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DVD/ Blu-ray: Pracht und Passion in Versailles Mozarts „Don Giovanni“ als triumphales Opernspektakel. Château de Versailles Spectacles, CVS115

24.08.2024 | dvd

Pracht und Passion in Versailles

Mozarts „Don Giovanni“ als triumphales Opernspektakel auf DVD und Blu-ray

dong

Das Label Château de Versailles Spectacles hat eine außergewöhnliche Produktion von Mozarts „Don Giovanni“ veröffentlicht, die sowohl auf DVD als auch auf Blu-ray erhältlich ist. Diese Inszenierung ist mehr als nur eine Aufführung; sie ist eine prachtvolle Hommage an das barocke Erbe und die zeitlose Faszination Mozarts. Aufgeführt in der königlichen Oper von Versailles, einem Ort, der selbst von historischer Bedeutung und architektonischer Schönheit durchdrungen ist, zeigt diese Aufnahme, wie Tradition und Moderne zu einem spektakulären Erlebnis verschmelzen. Die Produktion überzeugt durch ihre werkgerechte Annäherung an Mozarts Meisterwerk, gepaart mit einer visuellen Opulenz, die ihresgleichen sucht.

Regisseur Marshall Pynkoski hat mit dieser Inszenierung eine visionäre Arbeit abgeliefert, die den Zuschauer in die Welt des 18. Jahrhunderts entführt, ohne dabei altmodisch zu wirken. Pynkoski versteht es fabelhaft, die Vielschichtigkeit von „Don Giovanni“ herauszuarbeiten – die Mischung aus Tragödie und Komödie, das Spiel mit Moral und Unmoral, die unaufhaltsame Dynamik des Dramma giocoso. Dabei bedient er sich nicht nur der darstellerischen Kunst der Sänger und Tänzer, sondern auch der eindrucksvollen Kostüme von Christian Lacroix, die das Bühnenbild in ein kaleidoskopisches Farbenspiel verwandeln.

Lacroix, bekannt für seine extravaganten und zugleich detailverliebten Entwürfe, hat für diese Produktion Kostüme geschaffen, die historisch inspiriert, aber keineswegs museal sind. Die Figuren der Donna Anna und Donna Elvira erscheinen in luxuriösen Roben, die den Glanz des französischen Rokoko wiederaufleben lassen, während Don Giovanni und Leporello in Kostümen auftreten, die der Tradition der Commedia dell’arte nachempfunden sind. Diese stilistischen Kontraste betonen nicht nur die Charaktere, sondern verleihen der Inszenierung einen besonderen visuellen Reiz, die das barocke Bühnenbild von Roland Fontaine ideal ergänzt. Fontaines symmetrische Bühnenarchitektur, inspiriert vom palladianischen Theater in Vicenza, schafft einen Rahmen, der sowohl für die komischen als auch für die dramatischen Momente der Oper perfekt geeignet ist. Einer von vielen besonderen Höhepunkten ist der finale Auftritt des Komturs im blauen Licht.

Das Ensemble, das für diese Aufführung zusammengestellt wurde, zeigt eine geschlossene, ausgezeichnete Leistung. Robert Gleadow, der in der Titelrolle des Don Giovanni sein Rollendebüt gibt, ist ein wahrhaft charismatischer Verführer. Mit seinem dunklen Bassbariton und einer Präsenz, die sowohl auf stimmlicher als auch auf darstellerischer Ebene überzeugt, dominiert er die Bühne und verkörpert den unverbesserlichen Libertin mit viel Intensität. Sein Don Giovanni ist nicht nur ein Frauenverführer, sondern auch ein Mann, der sich selbst über alle moralischen Schranken hinwegsetzt – eine Verkörperung des ungezügelten Egoismus, die Gleadow mit dramatischer Finesse ausspielt.

Arianna Vendittelli als Donna Elvira ist eine feine Besetzung. Ihre Interpretation dieser zerrissenen Figur, die zwischen Liebe und Rache schwankt, ist stimmlich präzise und dazu hinreichend emotional. Besonders in der Arie „Mi tradi quell’alma ingrata“ zeigt sie eine technische Brillanz, die den Charakter der Elvira in all seiner Komplexität und Verletzlichkeit greifbar macht. Auch Florie Valiquette als Donna Anna überzeugt sowohl darstellerisch als auch stimmlich. Ihre Koloraturen in „Non mi dir“ sind makellos, und sie verleiht der Figur eine innere Zerrissenheit, die die Tragik der Handlung unterstreicht.

Éléonore Pancrazi als Zerlina bringt mit ihrem glockenreinen Sopran und einer spitzbübischen Spielfreude die naive Koketterie dieser Figur perfekt zur Geltung. Sie ist das heimliche Zentrum der komödiantischen Momente der Oper und harmoniert wunderbar mit Jean-Gabriel Saint Martin als Masetto, dessen kerniger Bariton und stimmliche Kraft die Rolle des eifersüchtigen Verlobten eindrucksvoll untermalen. Besonders in ihren gemeinsamen Szenen zeigen die beiden eine Chemie, die diesem Liebespaar Glaubwürdigkeit schenkt.

Riccardo Novaro als Leporello, Don Giovannis treuer, aber leidgeprüfter Diener, bringt die Figur des harlekinesken Schelms mit einer Leichtigkeit auf die Bühne, die das komödiantische Element der Oper perfekt einfängt. Sein Bariton, vielleicht nicht so dunkel wie bei anderen Interpreten der Rolle, bringt dennoch die nötige Tiefe, um den Charakter glaubwürdig und liebenswert erscheinen zu lassen. Enguerrand de Hys als Don Ottavio rundet das Ensemble mit einem kraftvollen, doch fein nuancierten Tenor ab, der besonders in den Arien „Dalla sua pace“ und „Il mio tesoro“ mit Schmelz und stimmlicher Emphase glänzt. Seine Darstellung des treuen Liebhabers ist von einer Noblesse geprägt, die den Charakter aufwertet. Nicholas Certenais ist ein dominanter Komtur mit herrlich sonorem Bass.

Gaétan Jarry, der die musikalische Leitung innehat, beweist ein feines Gespür für Mozarts komplexe Partitur. Das Orchestre de l’Opéra Royal de Versailles, das auf historischen Instrumenten spielt, bringt eine klangliche Authentizität und Lebendigkeit auf die Bühne, die den Geist des Barock und die Emotionalität der Klassik vereint. Jarry versteht es, das Orchester in einem ständigen Dialog mit den Sängern zu halten, und schafft so eine dynamische Balance zwischen den dramatischen und den lyrischen Momenten der Oper.

Besonders beeindruckend ist der Einsatz der Tänzer des Balletts der Königlichen Oper, choreografiert von Jeanette Lajeunesse Zingg. Ihre präzise und ausdrucksstarke Bewegungsführung trägt maßgeblich zur Atmosphäre der Inszenierung bei. Die Tänzer sind nicht nur schmückendes Beiwerk, sondern integraler Bestandteil der Erzählung – sei es in der berühmten Ballszene, in der die verschiedenen Tanzstile kunstvoll ineinander verwoben werden, oder in den symbolisch aufgeladenen Szenen, in denen sie die übernatürlichen Elemente der Oper verkörpern.

Diese Aufzeichnung von Mozarts „Don Giovanni“ in der l’Opéra Royal de Versailles ist ein Triumph in jeder Hinsicht. Die DVD und Blu-ray fangen eine Aufführung ein, die sowohl musikalisch als auch visuell ein gelungenes Opernspektakel darstellt. Pynkoskis kluge Regie, Lacroix’ atemberaubende Kostüme und das brillante Sängerensemble, unterstützt von einem exquisit musizierenden Orchester, machen diese Produktion zu einem Muss für jeden Opernliebhaber. Die opulente Ausstattung und die tiefe Werktreue dieser Inszenierung fügen sich zu einem Kunstwerk zusammen, das die zeitlose Aktualität von Mozarts Oper in perfekter Harmonie verbindet. Ob auf DVD oder Blu-ray, dieses Erlebnis ist ein hinreißendes Fest für die Sinne – prachtvoll, mitreißend und von einer seltenen künstlerischen Vollendung.

Dirk Schauß, im August 2024

Wolfgang Amadeus Mozart

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Château de Versailles Spectacles, CVS115

 

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