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DVD/Blu-ray: HECTOR BERLIOZ: BENVENUTO CELLINI – Ex-Monty Pythons Star Terry Gilliams unterhaltsame Produktion nun erhältlich, live Niederländische Oper Amsterdam 2015, NAXOS

Dr. Ingobert Waltenberger

27.04.2018 | dvd

DVD/Blu-ray: HECTOR BERLIOZ: BENVENUTO CELLINI – Ex-Monty Pythons Star Terry Gilliams unterhaltsame Produktion nun erhältlich, live Niederländische Oper Amsterdam 2015, NAXOS

 

„Das ist mein Traum, dass egal wie sehr man kämpfen muss, man am Ende etwas Wunderschönes geschaffen hat.“  Terry Gilliam

 

In Terry Gilliams wundersamem Sehnsuchtsland der Kunstgeschichte 

 

Die Geschichte einer vereitelten Liebe, Mord, Flucht, Intrigen, Verkleidung, falsche Identitäten inmitten eines wilden Faschingsdienstagsrummels rund um den florentinischen Bildhauer Benvenuto Cellini inspirierte und faszinierte Schriftsteller und Komponisten gleichermaßen. Die wohl bekannteste Vertonung – peripher basierend auf Cellinis Autobiographie „Vita“ – stammt von Hector Berlioz. Er kam dem Schöpfer der Saliera bzw. des Perseus mit dem Haupt der Medusa in all seiner Exzentrizität wohl sehr nahe. Dabei dürfte eine nicht geringe Identifizierung Berlioz‘ mit dem Renaissance-Genie sowie der Italien-Aufenthalt des 27-jährigen Komponisten eine beträchtliche kreative Rolle gespielt haben. Die Musik ist kein missachtetes Meisterwerk (wie die Perlenfischer), aber dennoch in ihrem pompösen Auftritt überwältigend, wohingegen das Libretto (Léon de Wailly und Auguste Barbier) einigermaßen konfus ist. Als Hauptärgernis kann der fehlende konzise narrative Faden gelten:

 

Der Florentiner Cellini (in der Oper wird er nach Rom „verfrachtet“) entwirft im Auftrag des Papstes Clemens VII eine Bronzestatue des griechischen Heroen Perseus.  Gleichzeitig will er die Tochter Teresa des Schatzmeister des Papstes, Giacomo Balducci, ehelichen. Blöd nur, dass sein beruflicher Rivale Fieramosca auch der vom Schwiegervater in spe bevorzugte Nebenbuhler an der Liebesfront ist. Cellini bringt zu allem Überdruss im Duell dessen Freund  Pompeo bei einem Entführungsversuch Teresas um. Um Gnade und die Hand der verehrten Teresa zu erlangen, gibt es nur ein Mittel: Er muss die schöne Statue sofort liefern oder Cellini und seine Träume enden am Galgen. Wie es ausgeht, ist eh klar. Er gießt das gigantische Ding und Happy End.

 

Die nunmehr zweite Verfilmung dieses zwischen Grand Opéra und Opéra bouffe changierenden Stücks (oder sollen wir sagen musiktheatralischen Monstrums?) nach derjenigen der Aufführung der Salzburger Festspiele 2007 wurde in Amsterdam im Mai 2015 aufgenommen. Weitere Stationen dieser „Reiseinszenierung“ führten nach Barcelona, Rom und 2018 Paris.

 

Es handelt sich um eine Ko-Produktion mit der English National Opera, wo das Stück 2014 (in englischer Sprache) herauskam. Terry Gilliam, seines Zeichens genialer Filmemacher („Monty Pythons“) und inzwischen recht erfolgreich auch als Opernregisseur unterwegs, hat hier die dem närrischen Stück adäquate Bild- und Bewegungssprache ersonnen. Irgendwie dürfte der nicht minder hypertrophe Berlioz hier sein kongeniales interpretatorisches Pendant gefunden haben. Das bunte, quirlige  und actionselige Spektakel wurde nicht zuletzt seines hohen Unterhaltungswertes wegen von Kritik und Publikum beinahe unisono gelobt. 

 

Terry Gilliam legt wie vor ihm Zeffirelli und Poutney (oder auf dem Theater Castorf) großen Wert auf dichte, durchbuchstabierte Tableaus in Cinemascope samt Videoinstallationen. Seine Arbeit quillt über vor Liebe zum Detail in den von Battista Piranesi inspirierten Kulissen, eigentlich eher dramaturgisch präzise (surreale) Choreographie denn typologisch durchdachte Personenregie. Das alles ist rau, wild und fantastisch und es wuselt – in der Faschingsszenerie – nur so vor Tänzern, Akrobaten und allerlei ruppigem Volk. Der Rest ist gut getimte ständige Bewegung sowie eingängig üppige Bilder. Das Licht ist naturgemäß ebenso ein starker Verbündeter des Filmemachers, in den doch die karg düstere Welt der Renaissance (etwa Albtraum des Cellini) beherrschenden Szenen ebenso stimmungsmächtig wie in den ausladenden Ensembles. Gilliam versteht es, die Welt auf den Kopf zu stellen und dennoch den Spannungsfaden zu spannen und zu dehnen und bis zur Apotheose zu verdichten. Freilich bleibt Gilliams Engagement bisweilen an der Oberfläche und der effektvollen Konfetti-Show kleben, einen hyperintellektuellen Anspruch hatte er jedoch auch nie gehabt.

 

Sir Mark Elder am Pult der Rotterdamer Philharmoniker weiß die rhythmisch so vertrackte und immens schwer in geordneten Klang zu übersetzende Partitur mit aller Energie, lyrisch romantischem Überschwang, jugendlicher Verve und auf Tradition pfeifende Unmittelbarkeit zu interpretieren. Auch der deftig vulgäre, volkstümliche Tropfen fehlt in seiner Lesart nicht.

 

Die Besetzung ist idiomatisch gut und geschlossen durchwegs erster Klasse: John Osborn wahrscheinlich besser als Duprez bei der missglückten Uraufführung (Benvenuto Cellini), Mariangela Sicilia (Teresa), Laurent Naouri (Fieramosca), Maurizio Muraro (Giacomo Balducci), Michèle Losier (Ascanio), Orlin Anastassov (Papst Clemens VII.), Nicky Spence (Francesco), Scott Conner (Bernardino), André Morsch (Pompeo) und Marcel Beekman (Le Cabaretier).

 

Fazit: Ein Vergnügen in jeder Hinsicht auch auf Video, wenngleich der Grundsatz gilt: Je komplexer die Optik, desto unvergleichlicher und unersetzbarer ist der Eindruck im Theater.

 

Dr. Ingobert Waltenberger

 

 

 

 

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