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GRENZGÄNGER

12.11.2012 | FILM/TV

Ab 16. November 2012 in den österreichischen Kinos
GRENZGÄNGER
Österreich / 2012
Drehbuch und Regie: Florian Flicker
Mit: Andreas Lust, Andrea Wenzl, Stefan Pohl

Die Geschichte ist bekannt, Karl Schönherr hat sie geschrieben, sie ist unter dem Titel „Der Weibsteufel“ sein populärstes Stück geblieben (zuletzt am Burgtheater gespielt mit Birgit Minichmayr und Nicholas Ofczarek in der Regie von Martin Kusej). Die Geschichte der Frau zwischen zwei Männern, die im Original in den Tiroler Bergen unter Schmugglern spielte, ist nun von Regisseur Florian Flicker einigermaßen in die Gegenwart versetzt worden. Der Konflikt ist der alte – und stimmt heute so wie je.

Der Prolog zu Beginn zeigt, wie der Mann nach zehnjähriger Abwesenheit in sein mittlerweile verlassenes Holzhaus in der Au zurückkehrt. Später wird klar, dass er die Jahre wohl im Gefängnis verbracht hat. Die Rückblende erzählt die Geschichte von Geld und Manipulation. Auch geschmuggelt hat man damals, 2001, an der österreichisch-slowakischen Grenze – Menschen. Hans, scheinbar hauptberuflich Wirt, und Jana, seine slowakische Frau, die kocht und bedient, verdienen eine Menge schwarzes Geld mit der Weiterbeförderung jener Unglücklichen, die von Schlepperbanden durchgeschleust werden.

Junge und unwillige Bundesheersoldaten sind zur Bewachung einer Grenze abgestellt, ein Dienst, der sie nicht interessiert. Aber als der junge Ronnie immer wieder kommt, von der Frau offenbar unwiderstehlich angezogen, wird er natürlich gefährlich. Wie bei Schönherr macht sich der Mann nichts daraus, die Frau einzusetzen, um den Soldaten Sand in die Augen zu streuen. Aber die anderen Beteiligten haben auch ihre Schicksale – und wie bei Schönherr ist das Ende letal.

Die Frau war / ist / wäre auch hier die Minichmayr-Rolle, aber sie kann ja nicht alles spielen. Andrea Wenzl, die aus Graz kommend am Volkstheater in Wien nur kurz Station gemacht hat, um zu Kusej an das Münchner Residenztheater weiter zu ziehen, ist ohnedies schon als verwandter Typ aufgefallen – herb, ruhig, verhalten, mit einer guten Portion Rätselhaftigkeit und Eigentümlichkeit, die bei ihr in jeder Rolle immanent scheint. Dass sie ihren Mann nicht liebt, scheint bei dieser Jana klar, dass sie hier die Chance gesehen hat, auch in der einsamen Au besser zu leben als daheim (am Ende nimmt sie das halbe Geld mit). Auf Ronnie setzt sie Hoffnungen, aber als auch dieser es nicht ernst meint und sie offenbar auf seine Art so benützt, wir ihr Mann es tut – ja, da hetzt sie (ganz still, fast tückisch) die beiden auf einander. Nicht, dass sie es nicht verdient hätten. Sie geht in eine ungewisse Zukunft. Man sieht ihr nach und fragt sich, was sie wohl machen wird.

Andreas Lust spielt – ob in „Schnell ermittelt“, ob in anderen Fernsehrollen – immer einen, mit dem nicht gut Kirschen essen ist. Und er ist, wie er auch schon in „Revanche“ oder „Der Räuber“ gezeigt hat, ein viel zu guter, viel zu besonderer Schauspieler, um sich im TV-Kommerz verheizen zu lassen. Hier bekommt er eine Figur mit zahllosen inneren Spannungen zu verkörpern, und er spielt alles – die Geldgier, die Macho-Pose, die unterdrückten Gefühle wie Eifersucht, wie den Wunsch nach Liebe. Beeindruckend.

Aber das Gefüge dieses ungemein dicht gemachten Films würde nicht stimmen, wäre Stefan Pohl (er ist 30 und wirkt wie 20) als Ronnie nicht so überzeugend. Der gelangweilte und doch wieder neugierige Jungmann, der angesichts der hier vorhandenen und offenbar verfügbaren Frau seiner Lust nachgibt. Nichts Ernstes will und doch in einen Strudel gerät, aus dem er nicht entkommen kann.

Das ist einfach eine meisterliche Geschichte, und wahrscheinlich ist sie Florian Flicker deshalb so gelungen, weil er in Sachen der Psychologie immer den guten alten Schönherr befragt hat. Das Ambiente, die Stimmung, die Geheimnisse der Au hat er noch von sich aus eingebracht. Alles zusammen ist einfach richtig und bei aller Unaufgeregtheit der Inszenierung ungeheuer spannend.

Renate Wagner

 

 

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