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DIE WOLKEN VON SILS MARIA

15.12.2014 | FILM/TV

FilmPlakat Wolken von Sils Maria~1

Ab 19. Dezember 2014 in den österreichischen Kinos
DIE WOLKEN VON SILS MARIA
Clouds of Sils Maria / Frankreich / 2014
Drehbuch und Regie: Olivier Assayas
Mit: Juliette Binoche, Kristen Stewart, Chloë Grace Moretz, Lars Eidinger, Angela Winkler u.a.

Zu Beginn sieht man in einem Zugabteil eine gänzlich ungeschminkte, sehr müde aussehenden Juliette Binoche. Eine Schauspielerin – sie heißt Maria Enders – , die keinen öffentlichen Termin hat, fährt in die Schweiz, während ihre Sekretärin unermüdlich mit Phone und Tablet dabei ist, Termine zu fixieren. In Zürich findet dann die Gedenkfeier für einen Dramatiker statt, der in Marias Leben eine wichtige Rolle gespielt hat. Und hier, wo dauernd die Kamera klicken, wo Journalisten da sind, wo Öffentlichkeit ist, all die üblichen, verlogenen Rituale – da ist auch die Schauspielerin so schön, geschminkt und gestylt, wie sie auf den Fotos des nächsten Tages erscheinen will. Olivier Assayas hat mit „Die Wolken von Sils Maria“ einen Film über Schauspieler – oder Schauspielerinnen – gedreht. Und übers Älterwerden.

Clouds-of-Sils-Maria- Binoche schön

Denn die Binoche spielt eine Frau jenseits der ersten Jugend. Einst hat sie in einem Film des Verstorbenen ein junges Mädchen verkörpert. Nun soll sie in dem Theaterstück, das man daraus machen wird, die ältere Frau sein. Sie macht es aus einem Grund, den Außenstehende selten sehen, weil sie meinen, dass Schauspieler nur nach „künstlerischen“ und image-bestimmten Kategorien denken. Aber nein: „I need the money“, sagt sie, sie braucht das Geld.

Sie geht nach Sils Maria, in die Schweizer Landschaft, um an ihrer Rolle zu arbeiten, die ihr der Regisseur (Lars Eidinger) und der Schauspieler-Kollege (Hanns Zischler) eingeredet haben, sie besucht die Witwe des Autors (Angela Winkler) – und sie probt den Text mit ihrer Sekretärin Valentine, die von Kristen Stewart gespielt wird, die ein ähnliches Problem hat wie Emma Watson („Harry Potter“): Sie ist zwischen 2008 und 2012 durch die Filme der „Twilight Saga“ bekannt geworden und damit ziemlich festgelegt: Die bebrillte Sekretärin, die Olivier Assayas nicht nur als Figur schillernd-undurchsichtig, sondern auch dramaturgisch vielschichtig angelegt hat, ist eine sehr interessante Rolle. Am aller interessantesten ist da dann noch ein Trick: Während einer Bergwanderung, wo sich die Damen die berühmte Maloja-Snake ansehen wollen, ein Wolkenphänomen, das sich durch das Tal zieht – da verschwindet Valentine. Man weiß nicht, was mit ihr geschieht, es ist nie wieder von ihr die Rede. Aber Olivier Assayas ist ein Regisseur, der Platz für Geheimnisse lässt…

Und schließlich muss Maria die junge Schauspielerin treffen, die auf der Bühne jene Rolle spielen wird, die sie einst im Film war: das junge Mädchen. Jo-Ann Ellis ist ein IPhone-fixiertes, oberflächliches, aber enorm erfolgreiches Geschöpf unserer Zeit – in diesen beiden Frauen reißt Assayas den Abgrund zwischen den Generationen auf. Alle, die so alt sind wie Maria, fragen sich wohl, wie es dazu kommen konnte (und so schnell!), dass diese so ganz anderen Menschen die Herrschaft übernommen haben. Die auch, im Fall der jungen Schauspielerin, nicht einen Hauch Rücksicht nimmt – auf niemanden. Was Chloë Grace Moretz da liefert, ist von schneidender Direktheit und Heutigkeit…

Maria, einst der große Star, ist die völlig unwichtig gewordene alte Frau, sie ist von gestern, uninteressant, findet kaum Beachtung. Am Ende des Films steht das Gesicht der grandiosen Binoche. In ihm zeichnet sich die Erkenntnis ab: Das war’s…

Es ist ein Film über Schauspieler, über Altern, vor allem aber eine schmerzliche Parabel über Vergänglichkeit: Das geht unter die Haut.

Renate Wagner

 

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