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DIE BÜCHERDIEBIN

10.03.2014 | FILM/TV

FilmPlakat Buecherdiebin

Ab 13. März 2014 in den österreichischen Kinos
DIE BÜCHERDIEBIN
The Book Thief / USA / 2013
Regie: Brian Percival
Mit: Sophie Nélisse, Geoffrey Rush, Emily Watson u.a.

Grundlage für diesen Film ist ein millionenfach verkaufter Bestseller aus dem Jahr 2006. Der Australier Markus Zusak, deutsch-österreichischer Abstammung, schrieb ihn aufgrund von Informationen seiner Eltern über die Nazi-Zeit, wie es heißt (da Zusak Jahrgang 1975 ist, müssen diese Eltern ihrerseits wohl Erzähltes berichtet haben). „Die Bücherdiebin“ ist ein Jugendbuch, das unendlich viel Lob erntete und teilweise neben „Anne Frank“ gestellt wurde, obwohl deutsche, nicht jüdische Schicksale im Mittelpunkt stehen.

Was beim Lesen oft ergreifend und poetisch sein mag (etwa die Tatsache, dass der Tod, der im Krieg so reiche Ernte hielt, der „Erzähler“ der Geschichte ist), kann im Kino leicht zu Kitsch gerinnen, und das passiert stellenweise. Auch fragt man sich, ob die schweren Zeiten nicht etwas zu betulich dargestellt werden. Andererseits kennt man die phantastische Anpassungsfähigkeit von Kindern, die auch in Kriegszeiten Kinder bleiben und in aller Selbstverständlichkeit – einfach leben… Trotzdem: So schön vieles gelingt, so zweifelhaft ist manches an diesem mit zweieinviertel Stunden doch sehr langen Streifen.

Vieles an der Geschichte hat Märchencharakter. So ist das Schicksal der zwölfjährigen Liesel geradezu überbordend tragisch. Man lernt sie 1938 im Zug mit ihrer Mutter und ihrem kleinen Bruder kennen, der bei dieser Fahrt in tiefem Winter stirbt. Dann entreißt man sie der Mutter – man ist im Dritten Reich, die Dame entspricht nicht politisch, das Kind wird in eine kleine deutsche Stadt (wieder fabelhaft aufgebaut in den Studios von Babelsberg…) zu Pflegeeltern, den Hubermanns, gegeben. Da ist der übergütige Vater (eine wundervolle, weil nicht pathetisch ausgereizte Leistung von Geoffrey Rush) und die geradezu hexenhaft „böse“ Mutter, die erst später, viel später ihr ach so weiches Herz zeigt, aber bis dahin in ihrer brutalen Bösartigkeit geradezu schmerzt (auch für eine so großartige Schauspielerin wie Emily Watson nicht ganz leicht hinzukriegen).

Wichtig für Liesel ist die Freundschaft mit dem blonden Nachbarsjungen Rudi (Nico Liersch, eine sympathische Temperamentsbombe), tremolierend dramatisch wird es, als die Hubermanns den schwer kranken jüdischen Flüchtling Max verstecken (Ben Schnetzer), der für Liesel so etwas wie ein Freund, Gefährte und Lehrer wird, bevor er weiter flüchtet, und den sie gewissermaßen damit am Leben erhält, dass sie ihm vorliest.

Denn inzwischen hat Liesel schon in der Bibliothek des Bürgermeisters, wohin sie Wäsche liefert, ihre Begeisterung für Bücher entdeckt – der Bürgermeister selbst (Rainer Bock, immer für einen Bösewicht gut) darf’s nicht wissen, dessen unglückliche Frau (Barbara Auer) lässt das Mädchen gern in den Büchern ihres verstorbenen Sohnes stöbern. Und an Liesel erlebt man, was man Büchern gerne nachsagt und was bestenfalls auch der Fall ist, dass sie Menschen zum Denken, Fragen, Verstehen, Begreifen bringen und sie das Unrecht erkennt, das um sie herum geschieht: Nicht zuletzt in einer Szene, die jedem Bücherfreund das Herz umdreht, ein Scheiterhaufen mit verbrannten Büchern… Und doch ist es die Märchenhaftigkeit im Erzählduktus des Films, die die raue Realität, die im Geschehen (Hausdurchsuchung, gefangene Juden durch die Straßen getrieben) immer wieder durchscheinen sollte, sanft abfedert.

Die Geschichte endet etwa 1940, als der Tod in einer Bombennacht die meisten Protagonisten des Geschehens holt (selbst den Rudi), nur Liesel überlebt, auch, um ihren Max wieder zu sehen – und wir erfahren auch noch, dass sie in Australien später ein langes, glückliches Leben hatte…

Vermutlich wollte Regisseur Brian Percival (er hat mit großem Erfolg Teile von „Downtown Abbey“ inszeniert und vielleicht hier diesen gemessenen, ausgewogenen Stil kultiviert) das Geschehen nicht unnötig dramatisch aufheizen. Dass es nicht allzu beiläufig wirkt, dankt man der Besetzung der Liesel mit der jungen Kanadierin Sophie Nélisse, Jahrgang 2000, die bei den Dreharbeiten also 13 war. Ihre Selbstverständlichkeit wird von jungen Schauspielern, die oft zur Künstlichkeit neigen, selten erreicht, und darum funktioniert die „Bücherdiebin“ auch in Alltäglichkeit, Poesie und Tragik.

Renate Wagner

 

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