Filmstart: 31. März 2023
SISI & ICH
Deutschland / 2022
Regie: Frauke Finsterwalder
Mit: Sandra Hüller, Susanne Wolff, Georg Friedrich, Stefan Kurt u.a.
Keine Frage, dass Kaiserin Elisabeth von Österreich eine außerordentliche Persönlichkeit war, nicht endendes Faszinosum schon für die Mitwelt, was sich in der Nachwelt offenbar noch gesteigert hat. Dennoch fragt man sich, warum Filmemacherinnen sich dauernd mit erfundenen Geschichten an ihr abarbeiten müssen, wobei sie Kunstfiguren schaffen, die einzig mit dem verkaufsträchtigen Namen des Originals ins Kino locken sollen. Denn um die wahre Elisabeth geht es niemandem.
Nach „Corsage“, wo Marie Kreutzer aus Elisabeth in Gestalt von Vicky Krieps ein verkrampftes Monster emanzipatorischer Aufsässigkeit gemacht hat, ist nun die deutsche Regisseurin Frauke Finsterwalder an der Reihe, die gemeinsam mit ihrem Mann, dem hierzulande auch Burgtheater-bekannten Autor Christian Kracht, ein eigenes Süppchen zusammen gebraut hat: Sisi gewissermaßen aus der Sicht ihrer letzten Hofdame – und das soll natürlich ein besonders provokantes Bild ergeben. Mit vielen durch Dümmlichkeiten evozierten Lachern.
Diese Irma Gräfin von Sztáray war nicht zuletzt deshalb wichtig, weil sie die Begleiterin von Elisabeths letzten Jahren (1894-1898) war, an ihrer Seite auch an jenem Tag in Genf, wo die Kaiserin ermordet wurde und gewissermaßen in Irmas Armen starb. Von damals gibt es das berühmte Foto von Elisabeth und Irma, die ihr den Schirm abnimmt – zwei würdige alte Damen in Schwarz. Wahrlich nicht das, was man nun auf der Leinwand sieht.
Man sollte aber, weil man sich – wer tut das schon in Zeiten der Fake News? – für Tatsachen interessiert, nicht etwa die Memoiren von Gräfin Irma lesen. Aus denen geht zwar hervor, dass sie der Kaiserin in leidenschaftlicher Bewunderung und Treue ergeben war, nichts aber von den Scherzen, die man hier knappe zwei Stunden auf der Leinwand sieht. Nein, eine moderne Frau von heute, wie die (an sich so exzellente) Sandra Hüller sie geradezu leichtfüßig zeichnen muss, war die Gräfin Sztáray mit Sicherheit nicht. Aber sie und Sisi sind ja nur ein Vorwand, damit eine Regisseurin (ohne Respekt für das Original) ihre eigen erdichtete Geschichte erzählen kann…
Die bekannten Elisabeth-Merkmale werden überzeichnet – ihre Gewaltmärsche, die ihren Hofdamen äußerste Kondition abverlangte (darum gibt Johanna Wokalek in einer Miniszene als Gräfin Festetics den Job auch ab), die seltsamen Hungerkuren, die wohl wirklich mit ein wenig Kokain versetzt waren (das hat bekanntlich noch Zeitgenosse Sigmund Freud, immerhin Arzt, für ein Medikament und nicht für eine Droge gehalten), der Kult mit ihren Haaren. Ja, und geraucht hat sie wohl auch, wenn sie im Kreis ihrer Vertrauten war. Susanne Wolff kommt dem Ideal einer schönen Frau weit näher als vergleichsweise Vicky Krieps, aber das geradezu schelmisch-boshafte Wesen, das seine Untergebenen gern sekkiert (darunter ihren armen Haushofmeister, gespielt von Stefan Kurt) – das ist wohl schon „Interpretation“. Mein Gott, was war sie für ein Luderchen – in den Augen der Regisseurin. Warum? Das darf man bekanntlich nicht fragen. Aber wen interessiert die Wahrheit, wo man Figuren doch ungestraft ausbeuten kann, abgesehen davon, dass es eine absolute Wahrheit nie gibt, weder in Bezug auf die Vergangenheit noch auf die Gegenwart.
Also, mache man, was man will – man lässt sie vom Schiff ins Meer springen, mit ihrem schwulen Schwager Ludwig Viktor (Georg Friedrich genießt den Exzentriker) bei seinem Besuch auf Korfu kuddeln und schnuddeln, beschwört König Ludwig von Bayern als Geist bei einer Séance, geht allein durch die Souks von Algier und lässt sich mit einem einheimischen Begleiter durch die Wüste führen, duzt Irma wie eine Freundin nicht nur im Haschisch-Rausch… und dass Irma den Kaiser von Österreich (Markus Schleinzer) „Hoheit“ nennt (statt „Majestät“) ist nur eine von vielen Blödheiten, die sich hier akkumulieren.
Dann ist man auf ihrem ungarischen Jagdschloß Gödöllö, Angela Winkler hat als Elisabeths Mutter einen Mini-Auftritt (immerhin sind hier genügend Besetzungs-Größen versammelt), Sisi holt sich ein paar Watschen von Franz Joseph und Irma „rettet“ sie nach England, wo sie sich ihren Reitexzessen hingibt (und Irma reitet mit) und Königin Victoria besuchen muss. Es gibt einen Selbstmordversuch Elisabeths, Irmas Kummer mit ihrer bösen Mutter (Sibylle Canonica), und schließlich der letzte Tag, den Drehbuch und Regie umschiffen…
Wenn man den Film ernst nehmen wollte (aber nein, er ist ja eine Satire, eine Posse), dann lagen Elisabeth und Irma miteinander im Bett, Irma schminkt sie, färbt ihr die Haare, gesteht „Ich liebe Dich, Elisabeth“. Und weil die Regisseurin die Kaiserin in Interviews schließlich als „Pop Star“ bezeichnet hat (denn man muss ja alles Vergangene „zu uns herholen“, sonst begreifen wir heutigen Idioten ja nichts) wird all dies von modernen Pop-Songs umgeben, darunter (passenderweise) „I dance myself into the tomb“.
Erkenntnisse zur echten Elisabeth gibt es wohl eher in einigen Biographien, für das Kino ist sie offenbar nur eine Freak-Figur. Nun ja, Romy Schneider war die Sünderin des „lieblichen“ Sisi-Bilds, das muss man ja noch und noch vernichten. Dass das neue Bild so falsch ist wie das alte – wen schert es? Die Filmemacher sicher nicht.
Renate Wagner