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GEMMA BOVERY

16.09.2014 | FILM/TV

FilmPlakat Gemma Bovery~1

Ab 18. September 2014 in den österreichischen Kinos
GEMMA BOVERY
Frankreich / 2014
Regie: Anne Fontaine
Mit: Fabrice Luchini, Gemma Arterton, Jason Flemyng u.a.

Vergessen wir einmal, dass diesem Film ein so genanntes Graphic Novel zugrunde liegt, denn mit dieser Mischform aus Comic und Buch können wir in unseren Breiten nicht allzu viel anfangen. Nehmen wir die „Gemma Bovery“ (nicht Madame, nicht Emma Bovary wie bei Flaubert, sondern die Verballhornung des Namens) einmal als sehr witziges Drehbuch, das die französische Regisseurin Anne Fontaine durchaus mit Charme und Anmut und entsprechender Ironie verfilmt hat.

Die Titelheldin ist dabei gar nicht die Hauptfigur der Geschichte, die in einer kleinen Stadt in der Normandie spielt. Der Erzähler und eigentliche Held ist Martin Joubert, hoch geachteter Bäckermeister des Orts, aber offenbar ein Mann mit literarischen Ambitionen, lässt er doch nebenbei die Information fallen, dass er früher Lektor in einem Pariser Verlag war, aber in die Heimat zurückgekehrt ist, um die väterliche Bäckerei zu übernehmen (die offenbar großartig geht und mit allerlei Köstlichkeiten bestückt ist) – und ein ruhiges Leben zu führen.

Das ist für ihn schlagartig vorbei, als in dem halb verfallenen Haus vis a vis von dem seinen ein Ehepaar aus London einzieht, er Restaurator, sie Innenarchitektin, und „Bovery“ heißen sie auch noch – wo doch unser Bäcker Flauberts Roman über „Madame Bovary“ passagenweise auswendig zitieren kann. Und wenn die hübsche Engländerin noch – na, nicht ganz Emma, aber doch Gemma heißt… da kann er in ihr doch nur die Verkörperung seiner Romanheldin sehen.

In eifriger Beobachtung der Dame, die es auch schafft, seine seit einem Jahrzehnt schlummernden erotischen Gefühle wieder heftig zu erwecken, ist er heilig überzeugt davon, dass das Leben hier die Literatur imitiert… und in seinem Eifer spielt er sogar ein bisschen Schicksal, als die gelangweilte Gemma mit dem wenig attraktiven Gatten, wie nicht anders zu erwarten, ein Verhältnis mit dem jungen Herren im Schloß eingeht…

Freilich, da taucht noch wider Erwarten ein früherer Geliebter von ihr auf, und an dem tragischen Ende ist der Bäcker nicht ganz unschuldig, obwohl er es wirklich nicht beabsichtigt hat. Und damit man nicht etwa meint, das Ganze sei tatsächlich tragisch zu nehmen, setzt man der Geschichte noch eine Schlusspointe auf, die der Literatur-Parodie, die das Ganze durchwirkt, würdig ist.

Es ist der Film des Fabrice Luchini, eines der besten und interessantesten Schauspieler Frankreichs – der sich auf der Leinwand offenbar gerne für Literatur stark macht, hat man ihn doch erst kürzlich in dem Meisterstück „Molière auf dem Fahrrad“ gesehen, wo dessen „Misanthrope“ paraphrasiert wurde. Luchini ist schlechtweg hinreißend, wie er gar nicht aufhören kann, gebannt dem Schicksal seiner „Bovary“ zuzusehen – mit Schmerzen im Herzen und einer gewissermaßen literarischen Lüsternheit…

Für die Hauptrolle eine Schauspielerin zu finden, die tatsächlich Gemma heißt, hübsch ist und passabel Französisch spricht (die englischen Passagen sind minimal, die Briten versuchen in der Normandie, die Landessprache zu meistern), war sicher ein Clou, wenn auch Gemma Arterton keine überwältigende Persönlichkeit ist. Aber man kann sagen, dass der arme Bäckermeister eben mehr in diese Gemma hineingeheimnist, als drin ist…

Rundum gibt es eine Menge starker Männer- und Frauentypen, ob Einheimische oder in Frankreich exilierte Briten. Sicher, Literatur-Liebhaber werden hier am meisten Spaß haben. Aber wer auch nur französisches Kino mag, bekommt hier ein erfreuliches Exempel.

Renate Wagner

 

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