Ab 14. November 2014 in den österreichischen Kinos
DIE GELIEBTEN SCHWESTERN
Deutschland / 2014
Drehbuch und Regie: Dominik Graf
Mit: Florian Stetter, Hannah Herzsprung, Henriette Confurius, Claudia Messner, Ronald Zehrfeld u.a.
Ein flotter Dreier zu Ende des 18. Jahrhunderts – das dächte man sich im Zusammenhang mit einem unserer „klassischen“ Dichter wohl nicht, wenn man es aus der Geschichte und Biographik nicht längst wüsste. Friedrich Schiller war beiden Schwestern Lengefeld sehr zugetan (so wie Mozart zwei Schwestern Weber, wie Sigmund Freud zwei Schwestern Bernays, jeder hat eine der beiden geheiratet – das ist ja kein Einzelfall in der Geschichte!).
Und weil die eine Schwester verheiratet und die andere zu haben war, entschloß Schiller sich für die scheinbar unkomplizierte Lösung und heiratete Lotte, ohne sich ganz von Caroline zu lösen… Seelisch vertrackt und diffizil bleibt die Sache immer noch, und das hat Dominik Graf in seinem Biopic-Film wunderschön in den Griff bekommen.
Weimar, 1787. Man wird in eine seltsame Welt hineingeholt, in der nur Goethe fehlt – Frau von Stein ist ärgerlich, weil er aus Italien nicht heimkommt (und Dominik Graf hält den wichtigen Mann auch in der Folge aus dem Geschehen heraus). Die verwitwete Frau von Lengefeld gehört zum mäßig begüterten Adel, ihre Tochter Charlotte muss also froh sein, bei besagter „Tante“, Frau von Stein, im Haushalt unterzukommen – Weimar ist ein Boden, einen standesgemäßen und wohlhabenden Mann zu finden. Die andere Tochter, Caroline, hat quasi zur Versorgung ihrer Familie schon den Herrn von Beulwitz geheiratet. Was klar wird, ist die ganz besondere Neigung der Schwestern zu einander, die in Jungmädchen-Romantik beschließen, dass das Leben sie auf keinen Fall trennen, ihre Verbindung nicht brechen soll. Was sie lange durchhalten… bis dann ein Mann auftaucht.
Dieser ist der junge Friedrich Schiller, den sein Stück „Die Räuber“ berühmt gemacht hat. Die Romanze mit beiden Schwestern, die gewissermaßen beschließen, auch seine Zuneigung schwesterlich und ohne Eifersucht zu teilen, wird so sensibel wie humorvoll geschildert. Florian Stetter, begabt für „historische“ Figuren (hat er doch in dem „Nanga Parbat“-Film immerhin Reinhold Messner gespielt), ist für den jungen Schiller ideal – begabt, selbstbewusst, aber doch noch ein junger Mann, der seinen Platz sucht. Einer, der von zwei ganz verschiedenen jungen Frauen auf gleiche Weise begeistert sein kann und der Lust nach beiden nachgibt. Und das alles ganz locker, ganz selbstverständlich unter jungen Menschen spielend, die ihre Sexualität nicht verdrängen. Ja, es ist besonders schön, dass dieser Film – auch durch die Ausstrahlung seiner Hauptdarsteller – kein bisschen prüde wirkt…
Aber das Dreieck muss sich vollenden, um dem Film seinen ultimativen Zauber zu verleihen. Henriette Confurius hat nicht zuletzt den Vorzug, dass sie der historischen Charlotte wirklich ähnlich sieht und einen echten Kontrast zu ihrer „vibrierenden“ Schwester darstellt, für die Hannah Herzsprung eine ideale Besetzung ist, der man Begabung und Problematik gleicherweise glaubt.
Diese Caroline von Wolzogen, als die sie (mit dem Namen des zweiten Gatten) in die Geschichte eingegangen ist, war als selbständige Schriftstellerin eine Persönlichkeit für sich, die auch von der Nachwelt noch beachtet wird, während die Schwester, die Schiller geheiratet hat, einfach „Schillers Lotte“ war, die brave Ehefrau, Mutter von mehreren Kindern.
Dominik Graf erzählt die Geschichte vom „Anfang“, als der 28jährige Schiller den Schwestern erstmals begegnete, bis zu seinem frühen Tod, noch nicht 46jährig, im Jahre 1805, mit den Schwerpunkten aus der Biographie. Das ist schön besetzt bis in die Nebenrollen, etwa Claudia Messner, in die Rolle der würdigen Mama Lengefeld geschlüpft, eine Frau, die sich über gar nichts Illusionen macht, immer die Contenance behält und alles andere als verknöchert gestrig ist. Oder Michael Wittenborn als ihr treuer Adlatus Knebel. Oder Ronald Zehrfeld als anständiger Wolzogen, der Caroline heiratet und Schillers Sohn (wie Dominik Graf vermutet) als den seinen aufzieht…
In den knapp 20 Jahren der Handlung kann das schmerzliche Auseinanderbröckeln der glücklichen Dreisamkeit nicht so ausführlich geschildert werden wie der für alle wundervolle Beginn (die zweiteilige Fernsehfassung wird da mehr zu bieten haben als der mit zweieinviertel Stunden nie auch nur annähernd zu lange Film). Aber Dominik Graf bleibt allen drei Protagonisten treu, zeichnet die psychologische Entwicklung von jedem / jeder Einzelnen einsichtig nach, wo die bürgerliche Wohlanständigkeit angesichts von drei unangepassten Persönlichkeiten ganz wenig Rolle spielte.
Das alles findet, sorglich und schön gestaltet, im Kostüm seiner Zeit statt – aber die Figuren kommen uns ganz nah. Was kann ein historischer Film schon mehr erreichen?
Renate Wagner