DVD/Blu-ray Claudio Abbado „The Last Years“ – accentus music
Bewegende Hommage zum fünften Todestag des großen Dirigenten
Gemeinsam mit Karajan, Böhm und C. Kleiber war C. Abbado sicherlich derjenige Dirigent, der mir persönlich an der Wiener Staatsoper die aufregendsten und von der Orchesterleistung her stringentesten Aufführungen beschert hat. Als Generalmusikdirektor während der Direktion von Claus Helmut Drese 1986 bis 1991 leitete Abbado vom Repertoirewert und der Qualität her einzigartige Neuproduktionen. Insgesamt dirigierte er an der Wiener Staatsoper 173 Vorstellungen.
Den höchsten Grad an Luxusklang und Präzision bieten die durchaus wählerischen Philharmonikerstars im Orchestergraben der Staatsoper in der Regel nur dann auf, wenn eine wirklich von ihnen selbst anerkannte und geschätzte Autorität am Pult steht. Unvergessen werden mir und vielen anderen die glanzvollen Premieren von Chowanschtschina, Il viaggio a Reims, Il Turco in Italia, Simone Boccanegra, Don Carlo, Un Ballo in Maschera, Pelleas et Melisande, Fierrabras oder Wozzeck sein.
Die Feinnervigkeit von Abbados Dirigat – er dirigierte fast ausnahmslos ohne Noten – die großartig modellierten Spannungs- und Beschleunigungsbögen (Rossini), die elegante Phrasierung und homogene Abmischung der Orchestergruppen waren Garant für stets außergewöhnliche Abende. Musikfreunde mögen das eine oder andere Detail kritisiert oder die Herangehensweise etwa in Bezug auf Richard Strauss hinterfragt haben (Anm.: Bei „Elektra“ hat er auf eine extreme Transparenz eingefordert und dadurch einen wesentlich schlankeren Klang erzeugt als denjenigen, den das Publikum damals gewohnt war – heute pflegt auch Thielemann im Grunde solch einen Stil), das „Gesamtpaket“ Abbado war in der intellektuellen Strahlkraft, der künstlerischen Redlichkeit und seinem Einsatz für die junge Musikergeneration überwältigend.
Auf sechs Blu-ray bzw. DVDs sind jetzt Filmaufnahmen der Konzerte der letzten Jahre des musikalischen Wirkens Abbados vor seinem Tod zusammengefasst. 2018 hätte er seinen 85. Geburtstag gefeiert. Die Box umfasst C. Abbados Aufnahmen mit dem Lucerne Festival Orchestra (von ihm 2003 gegründet) zwischen 2010 und 2013, die überhaupt letzte audiovisuelle Aufnahme vom August 2013 (Brahms, Schoenberg, Beethoven), sowie eine serh schöne Aufzeichnung von den Salzburger Festspielen 2012 mit dem Mozart-Orchester und dem Arnold Schoenberg Chor.
Inhalt der Box
Mahler: Neunte Symphonie
Bruckner: Fünfte Symphonie
Schubert: Messe D. 950
Mozart: Requiem KV 626
Mozart: Symphonie Nr. 35;
Mozart: Messe KV 139 „Waisenhausmesse“
Mozart: Konzertarie „Misera, dove son! – Ah, non son io che parlo“ KV 369
Mozart: Konzertarie „Ah, lo previdi! – Ah, t’invola“ KV 272
Mozart: Konzertarie „Vorrei spiegarvi, oh Dio!“ KV 418
Brahms: Tragische Ouvertüre op. 81
Schoenberg: Zwischenspiel & Lieder der hölzernen Taube aus „Gurre-Lieder“
Beethoven: Dritte Symphonie „Eroica“
Beethoven: Bühnenmusik zu Egmont op. 84
Eine unbedingte Empfehlung! Es wäre großartig und sinnvoll, bei solch aufwändigen Jubiläumseditionen parallel zu den audiovisuellen Formaten gerade im Konzertsektor reine Tonträgerversionen anzubieten, wie das etwa bei den Berliner Philharmoniker Recordings bereits Standard ist.
Dr. Ingobert Waltenberger