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ELYSIUM

13.08.2013 | FILM/TV

Ab 15. August 2013 in den österreichischen Kinos
ELYSIUM
USA / 2013
Drehbuch und Regie: Neill Blomkamp
Mit: Matt Damon, Jodie Foster, William Fichtner u.a.

Bei vielen Science-Fiction-Filmen stellt sich der immer wiederkehrende Effekt ein: Man ist heilfroh, dass man in solcher Zukunft nicht auf der Welt sein wird. Der südafrikanische Filmemacher Neill Blomkamp (der schon mit seinem Film „District 9“ – Aliens in Südafrika – das Paradebeispiel eines bemerkenswert intelligenten Sci-Fi-Films geliefert hat) blickt besonders weit voraus, in das Jahr 2154. Dennoch fühlt man sich als Kinobesucher nicht wirklich fremd dort.

Was Blomkamp zeigt, ist bis zum Extrem verschärft genau das, was heute schon teilweise existiert – eine Menschheit halb am Ende, teils in einer Müllexistenz voll brutaler Gewalt, wie sie in den Slums vieler Großstädte zu finden ist; und auf der anderen Seite die abgeschotteten Ghettos der Superreichen. In diesem Fall haben sich die Privilegierten auf eine wirklich chice Raumstation namens „Elysium“ zurückgezogen: Weiße Villen in grünen Parks mit blau glitzernden Swimming Pools. Und mit vielen Bodyguards und der ewigen Angst, den Unterdrückten könnte es gelingen, diese Luxus-Traumwelt der Superreichen usurpieren…

Eine bekannte Grundsituation, und letztendlich hat dieser Film, der das Elend so grauenvoll überzeugend malt wie (allerdings in weit geringerem Ausmaß) die glitzernde Gegenwelt, das „moralische“ Anliegen, hier Gerechtigkeit walten zu lassen. Dass nicht nur die Reichen in den Genuss der Privilegien kommen (dazu zählt auch, wir sind schließlich unserer Zeit um gut 140 Jahre voraus, die Fähigkeit, jede Krankheit problemlos zu heilen). Also: Revolution. Was die Mächtigen natürlich zu verhindern suchen…

Neill Blomkamps Film verläuft nun, was sehr effektvoll ist, gegenläufig. Einerseits befindet man sich in der Welt von Max De Costa, Ex-Krimineller, der von der Obrigkeit bei jeder Gelegenheit schikaniert wird und schwere Drecksarbeit verrichten muss, damit die Herrschaften in Elysium gut leben können. Andererseits wacht Secretary Rhodes, eine wirklich böse Dame, über die Sicherheit der Reichen-Enklave. Denn es gibt immer wieder Versuche des „Abschaums“, Flugzeuge zu kapern, um auf Elysium zu landen, und es gibt auch ärgerliche Zeichen von Schwäche (wir würden es „politische Korrektheit“ nennen) auf Seiten der Elysium-Regierung, die findet, Secretary Rhodes gehe doch eindeutig zu skrupellos ans Verhinderungs-Werk…

Tatsächlich hat sie einen Verbündeten (William Fichtner war gerade schon der Bösewicht in „Lone Ranger“, und mit seinem Totenkopf-Gesicht passen ihm diese Rollen perfekt), mit dessen Computerkünsten sie die Regierung stürzen will. Daten können in dieser Welt bereits im menschlichen Gehirn gespeichert – und auch ziemlich schmerzlich aus diesem herausgeholt werden… der Stecker für den Stic sitzt eben hinter dem Ohr oder im Nacken.

Parallel ergibt sich für Max die Lebensnotwendigkeit, nach Elysium zu kommen, da man ihn atomar verseucht hat und ihm nur fünf Lebenstage bleiben. Der Rest ist Action – der Versuch, mit Hilfe einer Handvoll Krimineller „hinauf“ zu kommen, wobei Secretary Rhodes ihrerseits auch eine Handvoll wirklich skrupelloser Übeltäter (mit jeder technischer Überlegenheit) zu Diensten hat, die das verhindern wollen. Als Love Interest ist noch Max’ Jugendliebe im Spiel, die für ihre todkranke Tochter nach Elysium muss, und es gibt auch ein paar teils rührende, teils skurrile Gestalten (wie den schrillen Gangster am Computer, der im Stil der „Schlepper“ illegale Überfahren arrangiert).

Kurz, der Film ist so geschickt gemacht, dass er ein wenig nach Reißbrett riecht, aber er hat einen entschiedenen Vorteil: Die Materialschlacht steht nicht im Vordergrund. Man bleibt „menschlich“– und setzt auf die Darsteller. Das kommt dem Film wahrlich zugute.

Da ist Alice Braga die sympathische, gar nicht pin-up-artige Krankenschwester, die von Max geliebt wird und für ihre Tochter bangt, da spielt Sharlto Copley einen Bösewicht mit einer scheinbaren Schwäche fürs Familienleben, da beherrscht Wagner Moura mit dem passenden Namen „Spider“ schrill und auch komisch den Verbrechens-Schwarzmarkt auf der verrotteten Erde.

Jodie Foster, als Darstellerin neuerdings eher selten vor der Kamera (im „Gott des Gemetzels“ hat sie zuletzt ihre ganze Verkniffenheit ausgespielt), hat schon früher die Rollen kalter Technokratinnen angenommen, aber diese Secretary Rhodes (exzellenter blonder Haarschnitt, Designerkostüme und eine Miene hochmütiger Überlegenheit) übertrifft alles. Da kann sie sich mit aller unterspielter Souveränität austoben – und das Drehbuch hat allerlei unangenehme Wendungen für sie und Elysium bereit, die sie vor stets neue Aufgaben stellen.

Matt Damon als Max ist der Held des Films – Max, der „gute Mensch“, der am Ende im übertragenen Sinn zur Christusfigur wird, indem er sich für die Gesellschaft der Armen opfert. Anfangs nur ein normaler Mann mit geschorenem Kopf, lässt er sich für seine Mission in Elysium in eine menschliche Kampfmaschine verwandeln, es scheint, als wären die Eisenteile in ihn hineingearbeitet worden (die Operation mitanzusehen ist kein Vergnügen), als würde er zur Sci-Fi-Kunstfigur. Aber keine Angst, er bleibt Mensch. Und obwohl Damon in vielen Filmen schlicht wie ein netter Junge wirken kann (sogar etwas doof wie in den „Ocean’s“-Streifen), der auch als Jason Bourne nie unglaubhaftes Helden-Kaliber entwickelte, hat er doch jenes Charisma, das es ihm überhaupt nicht schwer macht, die zunehmend pathetischer werdende Figur gänzlich selbstverständlich zu verkörpern.

Während so mancher Möchtegern-Blockbuster-Held dieses Sommers – Will Smith sowieso, aber auch Brad Pitt – einfach eingegangen ist, hält Matt Damon mühelos stand. Abgesehen davon ist die Geschichte, die Neill Blomkamp hier so begabt erzählt, uns aller ihrer Sci-Fi-Vorgaben zum Trotz so nah und vertraut, dass ihr Funktionieren nicht erstaunt. Mit 30 Millionen Dollar allein am Startwochenende hat man damit in den USA schon ein Drittel der Produktionskosten drin, und um die Gewinne der Produzenten muss man sich in diesem Fall keine Sorgen machen.

Renate Wagner

 

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