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DIE VENEZIANISCHE MENTALITÄT

13.10.2020 | REISE und KULTUR

Die venezianische Mentalität

Von Andrea Matzker und Dr. Egon Schlesinger


Monaco Gran -Canal: Ein Teil der zauberhaften Terrasse vor und nach dem Unwetter. Foto: Andrea Matzker

Direkt am Canal Grande, einen Steinwurf von der Piazza San Marco entfernt, befindet sich der Palazzo Dandolo-Errizo, inzwischen das sehr beliebte und edle Hotel Monaco Grand Canal, in dem viele Feste und große Tagungen stattfinden. Bedeutende Persönlichkeiten verkehren dort sehr gerne, da sie sich der absoluten Diskretion des Personals sicher und somit völlig ungestört sein können. Das Hotel verfügt über fast 100 Zimmer und Suiten, wovon einige den Blick direkt auf den Canal Grande und die Kirche Santa Maria della Salute eröffnen. Die Räumlichkeiten sind alle unterschiedlich, aber immer sehr kostbar gestaltet und verzaubern die Gäste durch ihren einzigartigen venezianischen Charme und den bestechenden Ausblick. Es gibt auch eine Dachterrasse, die einen fantastischen Blick auf und über die ganze Stadt erlaubt. Die großzügige Eingangshalle lädt auch zum Aufenthalt ein, und eine riesige Treppe führt von dort aus in den eleganten Festsaal mit Deckenfresko und weiteren Sälen der ersten Etage, die gerne für Feste, Versammlungen, Tagungen und Konzerte gebucht werden.

Das Bestechendste von alledem ist jedoch die direkt am Canal Grande entlang des ganzen Palazzo gelegene Terrasse, auf der sich Restaurant, Café und Bar, auch für Besucher, die keine Hotelgäste sind, befinden. Sie erlaubt einen Blick auf das Panorama von der Isola San Giorgio über das Markusbecken und den Redentore bis hin zur Salute und den Canal Grande mit dem bewegten Heer von Vaporetti, Gondeln und Arbeitsbooten. Falls das Wetter es nicht erlaubt, auf der Terrasse zu frühstücken oder zu dinieren, wird der gesamte Betrieb in die diversen Innenräume des Erdgeschosses verlegt.


Monaco Grand Canal: Der Ausblick von der Terrasse am 7. September 2020 während des Unwetters. Foto: Andrea Matzker

Wie einzigartig der erstklassige Service des gesamten Personals in einem klassischen italienischen Hotel ist, zeigte sich besonders an einem Tag (genauer gesagt, dem 7. September 2020), an dem, nachdem lediglich offiziell „zwei Tropfen“ vom Wetterdienst vorhergesagt worden waren, ein kolossaler Wolkenbruch mit Gewitter und Sturm in wenigen Minuten die gesamte Terrasse und anschließend das Hotel und die Stadt unter Wasser setzte. Mit unglaublichem Humor, unfassbarer Ruhe und selbstverständlicher und doch ausgesuchter Höflichkeit geleiteten die Kellner die auf der Terrasse frühstückenden Gäste in den Innenraum und brachten die gesamten Frühstückstafeln peu à peu zu einem zweiten Platz im Inneren des Hotels.


Monaco Grand Canal: Abgeräumte Tische vor dem 3. Gang, Wasser im Innenbereich des Hotels.  Foto: Andrea Matzker


Monaco grand Canal: Der zweite Frühstücksgang. Foto: Andrea Matzker

Als das Wasser begann, auch diese neuerlichen und Sitzplätze zu fluten, wechselten sie, begleitet von freundlichen und lustigen Bemerkungen, zum Teil sogar leise und dezent singend, das Ganze zum dritten Frühstücksplatz weiter innen im glasüberdachten Innenhof. Währenddessen wurden Pumpen und Wassersauger eingesetzt, um das Wasser hinaus zu befördern. Die Stromzufuhr für Licht und Lifts fiel kurzfristig total aus, sodass das Personal die Gäste in ihren Zimmern mit riesigen, schweren, silbernen und voll beladenen Frühstücktabletts bis in die vierte Etage über die Treppen bediente. Erst als das Notstromaggregat ansprang, konnte man die Aufzüge wieder benutzen. Inzwischen lief an fast allen Wänden das Wasser herunter. Auf dem Boden stand es bereits. Die Straßen waren ca. 30 cm hoch komplett überflutet. Die Belegschaft im Hotel blieb stoisch gelassen und lächelnd mit den Worten: „Das ist normal bei einem alten Palazzo.“ Auch als manche Zimmer durch offengelassene Fenster komplett unter Wasser standen, blieb man ruhig und widmete sich den Extrawünschen der Gäste im Frühstücksraum (wie zum Beispiel dem Auftrag, vier verschiedene Eierspeisen für einen Vierertisch zuzubereiten) ohne regulären Strom in der Küche, die nämlich auch unter Wasser stand. Das Küchenpersonal watete in Gummistiefeln durch die Schwingtür zu ihrem Arbeitsplatz.


Monaco Grand Canal. Der Haupteingang von innen während des Wolkenbruchs. Foto: Andrea Matzker


Monaco Grand Canal Ausblick aus dem-Eingangstor während des Unwetters am 7. September- 2020. Foto: Andrea Matzker

Obwohl das Wasser von der Decke tropfte, erklärte der Concierge gelassen und freundlichst den Gästen, die danach gefragt hatten, den Weg zu irgendeiner Sehenswürdigkeit. Das Hotel war durch ca. 50 cm hohe Eisen-Barrieren, die mit einer Treppe überbrückt waren, zur Straße hin abgesperrt. Das Eingangsportal stand weiterhin gastfreundlich offen. Es war wirklich aufregend. Nach zweieinhalb Stunden war der Spuk vorbei, der Regen hatte aufgehört, das Wasser floss ab, und die Sonne trocknete die Straßen. Man zog wieder auf die Terrasse. Das Leben ging weiter, als sei nichts gewesen.

In Italien wird die „Accoglienza“ eben großgeschrieben. Das ist echte Gastfreundschaft!

 

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