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EXODUS: GÖTTER UND KÖNIGE

21.12.2014 | FILM/TV

FilmPlakat Exodus Götter und Könige

Ab 25. Dezember 2014 in den österreichischen Kinos
EXODUS: GÖTTER UND KÖNIGE
Exodus: Gods and Kings / USA / 2014
Regie: Ridley Scott
Mit: Christian Bale, Joel Edgerton, Ben Kingsley, John Turturro, Ben Mendelsohn u.a.

Erstens: Die gute alte Bibel mit dem kritischen Blick (und teilweise auch den Vokabular) des 21. Jahrhunderts betrachten zu wollen, zumal unsatirisch auf der Kinoleinwand, das ist – nicht so gut. Zweitens: So süffig und gelungen wie im „Gladiator“ ist Ridley Scott nicht erneut in die Sandalen der Vorzeit gestiegen. Daraus ergibt sich drittens, dass die Neuauflage der „Zehn Gebote“ unter dem Titel „Exodus: Götter und Könige“ nicht der Wurf ist, den Cecil B. DeMille 1956 landen konnte.

Auch wenn Christian Bale im Vergleich zu Charlton Heston stand hält und eine sehr achtbare „heutige“ Version eines Moses darstellt, so fällt er Film doch nahezu in die Bedeutungslosigkeit, weil er keinen Yul Brynner – sprich: keinen hochwertigen Gegenspieler als Pharao Ramses der Große – hat. Das ist auch durch geschickte „Action“-Szenen von Katastrophenformat (die Schlacht von Kadesch, die Sieben Plagen und schließlich das Rote Meer sind immerhin Vorgaben!) nicht aufzuwiegen – denn, sagen wir es ehrlich: Das kann doch heute jeder, das sieht man in jedem Film dieser Art. Die digitalen Kunststücke haben aufgehört, zu überraschen…

Das Drehbuch von Adam Cooper, Bill Collage, Jeffrey Caine and Steven Zaillian (viele Köche…) versucht in Details, die Geschichte anders zu erzählen, bzw. gewisse Dinge als zu abgeschmackt auszulassen. Moses-Baby im Schilfbötchen, gefunden von kinderloser Pharao-Tochter, wird erst später erzählt, nicht gezeigt: Wir begegnen zu Beginn schon dem jungen Moses, fesch und bärtig, als tüchtigem Feldherrn von Pharao Seti: Der ist mit John Turturro nicht wirklich glaubwürdig besetzt, interessant, dass sein Palast ein bisschen wie eine Kanzlei oder ein Schreibbüro von heute wirkt. Aber auch Ramses wird später von „ökonomischen Bedenken“ sprechen, wenn er sich um die Hebräer als Sklaven bringen soll… Ja, wenn sich Pharaonen schon so geschliffen ausdrücken wie Manager!

EXODUS: GÖTTER UND KÖNIGE

Pharao Ramses – der nicht so brüderlich für Moses fühlt, wie er sollte – ist, wie gesagt, die Crux des Films, und dass der Australier Joel Edgerton, der auf der Leinwand noch nie sonderlich überzeugt hat, Brynner-glatzig daherkommt, reicht absolut nicht. Hier findet Moses keinen persönlichkeitsstarken Widerpart, und auch historisch ist die Zeichnung von Ramses als einem labrigen Schwächling kaum zu begründen.

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Immerhin gibt Christian Bale einen Moses, der zwar absichtsvoll das Pathos eines Charlton Heston verweigert, aber glaubhafte innere und auch äußere Stärke zeigt. Zuerst als der ägyptische Feldherr, der sich für ein Mitglied der Königsfamilie (Seitensprung einer Pharaonenschwester, mit Stil verkörpert von Hiam Abbass …) halten darf. Dann wird er erst von den Hebräern als einer der Ihren erkannt (das tut mit Würde und Nachdruck kein Geringerer als Ben Kingsley). Danach denunzieren ihn seine Feinde (da hat Ben Mendelsohn als dekadenter ägyptischer Beamter eine fast komische Rolle, und Sigourney Weaver als Mutter des Pharaos intrigiert mit, man erkennt sie bloß kaum in ihrem Cleopatra-Outfit), er wird verbannt, in der Wüste ausgesetzt, zu einem neuen Leben gezwungen.

Er landet bei einem jüdischen Stamm, heiratet dort, wird Familienvater (Gattin Zipporah ist in Gestalt von Maria Valverde so hübsch, dass man begreifen würde, wenn er im Privatleben verbliebe). Doch später wird zum Führer der „jüdischen Widerstandsbewegung“ – ganz so scheint man hier die biblischen Ereignisse zu verstehen. Bale wandelt sich auch optisch, und er ist stark in jenen Szenen, die dann so unendlich schwierig sind: in seinem Dialog mit Gott.

Der „brennende Dornbusch“ allein tut es nicht mehr, die dramaturgische Verankerung ist modern: Zuerst fühlt sich Moses bei einem Absturz vom Berg wie im Delirium, das Erscheinen des kleinen Jungen (Isaac Andrews), der ihn zur Rettung seines Volkes auffordert, erscheint ihm selbst wie eine Halluzination. Wie man am Berg gewissermaßen in einer Art Schlamm liegen kann, entzieht sich allerdings der Logik – aber vielleicht ist es eben eine Wahnvorstellung? Aber der durchaus unliebenswürdige Kleine erscheint wieder, wenn es um den Kampf der versklavten Hebräer gegen die Ägypter geht, und wenn er die bekannten „Sieben Plagen“ schickt, erweist er sich als so brutal, dass selbst Moses mit ihm rechtet. Na ja, bekanntlich ist der biblische Gott von monumentaler Unbarmherzigkeit. Auch wenn man ihn hier als fanatischen kleinen Jungen „verbildlicht“…

Möglicherweise wird die katholische Kirche etwas dazu zu sagen zu haben. Aber man hat dort gelernt, dass das Schweigen zu Provokationen auch ein Weg ist, ihnen zu begegnen… Ach ja, und hier schreibt Moses auch die Zehn Gebote selbst, ritzt sie mühsam in den Stein: Dabei wäre es doch so viel einfacher, wenn Gott ihm die Arbeit abnähme…

Die Schilderung der „Sieben Plagen“, mit Lust am Detail ausgeführt, nehmen einen großen Action-Teil des Films ein, Krokodile, Frösche, Heuschrecken wüten, um dann nahtlos zur nächsten „Katastrophe“ überzugehen: Nachdem man dem Pharao seinen Sohn getötet hat und die Juden ziehen dürfen, kommt man zum Roten Meer, das sich auch nicht mehr so schön und ziemlich albern öffnet wie im „Zehn Gebote“-Film, wo man mit Tricks noch nicht so erfahren war.

Moderne Drehbuchautoren haben damit auch so ihre Probleme, also zieht sich das Wasser nur teilweise zurück, die Flüchtlinge – vom Pharao und den Seinen gejagt, hui, da poltern die Streitwagen auf engen Straßen nur so in Abgründe hinunter – werden ganz schön naß, wenn sie durchs Wasser waten, und das wahre Spektakel wird geboten, wenn das Meer im Stil von Tsunami-Flutwellen zurückkommt und die Verfolger verschluckt. Fast alle. Ramses ist ja, wie wir wissen, über 80 Jahre alt geworden…

Ja, dann ist es ziemlich abrupt zu Ende. Der Auszug aus Ägypten steht quasi unkommentiert da, kein Tanz um das Goldene Kalb, keine vierzig Jahre in der Wüste, nur ein alter Moses, der mit seinen Leuten wandert und wandert… Das war’s.

Es ist ein Ridley Scott-Film, also ist es nicht wenig, was geboten wird. In 3 D erscheinen antike Städte und dramatische Landschaften, vor allem aber Kämpfe aller Art mit der Leinwand-Dramatik, die ein historisches Epos nur aufweisen kann, und Kameramann Dariusz Wolski filmt mit eindrucksvollen Kameraschwenks (wenn nicht ohnedies das meiste aus dem Computer kommt). Kurz gesagt, man sieht, wohin die Produktionskosten von 200 Millionen Dollar geflossen sind.

Die Machart ist nicht das Problem, nur inhaltlich fühlt man sich lange nicht so wohl wie etwa beim „Gladiator“. Man nimmt es dem Atheisten Ridley Scott nicht übel, dass er der großen Glaubens-Geschichte gewissermaßen mit Distanz gegenüber steht. Er hat, und das ist die Kino-Sünde, keinen sonderlich interessanten Film gemacht. Ist es der menschliche Faktor oder der darstellerische, an dem das Unternehmen wenn schon nicht scheitert, so doch stolpert? Wenn Yul Brynner (in der deutschen Version) sagte: „So soll es geschrieben werden und so soll es geschehen“, so sind das Kinomomente, die man, wie vieles an den „Zehn Geboten“, nicht vergisst. Bei „Exodus“ tut man sich schwer, nach den zweieinhalb Stunden, die man im Kino verbracht hat, detailliert zu erzählen, was man gesehen hat – geschweige denn, dass man es sich merken wollte…

Renate Wagner

 

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