Kopenhagen hat stets Konjunktur (31.12.2015)
von Ursula Wiegand
„Wonderful Copenhagen“ ist stets eine Reise wert. Und ganz gleich, ob Wolken, Sommer- oder Wintersonne – immer gibt’s Gewusel vor der kleinen Meerjungfrau (Den Lille Havfrue) an der Uferpromenade Langelinie. Fotos von der Zierlichen, Selfies mit der fischschwänzigen Bronzebeauty – gestaltet nach dem Märchen von Hans Christian Andersen – sind ein Muss.
Die kleine Meerjungfrau ist ein Muss. Copyright: Ursula Wiegand
Und nun wird getippelt, weiter zum Schloss Amalienborg und kurz vor Mittag wegen der Wachablösung gespurtet. Täglich marschiert die königliche Leibgarde vom Schloss Rosenborg rund 30 Minuten durch die Stadt bis dorthin. Clock 12 geht’s dann in Amalienborg los. Wenn königliche Hoheiten anwesend sind, begleiten Musik- und Tambourcorps dieses Schauspiel.
Skuespilhuset, Schauspielhaus, 2011 von Lundgaard & Tranberg Architekten. Copyright: Ursula Wiegand
Das eigentliche Schauspielhaus (Skuespilhuset) steht ein Stück weiter südlich, ebenfalls am Wasser und vis-à-vis der Oper. Ein Shuttle-Boot pendelt zwischen den beiden modernen Architekturperlen. Kulturgenuss mit Minikreuzfahrt.
Kopenhagens Königliche Oper, 2005 von Henning Larsen. Copyright: Ursula Wiegand
Das wäre eher was für den Abend, jetzt wollen die Spaziergänger erstmal Gutes für den Magen. Damit sind sie hier genau richtig und gehen nur wenige Schritte bis zum Nyhavn, Kopenhagens kunterbuntem „Boulevard“, wo sich im Sommer die Besucherscharen tummeln. Die gut restaurierten ehemaligen Fischerhäuser stimmen stets fröhlich.
Nyhavn, Fischerhäuser, verwandelt zu Hotels und Restaurants. Copyright: Ursula Wiegand
Nyhavn bedeutet neuer Hafen, war das auch nach der Fertigstellung des Nyhavn-Kanals 1673. Das älteste Haus auf der Sonnenseite ist ein kleines blaues von 1681. Hans Christian Andersen schrieb in der Nr. 20 das Märchen „Die Prinzessin auf der Erbse“ und wohnte später auch in den Häusern 67 und 18.
Nyhavn, das kleine blaue Haus von 1681 ist das älteste. Copyright: Ursula Wiegand
Sie alle sind inzwischen nette Hotels und gemütliche Restaurants. Im Sommer sitzen die Gäste auf den Terrassen, die Globetrotter jedoch – und nicht nur die – mit dem Bier in der Hand auf der Spundwand und lassen Beine und Seele baumeln.
Turm der Erlöserkirche, Aufstieg für Schwindelfreie. Copyright: Ursula Wiegand
Mutprobe gefällig? Dann vom Nyhavn über die Brücke Inderhavnsbroen hinüberwechseln in den Stadtteil Christianshavn und zur dortigen Erlöserkirche. Ihr „Korkenzieherturm“ (von 1752) ragt keck über die Dächer, doch der gewundene 400-Stufen-Aufstieg außen entlang ist nur was für Schwindelfreie. Nach der Legende soll sich Baumeister Lauritz de Thurah vom Turm in die Tiefe gestürzt haben, da sich die Spiralen entgegen dem Willen des Königs drehten. Unsinn – Thurah starb Jahre später in seinem Bett.
Der Runde Turm von St. Trinitatis. Copyright: Ursula Wiegand
Eine leichtere Übung ist das Erklimmen des fast 35 Meter messenden Runden Turms, erbaut 1642. Von der dazugehörigen Trinitatis-Kirche gelangen die Besucher direkt in den „Dicken“. Da König Christian IV per Kutsche hinauffuhr, stapfen sie nun stufenlos auf den alten Plastersteinen bis zur Aussichtsplattform.
Blick vom Dicken Turm auf die Marmorkirche. Copyright: Ursula Wiegand
Oben angekommen dann ein Erstaunen über Kopenhagens zahlreiche Gotteshäuser. In der Ferne zeigt sich die Marmorkirche – auf dänisch Frederiks Kirken. König Frederik V, nach dem sie benannt ist, wollte unbedingt einen Marmorbau, doch dafür reichte das Geld nicht. Sein Nachfolger stoppte 1770 das 1749 begonnene Vorhaben.
Mehr als 100 Jahre war die Kirche eine Bauruine, bis der Staat sie 1847 an den Industriellen Carl Frederik Tietgen verkaufte. Der ließ sie aus Sandstein errichten. Am 19. August 1894 wurde sie geweiht.
Tietgen-College, 2006, Entwurf Lundgaard & Tranberg Architekten.Copyright: Ursula Wiegand
Seine Verdienste sind unvergessen. Nach ihm ist das neue Tietgen-College benannt, entworfen von Lundgaard and Tranberg nach dem Vorbild der Tulou Dörfer in Südostchina. Wie sie vereint der siebenstöckige Rundbau individuelles Wohnen und öffentliche Einrichtungen.
Kopenhagens klassizistischer Dom. Copyright: Ursula Wiegand
Ein weiterer Blick vom Runden Turm zeigt St. Nikolai, das jedoch nie eine Kirche war, um sich dann auf die mächtige, rd. 85 m lange und 33 m breite Liebfrauenkirche (Vor Frue Kirke) zu konzentrieren. Die, mit Ursprung im 12. Jahrhundert, war lange die Krönungskirche der dänischen Könige und 1536 die Vorreiterin der Reformation. Nach einem Stadtbrand wurde sie in klassizistischem Stil neu erbaut und 1922 zum Bischofssitz.
Kopenhagens klassizistischer Dom, Kirchenschiff. Copyright: Ursula Wiegand
Seither ist sie Kopenhagens Dom, brauchte sich aber nicht herauszuputzen. Den edlen Rahmen hatte bereits Dänemarks bedeutendster Bildhauer Bertel Thorvaldsen (1770-1844) mit seinen weißen Marmorfiguren geschaffen: den Christus mitsamt Engel im Altarraum sowie die 12 großen Apostelfiguren mit einem skeptisch dreinschauenden Thomas.
Dom (links), Petri Kirche (rechts). Copyright: Ursula Wiegand
Nahebei erhebt sich der Backsteinturm von St. Petri, das älteste erhaltene Bauwerk in der Altstadt. 1585 hatte sie König Frederik II der deutschen Gemeinde übergeben. Nicht ohne Grund. 19 von 20 Königinnen waren Deutsche, und noch in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts besaß Dänemark ein Drittel deutschsprachiger Bürger. Jeden Sonntag um 11 Uhr bietet sie Gottesdienst in deutscher Sprache.
Angegliedert ist die schon 1575 gegründete St. Petri Schule, die älteste deutsche Auslandsschule. „Die Schülerzahl ist in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen und beträgt zur Zeit 555,“ freut sich Schulsekretärin Margarita Hansen. Deutsche und dänische Kinder lernen zweisprachig miteinander.
Copenhagen Island Hotel, 2006, Kim Utzon Architekten. Copyright: Ursula Wiegand
Wie sich andererseits Früheres umnutzen und weiterentwickeln lässt, zeigt sich im Stadtteil Vesterbro nahe der S-Bahnstation Dybbelsbro. Die dortige Shopping-Mall Fisketorvet mit Läden, Restaurants und Kino ist ein Magnet. Daneben moderne Bürobauten, das schicke Hotel „Copenhagen Island“ und als Clou das Freibad Islands Brygge. Im Sommer lockt Schwimmen im City-Center.
Ørestad, 8TALLET, Bjarke Ingels Group (BIG), mit Bootshafen. Copyright: Ursula Wiegand
Wie heutige Stadtplanung funktionieren kann, und welch gelungene Bauten Dänemarks Architekten entwerfen, zeigt sich im neuen Stadtteil Ørestad im Süden Kopenhagens – leicht mit der Metro M 1 erreichbar. Im „8Tallet“, komplett mit kleinem Bootshafen, möchte wohl mancher Besucher oder manche Besucherin gerne wohnen.
Aquarium, der blaue Planet, 2013 von 3XN Architekten. Copyright: Ursula Wiegand
Komfortabel wohnen aber auch die Fische im Blauen Planet (Blaa Planet), Nordeuropas größtem und modernstem Aquarium direkt am Öresund. Eine Attraktion, die Große und Kleine bei jedem Wetter begeistert.
Aquarium Blauer Planet, vor dem Ozeanbecken. Copyright: Ursula Wiegand
Wie verzaubert stehen die Menschen vor dem großen Ozeanbecken, in dem Rochen und Haie zwischen den kleinen Fischen herumwieseln, ohne sie zu attackieren. Die bunten Drachenfische in ihren Sonderbecken wirken auch nicht grimmig. Dieser Blaue Planet ist ein wunderbar friedliches Paradies.
Aquarium blauer Planet, Drachenfische. Copyright: Ursula Wiegand
Infos auf Deutsch: http://www.visitcopenhagen.de
Empfehlenswert das Hotel „Copenhagen Island“, Kalvebodbrygge 53, København V, Tel. 0045-33389600 und www.copenhagenisland.dk. Shoppen und recht preisgünstig essen im Fisketorvet nebenan.
Sehr praktisch für den vorzüglichen öffentlichen Nahverkehr, Stadtrundfahrten, Museumsbesuche usw. ist die Copenhagen Card. Kopenhagen ist auch eine Radler-Stadt, offizielle Leihräder gibt’s vielerorts.
Blauer Planet: Jacob Fortlingsvej 1, 2770 Kastrup (Metrostation). Geöffnet Dienstag – Sonntag 10 – 18 Uhr, montags von 10-21 Uhr. www.denblaaplanet.dk (U.W.)