Ab 12. September 2014 in den österreichischen Kinos
MAPS TO THE STARS
USA / 2014
Regie: David Cronenberg
Mit: Julianne Moore, Mia Wasikowska, Robert Pattinson, John Cusack, Olivia Williams u.a.
Hollywood hat sich ja gelegentlich schon gnadenlos dargestellt, aber Regisseur David Cronenberg überdreht den Wahnsinn noch ein wenig. Man begegnet lauter Verrückten – brillant vorgeführt, wie eine Parade aufgeputzter, seltsamer Tiere…
Da ist zum Beispiel Dr. Stafford Weiss (John Cusack), ein Psychoanalytiker besonderer Art: Er legt seine Patienten nicht aufs Sofa, sondern auf die Matte, massiert sie zu masochistischen Qualen hoch und keucht: „Lass es raus, lass es raus.“ Das Familiengeheimnis besteht darin, dass er und seine Frau (die entsprechend verquält aussehende Olivia Williams) Geschwister sind (sie haben es nicht gewusst), dass die Tochter (wirklich gefährlich: Mia Wasikowska) einst das Familienanwesen angezündet und dabei fast ihren kleinen Bruder umgebracht hat, dass der kleine Bruder (beängstigend unkindlich: Evan Bird) mittlerweile ein Kinderstar mit Drogenproblemen ist … und dass Papa, bei allem, was über ihn hereinbricht, vor allem daran denkt, dass die Lesereise für seinen nächsten Bestseller nicht gestört werden soll.
Und da ist Havana Segrand (die absolute Super-Rolle für Julianne Moore, die es exzessiv genießt, aus sich herauszugehen), die Schauspielerin mit mehr Problemen, als man je aufzählen kann: Die Mama war ein großer Star und offenbar eine Bestie, die Töchterchen nicht nur geschlagen, sondern auch sexuell missbraucht hat (weshalb diese später im flotten Dreier „keine gute Lesbe“ abgibt, was in Hollywood offenbar ein Mangel ist). Die Karriere der Dame, die wohl mit 40 plus jenseits des erfolgreichen Alters ist (in einer Welt, wo Teenager-Stars schon von Kollegen in ihren Zwanzigern als „Alten“ sprechen), läuft nicht so gut. In einem Film, der über ihre Mutter gedreht wird, möchte sie natürlich unbedingt deren Rolle spielen, muss zusehen, wie eine andere Kollegin besetzt wird – und bekommt sie dann nur unter den grauenvollsten Umständen: Indem die ursprünglich vorgesehene Rivalin ihren kleinen Sohn verliert, was der Mitleid heuchelnden Havana einen (geradezu grauenvollen) Freudentanz entlockt… Und einer, der noch nicht dazu gehört und als Chauffeur malocht (der vampirblasse Robert Pattinson), möchte nichts dringlicher, als im innersten Kreis dazu zu gehören. Der Wahnsinn wird von keiner Erkenntnis gebremst.
Dass sie alle irgendwelche „Erscheinungen“ und Halluzinationen haben, verwundert niemanden, sind sie doch vollgedröhnt mit Medikamenten aller Art, so dass sie denn das Personal um Gegen-Medikamente ausschicken – von den Drogen ganz zu schweigen, die ohnedies fast jeder im Handtäschchen herumträgt. Sonst würden sie die Welt, in der sie leben, nicht aushalten. Und so machen sie die Welt, in der sie leben, zu einer, die man im Grunde nicht aushalten kann…
Überzeichnet? Na, man ist nicht sicher, ob sich dergleichen in Hollywood nicht doch findet… Die Traumfabrik hat sich selbst, wie erwähnt, schon als Drogenhölle und Psychokiller-Fegefeuer dargestellt, als Paradies der Neurotiker, Neurastheniker, Schizoiden und was immer man will. Aber diese Mischung aus Vitriol-Satire und ultimativer Brutalität hat selten jemand so auf die Leinwand gebracht. Nun ja, ist ja Cronenberg… ein Horror-Spezialist.
In Cannes präsentiert, ein Festival-Film schlechthin, wird trotz ein paar erster Darsteller-Namen vermutlich kein breiter Publikumserfolg werden, dazu ist er zu unkonventionell. Nimmt man es genau, ist der Erkenntniswert des Films – der sich weniger um psychologische Porträts als um hysterische Überzeichnungen bemüht – gering. Aber als brillantes Kino ist er allemal noch sehenswert für Arthouse-Fans.
Renate Wagner