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DVD Dreimal HÄNDEL aus Glyndebourne

31.03.2018 | dvd

DVD
Dreimal HÄNDEL aus Glyndebourne
GIULIO CESARE (2005)
RINALDO (2011)
SAUL (2015)
Opus arte

England war das Land des Georg Friedrich Händel, dort und nicht im heimatlichen Deutschland hatte er seine größten Erfolge, dort hat er eine Heimat gefunden, 30 Jahre lang die Opernszene Londons beherrscht. Niemand wird die deutsche Händel-Pflege (in Halle, Göttingen, Karlsruhe) gering schätzen, aber in Glyndebourne steht er konsequent am Spielplan der Festspiele, und es gab zahlreiche Produktionen, die beispielgebend waren – wie jener „Giulio Caesare“ aus dem Jahr 2005, der einfach nicht zu verbessern war, immer wieder neu aufgenommen wurde und auch heuer, 2018, nach 13 Jahren, wieder auf die Bühne kommt – und wieder mit Sara Connolly in der Titelrolle.

Dreimal Händel aus Glyndebourne ist in einer preisgünstigen Opus arte Kassette zu erwerben, besagter „Giulio Cesare“, aufgezeichnet 2005, in der Inszenierung von David McVicar (Dirigent: William Christie), der „Rinaldo“ von 2011, inszeniert von Robert Carsen (Dirigent: Ottavio Datone) und schließlich der „Saul“, den Barrie Kosky 2015 inszenierte (Dirigent: Ivor Bolton).

Was drei verschiedene Zugänge zu verschiedenen Werken garantiert – ein Vergnügen für jene Musikfreunde, die auch gerne Möglichkeiten von Inszenierungen austesten.

Die Briten mögen manchmal – man denke an ihre Königin – etwas steif wirken, aber tatsächlich verfügen sie über grenzenlosen Humor. Den hat Regisseur David McVicar auf die Geschichte von Julius Caesar verwendet, der – im Hintergrund sind Schiffchen aufgemalt – gleich zu Beginn in Ägypten eintrifft und sich wie der klassische britische Kolonialbeamte in der Dritten Welt gebärdet. Intrige, Verführung, Politik in ironische Opulenz versenkt, wobei Sarah Connolly als Cesare auftritt, jede Koloratur als Attacke und Ausdruck einsetzt (nie als bloße Virtuosität), mit hochmütigem Imponiergehabe die Szene okkupiert und nicht mehr hergibt, es sei denn, Danielle de Niese taucht auf und windet sich als Cleopatra so verführerisch, wie man es von einer Schlange am Nil erwarten kann (und entsprechend singt sie auch).

Man muss bedenken, dass diese Aufführung die Künstler, die man kennt, um 13 Jahre jünger zeigt – damals hat auch Angelika Kirchschlager noch Oper gesungen und ist ein lyrischer Sesto, der in zunehmende Verzweiflung fällt. Der Countertenor Christophe Dumaux singt Cleopatras intriganten Bruder Tolomeo (bekannt in der Geschichte als Ptolemäus), auch der mittlerweile zum Weltstar aufgestiegenen Christopher Maltman ist (als brutaler Achilla) in dem großen Ensemble dabei. Glyndebourne selbst ist besonders stolz auf diese so bunte, lebendige, unterhaltende Produktion, die man als „Bollywood meets Baroque“ charakterisiert und die immer ironische Tanzschritte und Showelemente bei der Hand hat… Und das Orchestra of the Age of Enlightenment mit dem Dirigenten William Christie, die Garantie für höchste Händel-Kompetenz.

Ganz anders als der „Guilio Cesare“ kommt der „Rinaldo“ in der Inszenierung von Robert Carsen einher, wenngleich auch hier die Ironie stark vertreten ist. Aber szenische Üppigkeit war nie die Sache dieses Regisseurs: „Rinaldo“, die für Briten wichtig so wichtige Oper, weil es schließlich Händels erstes Werk für London war, ist an sich eine Kreuzzugsgeschichte, die hier natürlich nicht als solche kenntlich ist – wenngleich angedeutete Ritterrüstungen als ironische Zitate dabei sind.

Carsen stellt die Geschichte von Rinaldo zwischen der edlen Almirena und der Hexe Armida in ein – Klassenzimmer. Gänzlich heutig ist folglich das Ambiente in dem hohen, glatten Raum von Ausstatter Gideon Davey, wo manchmal Betten in Reih und Glied stehen wie im Internat und wo in heutigen Gewändern agiert wird. Als Stück im Stück wird die „alte“ Handlung aus englischer Schulphantasie heraus umgesetzt.

Sonia Prina, die man im Theater an der Wien in mehreren konzertanten Aufführungen alter Musik gehört hat, gibt den Titelhelden, der eigentlich ein Schuljunge ist und sich quasi in die Rolle des Ritters hineinversetzt. Mit Anett Fritsch als „heller“ Almirena, Brenda Rae als fulminanter Armida (die bei vielen anderen Komponisten selbst Titelheldin ist) oder Luca Pisaroni (Argante) sind die wichtigsten Rollen prominent und gleicherweise gut besetzt. Ottavio Datone leitet das Orchestra of the Age of Enlightenment und hält eine intelligent-ironische Aufführung musikalisch prächtig am Laufen.

Und schließlich der „Saul“, der eigentlich unter Händels Oratorien figuriert, aber hier als „a dramatic oratorio“ geführt wird, ist doch Barrie Kosky am Werk. Man kennt dessen recht unverwechselbare Lust daran, die Szene mit Menschen überquellen zu lassen, und in diesem Sinn bietet er ein optisch überbordendes Fest (Ausstattung: Katrin Lea Tag) für ein Werk, das wir eben noch in Wien in der Inszenierung von Claus Guth als tiefen, minimalistisch-kargen Leichenbitter erlebt haben. Wobei Kosky natürlich auch mit Schockhaftem nicht spart, auch das kennt man von ihm (schaurig der Auftritt der Hexe von Endor, John Graham-Hall). Stark ist auch der choreographische Anteil des Abends (Otto Pilcher).

Christopher Purves und Iestyn Davies stehen sich als Saul und David gegenüber, Lucy Crowe und Sophie Bevan singen die Schwestern Merab und Michal, Paul Appleby ist der Bruder Jonathan. Wieder hatte man das hoch kompetente Orchestra of the Age of Enlightenment verpflichtet, diesmal mit Ivor Bolton am Pult.

Dreimal Händel, verschiedene theatralische Zugänge, jedes Mal exzellente musikalische Umsetzung. Nicht nur für Fans, auch für jene, die sich mit dem Phänomen Händel und seinen Möglichkeiten des zeitgenössischen Zugangs beschäftigen wollen.

Renate Wagner

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G.F.Händel
GUILIO CESARE
Glyndebourne 2005

Regie: David McVicar
Bühnenbild: Robert Jones
Kostüme: Brigitte Reiffenstuel

Orchestra of the Age of Enlightenment
Dirigent: William Christie

Sarah Connolly | Cesare
Alexander Ashworth | Curio
Patricia Bardon | Cornelia
Angelika Kirchschlager | Sesto
Danielle de Niese | Cleopatra
Rachid Ben Abdeslam | Nireno
Christophe Dumaux | Tolomeo
Christopher Maltman | Achilla

x

G.F.Händel
RINALDO
Glyndebourne 2011

Regie: Robert Carsen
Ausstattung: Gideon Davey

Orchestra of the Age of Enlightenment
Dirigent: Ottavio Datone

Sonia Prina (Rinaldo)
Anett Fritsch (Almirena)
Brenda Rae (Armida)
Luca Pisaroni (Argante)
Varduhi Abrahamyan (Goffredo)
Tim Mead (Eustazio)

 

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G.F.Händel
SAUL
Glyndebourne 2015

Regie: Barrie Kosky
Ausstattung: Katrin Lea Tag
Choreographie: Otto Pichler

Orchestra of the Age of Enlightenment
Dirigent: Ivor Bolton

Christopher Purves (Saul)
Iestyn Davies (David)
Lucy Crowe (Merab)
Sophie Bevan (Michal)
Paul Appleby (Jonathan)
Benjamin Hulett (High Priest)
John Graham-Hall (Witch of Endor)

 

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