Verantwortung für die Würde des öffentlichen Raums
Von Andrea Matzker und Dr. Egon Schlesinger
Das Original des Waserspeichers am Kölner Dom. Foto: Andrea Matzker
Im Jahre 2014 brachte ein einzelner Buchstabe „K“, in die Mauer des ehrenwerten und bedeutungsträchtigen Kolosseums von Rom geritzt, einem russischen Touristen die Geldbuße in Höhe von 20.000 € und eine vierjährige Bewährungsstrafe (Zitat: „Der Spiegel“ vom 24.11.2014). Zu diesem Zeitpunkt war dies bereits der fünfte, in der Presse erwähnte Fall im gleichen Jahr in Italien. Vandalismus und Beschädigung nationalen Kulturerbes werden dort rigoros geahndet, zumal an weltberühmten, geschichtlich bedeutenden Denkmälern. Auch in Deutschland ist es möglich, bei gemeinschädlicher Sachbeschädigung laut § 304 StGB ein empfindliches Bußgeld und eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren zu kassieren, man muss nur dabei erwischt werden. Dazu kommen die strafrechtliche Verfolgung und – selbstverständlich – die Kosten für die sachgemäße und professionelle Beseitigung des Schadens.
Dank ihres Zwanges zum Posten ihrer Untaten wurde die Kanagawa-Universität von Yokohama in Japan aufmerksam auf die Graffitis zweier Studentinnen, die diese im Jahr 2016 auf dem Kölner Domturm in circa 100 Meter Höhe hinterlassen hatten, und entschuldigte sich prompt daraufhin bei Dombaumeister Peter Füssenich. Er wunderte sich darüber, aber war besonders begeistert davon, dass es die Universität sich selbst zuschrieb, ihre Studenten nicht besser informiert zu haben. Daraus erwuchs ein reger kultureller Verkehr zwischen Köln und Yokohama, der vorerst darin gipfelte, dass dort eine Woche zu Ehren des Kölner Domes mit einem Vortrag des Dombaumeisters stattfand. Als man ihn fragte, wie man seine Schuld wieder gutmachen könne, meinte er, ein paar symbolische Euros für den Dom wären schön und würden genügen. Er staunte nicht schlecht, als er stattdessen einen Scheck von 10.000 Euro erhielt.
Der Dombaumeister mit seinem japanischen Gast. Foto: Andrea Matzker
Zurück in Köln, wollte er etwas Besonderes mit diesem Obulus anfangen, und man entschied sich, einen der im Krieg zerstörten Sandstein-Wasserspeier des Doms damit anfertigen und anbringen zu lassen. Zwei Jahre lang arbeitete die Bildhauerin Uta Tröger an dem Fabelwesen, bis es im November 2024 in Höhe von 20 Metern am südlichen Querhaus angebracht werden konnte. Es ist aus Mendiger Basaltlava geformt, wiegt 700 Kilogramm und ist circa drei Meter lang. Da die Japaner nicht dabei sein konnten, entschied man sich dazu, ihnen zu einem anderen Zeitpunkt das Werk an Ort und Stelle zu zeigen und ihnen ein Modell desselben als Geschenk zu überreichen. Dieses Treffen fand nun just an einem Tag statt, dem 4. September 2025, an dem ein anderer Begründer der europäisch-japanischen Freundschaft verstarb, nämlich der große Designer und Unternehmer Giorgio Armani.
Der Dombaumeister überreicht seinen japanischen Gast ein Modell des Wasserspeiches. Foto: Andrea Matzker
Kein geringerer als Seine Magnifizenz, der Präsident der Kanagawa-Universität aus Yokohama, nämlich Prof. Dr. Ryusuke Toda, reiste mit seinem Assistenten und einem Übersetzer persönlich an und bedankte sich in seiner auf Deutsch gehaltenen Dankesrede für die Großzügigkeit des Dombaumeisters. Peter Füssenich wiederum erzählte strahlend, dass dies die wahrscheinliche hübscheste Geschichte im Laufe seiner gesamten, bisherigen Kölner Amtszeit als Dombaumeister sei. Als dann noch die persönliche Besichtigung des Originals an der Fassade und die Übergabe des Modells bei strahlendem Sonnenlicht vor der Kathedrale stattfinden konnte, war man allseits sehr zufrieden und freut sich schon auf weitere, zukünftige partnerschaftliche Veranstaltungen. Vor allem aber wünschte man sich, dass Kulturgüter in Deutschland in Zukunft so respektiert werden wie in Italien oder Japan.
Andrea Matzker/ Dr. Egon Schlesinger