Ab 22. Februar 2013 in den österreichischen Kinos
HANNAH ARENDT
Deutschland / 2012
Regie: Margarethe von Trotta
Mit: Barbara Sukowa, Axel Milberg, Ulrich Noethen, Michael Degen, Julia Jentsch, Janet McTeer u.a.
Hannah Arendt, geboren 1906 in Hannover, gestorben 1975 in New York, war – und gilt wieder als solche – eine der bedeutendsten Denkerinnen und Geschichtsphilosophinnen ihrer Zeit, wenn ihr Ruf zu Lebzeiten auch gelegentlich schwer in Frage gestellt wurde, vor allem von ihren jüdischen Mitbürgern. Genau diesen neuralgischen Punkt aus dem Leben dieser großen Jüdin hat sich Regisseurin Margarethe von Trotta hergenommen.
Damals, als Hannah Arendt 1961 längst in New York lebte, am Brooklyn College unterrichtete, in einem Kreis bedeutender Intellektueller lebte, zu denen auch ihre Freundin, die Schriftstellerin Mary McCarthy zählt (Janet McTeer spielt die noble Amerikanerin, die im Deutsch sprechenden Kreis der Arendt eigentlich verloren ist, aber ihr unverwandt die Treue hält). Damals, als die Israeli in einem bemerkenswerten Coup endlich Adolf Eichmann gefunden und entführt hatten und ihm den Prozess machten. Damals, als es der „New Yorker“ richtigerweise für eine Frage großen Prestiges hielt, Hannah Arendt als Berichterstatterin zu diesem Prozeß nach Jerusalem zu schicken.
Aber so wie sie in ihrer Eigenschaft als politische Denkerin nie ausgetretene Pfade beschritt, enttäuschte sie alle, die den Bericht vom „Monster Eichmann“ erwarteten. (Der Film von Margarethe von Trotta schneidet reichlich dokumentarisches Material ein – man sieht den echten Eichmann vor Gericht, keinen Schauspieler, der ihn zu verkörpern versucht.) Sie findet angesichts dieses gehorsamen „Buchhalters“, der gar nicht wissen wollte, was mit den Menschen geschieht, deren Transport in die Todeslager er so funktionierend organisierte, den Begriff von der „Banalität des Bösen“. Die jüdische Mitwelt hielt das für eine Minimierung des Problems, aber vermutlich wäre Hannah Arendt nie dermaßen in den Abgrund von Haß und Verachtung gestürzt, hätte sie nicht auch – einfach, weil sie nach ihrer Kenntnis der Sachlage die Dinge so beurteilte – die Haltung der „Judenräte“ in Frage gestellt. Diese wurden von den Nazis gezwungen, einen Teil der Organisationsarbeit, die zur Vernichtung führte, selbst zu übernehmen, und haben dies, nach Meinung von Hannah Arendt, keinesfalls mit dem nötigen Widerstand erledigt.
Nicht nur der „New Yorker“ kam angesichts einer Berichterstatterin, die nicht lieferte, was man von ihr erwartete, in Schwierigkeiten. Die meisten Kollegen vom New Yorker Brooklyn College wandten sich von ihr ab, aber die Trotta zeichnet auch Szenen, wo ihr der Portier ihres Hauses Hassbriefe anderer jüdischer Hausbewohner zustellt. Am tragischsten war der Verlust von Freunden, die sie ihr Leben lang unterstützt hatten: Michael Degen spielt jenen Kurt Blumenfeld, an dessen Sterbelager in Israel sie eilt – und der sie nicht verstehen, ihr nicht verzeihen kann.
Margarethe von Trotta hatte nie Angst vor Themen, an denen man sich die Finger verbrennen konnte – sie geht das Schicksal von Hannah Arendt an wie einst das der Schwestern Ensslin oder der Rosa Luxemburg, kontroverse Figuren, auf deren Spuren sie sich sensibel setzte. Wie jetzt hier im Fall der Hannah Arendt, die sie in die Welt der frühen sechziger Jahre mit ihren großen Emotionen und ihrem hohen intellektuellen Impakt stellt.
Barbara Sukowa und Margarethe von Trotta haben eine bedeutende gemeinsame Geschichte – die Sukowa hat für die Regisseurin die Gudrun Ensslin, die Rosa Luxemburg und zuletzt vor vier Jahren die Hildegard von Bingen gespielt. Sie verwandelt sich mit Frisur und Habitus in die kettenrauchende, kluge Wissenschaftlerin und unendlich anteilnehmende Frau, wenn es um ihre Angehörigen und Freunde geht. Der Film läuft zweisprachig, Englisch in der Außenwelt, vielfach Deutsch in Hannas Haus, wo sie mit ihrem Gatten Heinrich Blücher (wunderbar anteilnehmend und besorgt: Axel Milberg) und ihrer Sekretärin Lotte (Julia Jentsch) lebt, umgeben von Freunden der Emigration, die sich teilweise (hart und verbissen und enttäuscht: Ulrich Noethen als Hans Jonas) unglaublich aggressiv von ihr abwenden. Der Film schwingt sich nicht in intellektuelle Sphären, in die ihm der durchschnittliche Kinobesucher (in dem konkreten Thema zumal vermutlich nicht überaus bewandert) nicht folgen könnte, diskutiert aber anfallende Sachverhalte in aller Klarheit. Und die Sukowa schafft etwas Wunderbares: Sie zeigt, dass diese Hannah Arendt innerlich nicht zu brechen ist. Sie kann nicht aus ihrer Haut heraus, sie wird ihre Meinung nicht ändern, weil es opportun wäre. Auch nicht in Hinblick auf eine jüdische Loyalität, die für sie nicht wichtiger sein kann als das, was sie persönlich als Wahrheit erkennt. So hatte sie ja auch – man sieht es in Rückblende – in ihrer Jugend ein Verhältnis mit dem Philosophen Martin Heidegger, der sich später mit den Nazis einließ, und hat diesen Teil ihrer Vergangenheit dennoch nie denunziert… Selbstgerechtigkeit war ihre Sache nicht, wohl aber die mancher ihrer Gegner.
Margarethe von Trotta hat über ein hochemotionales Thema einen gänzlich unaufgeregten Film gedreht, dessen geistige Souveränität und auch Gelassenheit wohl am besten der großen Hannah Arendt entspricht, deren Mut und Unerschrockenheit hier dargestellt wird – und die Unschuld, mit der sie eigentlich nicht begreifen konnte, dass nicht alle Menschen so klug, gelassen und souverän über Dinge urteilen konnten wie sie…
Renate Wagner