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Die Kulturstadt Brünn 2022 – Action rund um Janácek und Mendel

25.03.2022 | REISE und KULTUR

Die Kulturstadt Brünn 2022 – Action rund um Janácek und Mendel

Die Kulturstadt Brünn verehrt ihre zwei Heiligen. Zwei ohne Heiligenschein, doch Größen mit nachwirkender Relevanz in ihren unterschiedlichen Metiers. Geistesgröße Gregor Johann Mendel (1822 bis 1884) hat als Mönch und dann als Abt der Alt Brünner-Abtei St. Thomas seine Forschungen zur Vererbungslehre betrieben. Verbunden mit Mendel ist ein heute immer wieder zu hörendes Modewort: Hybrid. Und für die Musikergröße Leos Janácek (1854 bis 1928) aus dem Norden Mährens ist Brünn zur Heimatstadt geworden. In der Schule von St. Thomas erhielt er frühen musikalischen Unterricht, und in der Stadt wird sein Schaffen durch die Jahrzehnte mit besonderer Umsicht gepflegt. 

Vor der Corona-Epidemie ist es wohl einfacher gewesene, diese geschäftige Schul- und Messestadt mit ihrem gepflegten Stadtkern – bürgerliches früheres Österreich – in den Fokus von Kulturreisen zu rücken. Mit international ausgerichteten und aufwendigen Veranstaltungsreihen wirbt Brünn heuer nun wieder mit Mendel und Janácek für die Tradition der Stadt wie um Touristen. Das Brünner Nationaltheater – Národní divadlo Brno (www.ndbrno.cz) – ist mit seinen drei Häusern das Hauptquartier für Leos Janáceks Opernschaffen. In dieser Saison zuvor allerdings: Mit der neuen Einstudierung von Bohuslav Martinus „Griechische Passion“ (1961) wurde in der Planung ungewollt in die aktuelle Wunde politischer Verkommenheit gestochen. Vor Beginn der Vorstellungen wird in diesen Tagen die Hymne der Ukraine gespielt – und dieses Passionsspiel in Martinus vertonter Version des Romans „Der wiedergekreuzigte Christus“ von Nikos Kazantzakis über Völkermord und Vertreibungen vermag unter die Haut zu gehen. In Episoden verknüpft sind die Schicksale der von den Türken in Kleinasien vertriebenen Griechen und unerfülltes dörfliches Liebesbegehren, Hasspredigen, Leiderfahrungen und hymnische Chorgesänge. Inbrünstige Darstellung, griechische Folklore, tschechisches Musiziergut – nervig, nicht ganz so intensiv wie bei Janácek, wird musikalisch erzählt. Das eindringliche Spiel in der Inszenierung von Jiri Herman, Chef der Sparte Oper, bietet in Anbetracht des Ukraine-Krieges somit höchst aktuelles Musiktheater.

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Ensembleszene aus „Beethoven“ Credit: Narodni divadlo Brno

Ein inbrünstiges wie leidenschaftsvolles Künstlerschicksal möchte auch Brünns Ballettchef Mário Radacovsky mit seiner abendfüllenden Kreation „Beethoven“ beschreiben. Ein schon schwierigeres Unterfangen. Übergenie Ludwig van Beethoven wird hier vom Anfang bis zum Ende sehr belästigend von Tod und (schließlich auch von) Luzifer begleitet – und offensichtlich schwer genervt. Verkünden die ‚Neunte‘ oder die ‚Pastorale‘, solch kraftvoll überirdische Musik, auch Todesbotschaften? Das Orchester musiziert erhöht im Hintergrund der Bühne; große Würfel mit Notenskizzen werden aufgerichtet, immer wieder herum geschoben; ein bisschen Romantik wird dazu auch in den Tänzen vermittelt, und verzweifelt sucht Beethoven in mehreren Sequenzen nach erfüllter Liebe. Doch …. schon wieder ist er da, der schwarze Todesengel.

Zum Brünner Stolz zählt das „The Janácek Brno International Festival“, welches all zwei Jahre groß gefeiert wird. 2018 erhielt es den ‚Opera Award‘ als bestes Festival des Jahres. Heuer kann man sich unter dem Motto „Quo vadis“ von 2. bis 20. November in Kompositionen von Janácek oder auch Mussorgski, Rubinstein, Schostakowitsch, Schulhoff vertiefen (Info: www.janacek-brno.cz). Das Grand Théatre de Genéve sowie das Prager Nationaltheater präsentieren jeweils ihre Versionen von „Katia Kabanova“, die Welsh National Opera gastiert mit „Die Sache Makropulos„, das heimische Ensemble setzt „Aus einem Totenhaus“ an.

Nicht heilig, nicht selig gesprochen, kein leidender Märtyrer, doch der schöpferische Weg von Abt Gregor Johann Mendel hat schon etwas faszinierendes an sich. In seiner Abtei und im Klostergarten forschend, nicht immer anerkannt, doch heute als bedeutenster Wissenschaftler Tschechiens angesehen, wird es rund um seinen 200. Geburtstag eine kaum übersehbare Fülle an Veranstaltungen geben. Um über Mendels Vermächtnis, über das kulturelle Erbe des Landes, über das ‚Kreuzen‘ der Kulturen nachzudenken. So heißt es etwa: DNA-Tag, Internationale Genetikkonferenz, Mendeltage oder Das Festival Mendel als fachübergreifendes Fest zur Poplarisierung vonG.J.Mendel und von Wissenschaften (www.mendel22.cz / www.mendelianum.cz / www.mendelje.cz ). Und bei der EXPO in Dubai ist mit ‘Czech Primacy‘ eine multimediale Präsentation von Mendels Forschungen zu erleben. Aber auch die Abtei Alt Brünn putzt sich heraus. Auf deren Stiftsmuseum, auf die sehenswerte Augustiner-Barockbibliothek, die Ausstellung Klosterschätze sei hingewiesen. Somit: Solch eine mährische Stadt- und Landpartie sollte sich durchaus als Bereicherung erweisen.

Meinhard Rüdenauer

 

 

 

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