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HAMBURGS ELBPHILHARMONIE STEHT KURZ VOR DER ERÖFFNUNG

31.10.2016 | REISE und KULTUR

Hamburgs Elbphilharmonie steht kurz vor der Eröffnung

Von Ursula Wiegand

„Hier kommt jetzt niemand mehr rein, erst wieder am 4. November,“ antwortete ein Bauarbeiter Ende August auf meine Frage, ob ich mal einen kurzen Blick in die Elbphilharmonie werfen könnte. Von außen wirkte sie bereits fertig, drinnen wurde aber noch hörbar gewerkelt.

Elbphilharmonie, Eindruck nach Verlassen der U-Bahnstation Baumwall
Elbphilharmonie, erster Eindruck nach Verlassen der U-Bahnstation Baumwall. Copyright: Ursula Wiegand

Dieser ganz spontane Stopp in Hamburg vor der Weiterreise war dennoch sehr aufschlussreich. Die bekannten offiziellen Fotos hatten den Eindruck erweckt, die Elbphilharmonie – konzipiert von den Baseler Architekten Herzog & de Meuron – sei ein Solitär am Wasser. Keineswegs. Gleich nach dem Verlassen der U-Bahnstation Baumwall ragt sie über diverse Bauten. Vor allem gehört sie zum Hamburger Hafen, steht sozusagen mitten im Leben. Mein Rundgang mit der Kamera bei strahlendem Sonnenschein zeigt es deutlich.

Elbphilharmonie, die höchste, 110 m hohe Spitze
 Elbphilharmonie, die höchste, 110 m hohe Spitze. Copyright: Ursula Wiegand

Auch ein Hamburger Ehepaar strahlt beim Blick auf diesen Wunderbau. „Bei solch einem Riesenprojekt muss man Geduld haben,“ sagt der Mann mit hanseatischer Ruhe. Nach Pleiten, Pech und Pannen hat das neue Wahrzeichen der Hansestadt tatsächlich die Kurve gekriegt. Am 4. November öffnen sich, wie erwähnt, die Türen für die Besucher, die zuvor sicherlich Schlange stehen. Am 11. Januar 2017 erklingt das erste Konzert.

alter Hafenbau vor der Elbphilharmonie
Alter Hafenbau vor der Elbphilharmonie. Copyright: Ursula Wiegand

Eigentlich sollte das schon im Herbst 2009 der Fall sein, doch „gut Ding will Weile haben,“ lautet ein altes Sprichwort. Eine solch immense Verzögerung ist damit aber sicherlich nicht gemeint und ebenso wenig die damit verbundene Kostenexplosion. Dass dieses kein Einzelfall ist, zeigen das BER-Großflughafen-Desaster und die Sanierung der Staatsoper in Berlin. Dass sich weltweit ehrgeizige Projekte verzögern und weit teurer werden als zunächst angegeben, ist ein geringer Trost. Doch Hand aufs Herz – welches Stadt- oder Landesparlament würde bei Nennung realistischer Zahlen einem Großvorhaben zustimmen?

Vorne ein ehemaliges Lotsenschiff, hinten rechts die Elbphilharmonie
Vorne ein ehemaliges Lotsenschiff, hinten rechts die Elbphilharmonie: Copyright: Ursula Wiegand

Nach dem Start des Projektes im Jahr 2003 waren es vor allen die Nachplanungen – eine Folge voreilig begonnener Ausschreibungen – die die Kosten in die Höhe trieben. Politiker-Visionen, kombiniert mit mangelnder Aufsicht und fehlendem Fachwissen, sind stets eine ungute Gemengelage.

Der heftige Streit zwischen der Baufirma Hochtief, dem Architekturbüro Herzog & de Meuron, der Stadt Hamburg bzw. der zuständigen städtischen Realisierungsgesellschaft mitsamt ihren Anwälten, führte sogar zu einem rd. zweijährigen Baustopp. Erst ab dem Sommer 2013 drehen sich wieder die Kräne. Die Gesamtkosten, zuletzt mit 865 Millionen Euro beziffert, trägt zu rd. 90 % die öffentliche Hand, sprich die Steuerzahler.

Dreimaster plus Elbphilharmonie
Dreimaster plus Elbphilharmonie. Copyright: Ursula Wiegand

Doch Ansehnliches und Einzigartiges erhalten die unfreiwilligen Spender als Gegengabe. Aber keinen Solitär. Das bis zu 110 m hohe Bauwerk, bestehend aus einem alten Speicher als Sockel und dem blau schimmernden, wellenartig ansteigenden Aufsatz, hat Nachbarn, alte und neue. Die Elbphilharmonie gehört zur Hafen City, dem mit 100.000 Quadratmetern größten Stadtentwicklungsprojekt Europas.

Mississippi-Dampfer neben der Elbphilharmonie
Mississippi-Dampfer neben der Elbphilharmonie. Copyright: Ursula Wiegand

Beim Weitergehen entgegen dem Uhrzeigersinn setzt sie sich hinter einem roten früheren Lotsenschiff in Szene, wenig später hinter schnittigen Dreimastern. Dabei relativieren die modernen Bauten zu ihrer Linken die Größe der neuen Hafen-Lady ebenso wie der Mississippi-Dampfer zur Rechten und das Columbus Haus von 2002 in der Nähe.

Hafen City, Columbus Haus, 2002, Planer Nägele, Hofmann & Tiedemann
 Hafen City, Columbus Haus, 2002, Planer Nägele, Hofmann & Tiedemann. Copyright: Ursula Wiegand

Bescheiden wirkt der Schriftzug auf dem Speicher-Unterteil, im dem sich 8 der 26 Stockwerke und ein Parkhaus verstecken. Oben, hinter der bläulichen, keineswegs einförmig glatten Glasfassade befinden sich die 3 Konzertsäle, ein Hotel und Luxuswohnungen.

elb
Elbphilharmonie, Schriftzug auf dem Speicher-Unterteil. Copyright: Ursula Wiegand

Die beste Nachricht: Der große Konzertsaal hat, wie zu lesen war, bei der ersten Probe das NDR Elbphilharmonie Orchester und seinen Chef Thomas Hengelbrock voll überzeugt. Der weltweit tätige Akustiker Yasuhisa Toyota hat offenkundig beste Arbeit geleistet.

Eine Attraktion anderer Art wird vermutlich die Plaza, ein den Gesamtbau horizontal teilender Rundumgang zwischen dem Ex-Speicher und dem luftigen Aufbau. Die wird ebenfalls am 4. November für die Besucher geöffnet und sie bei hoffentlich gutem Wetter mit einem spektakulären 360-Grad-Blick auf die Stadt und den betriebsamen Hafen erfreuen.

Bauten der neuen Hafen City
Bauten der neuen Hafen City. Copyright: Ursula Wiegand

Mein Hamburger-Hafen-Rundgang gilt noch der neuen Hafen-City und schließlich der alten Speicherstadt, die zusammen mit dem Kontorhausviertel und dem Chilehaus seit dem 5. Juli 2015 zum UNESCO-Weltkulturerbe zählt. Es ist das erste für Hamburg überhaupt. Die Stätte symbolisiere auf einzigartige Weise die Folgen des rasanten internationalen Handelswachstums im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert, lautete die Begründung der Juroren.

Alte Speicherstadt, seit 2015 UNESO-Weltkulturerbe
Alte Speicherstadt, seit 2015 UNESCO-Weltkulturerbe. Copyright: Ursula Wiegand

Jedenfalls gilt die Hamburger Speicherstadt, errichtet von 1885 bis 1927, als das größte zusammenhängende Speicherensemble der Welt und ist keineswegs ein Museum. In den hohen neogotischen Backsteinbauten mit Zugang zu Kanälen, Brücken und Straßen lagern weiterhin Waren aus aller Welt, arbeiten aber auch Modedesigner und Werbefachleute. Lebendige Geschichte in alten Mauern nur wenige Schritte entfernt von der neuen, ebenfalls lebendigen Elbphilharmonie.

 

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