahlen. Der mittellose mittelalterliche Amerikaner vom Zuschnitt „Versager“ darf dann noch – bei aller Grimmigkeit – demütig froh sein, wenn die alte Dame (oder „Old Lady“, wie sie im Titel heißt, schließlich ist sie Britin) ihn in einem Raum der Wohnung leben lässt. Vorläufig, bis er eine Lösung gefunden hat.

Im Ableben der angeblich 90jährigen (sie ist 92, aber sie lügt über ihr Alter, sagt die Tochter) kann das nicht unmittelbar bestehen: Die Ärztin, bei der sich Mathias ziemlich schamlos nach dem Gesundheitszustand seiner „Mieterin“ erkundigt, würde ihn vermutlich gerne die Treppe hinunterwerfen, reizt ihn aber mit der Erzählung von Leuten, die bei bester Gesundheit 120 Jahre alt würden. Ein skrupelloser Immobilienmakler würde die Wohnung zwar teuer kaufen, aber ohne die Damen darin. Kurz, Drehbuchautor Israel Horovitz, der auch das zugrunde liegende Theaterstück schrieb, hat sich da eine knifflige Komödiensituation ausgedacht.

Wenn es nur eine Komödie würde! Und wenn er als Problematik nur die nicht unerheblichen finanziellen Nöte aller Beteiligter hier eingebracht hätte, das reichte schon für einen kleinen ernsten Kern. Aber es wird eine Nachhilfestunde in Familienaufstellung und Psychotherapie. Der Versager, der alle Schuld für sein missglücktes Leben auf die miserable elterliche Ehe geschoben hat, bekommt Wasser – was heißt Wasser, Wasserfälle! – auf seine Mühlen, als er erfährt, dass Madame Girard die Geliebte seines Vaters war. Sie ist also an allem schuld – auch, dass seine Mutter sich umgebracht hat.

Old Lady x

Alles wird tragisch und immer dicker, und schließlich kommen auch Schuldgefühle bei der „Old Lady“ auf, die bis dahin mit lockerer Selbstverständlichkeit ihre einstige Beziehung zu dem verheirateten Mann behandelt hat – schließlich war sie ja auch verheiratet. Wie gut, dass es heute DNA-Tests gibt, da kann man wenigstens feststellen, ob die unliebenswürdige Tochter der Lady die eigene Schwester ist. Denn wenn nicht – na, dann kommt das Drehbuch um einen Silberstreifen am Horizont nicht herum, nachdem man sich alles von der Seele geredet, geschrieen und beschuldigt hat…

Der amerikanische Autor Israel Horovitz, in seiner Heimat angeblich mit gut 70 Theaterstücken gespielt, in Europa eher ein unbeschriebenes Blatt, legt hier seinen ersten Spielfilm (abgesehen von eigenem Drehbuch nach eigenem Stück) auch als Regisseur vor. Er ist immerhin schon 75, also hat er sich mit der Filmkarriere Zeit gelassen. Da es ihm aber gelungen ist, für die Titelrolle die große Maggie Smith (komplett uneitel wirkliches Alter spielend) zu gewinnen und weiters mit der ebenso herrlichen Kristin Scott Thomas als ihrer verbiesterten Tochter Chloé und Kevin Kline als dem unglückseligen Amerikaner eine Besetzung vom Feinsten zusammen zu trommeln, sollte der Erfolg nicht ausbleiben.

Sie sind die souveränen Darsteller feinster (und manchmal auch gröberer) Seelenregungen, sie setzen ihre Pointen mit Virtuosität, die erreichen mühelos permanentes Interesse an ihren Personen und Schicksalen.

Kurz – was Israel Horovitz sich ausgedacht hat, wäre ja nicht unbedingt erste Wahl. Was seine Schauspieler daraus machen, das ist für Leute, die große Schauspielkunst lieben, unverzichtbar.

Renate Wagner

 

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