Ansicht der Westfassade mit dem Arbeitsgerüst auf dem Nordturm. Foto: Andrea Matzker
DER KÖLNER DOM – Corona macht es möglich –
Seltene Einblicke und Perspektiven
Von Andrea Matzker und Egon Schlesinger
Wenn man vom Weltkulturerbe der UNESCO, dem Kölner Dom, spricht, fallen einem normalerweise zunächst das einmalige und imposante Bauwerk, der goldene Dreikönigenschrein, der größte Reliquienschrein Europas von ca. 1200, bedeutende Kunstwerke, Altäre und Europas größter existierender Kirchenfensterzyklus aus dem 14. Jahrhundert ein. Seltener denkt man dabei an das mit 1350 m² flächenmäßig größte Kunstwerk in dem berühmten Gotteshaus, an den geschichtlich so aussagekräftigen Mosaikfußboden in Vierung, Binnenchor und Chorumgang.
Grundriss des Mosaiks im Bodenmosaik. Foto: Andrea Matzker.
1887 hatte der bayerische Architekt August von Essenwein aus Gründen der besseren Haltbarkeit einen Boden aus keramischen Mosaiksteinchen der Firma Villeroy & Boch entworfen und vorgeschlagen. Er erhielt den Zuschlag, da man Mosaik aus Terrazzo-Platten und somit aus Marmor oder auch einen Belag aus Granit für allzu empfindlich hielt. Das Langhaus und die Querschiffe sollten mit 4000 m² schlichtem Oberkirchener Sandstein belegt werden, der wiederum von dunkelrotem Granit und dunkelgrünem Syenit umrandet wurde. Der Entwurf des Mosaiks passte sich der Architektur des Domes mit drei großen Themenkomplexen an. Der gesamte Chorumgang repräsentiert die verschiedenen Bauphasen des Kölner Doms, die Geschichte des Erzbistums mit Namen und Wappen der Kölner Bischöfe und Erzbischöfe und ist für Besucher komplett einsehbar und begehbar.
Der Petersdom in den Händen der Italia. Foto: Andrea Matzker.
Zwischen dem Chorgestühl befindet sich die heute immer noch sehr aktuelle Darstellung eines Glücksrades, dass die Launenhaftigkeit von Fortuna mit all ihren Hochs und Tiefs versinnbildlicht. Es trägt den Titel: „Deus in rota est (Gott ist im Rad).“ Um eine Stufe höher liegen im Binnenchor die Mosaikfelder der weltlichen Ordnung mit dem thronenden Kaiser. Er ist von den personifizierten sieben freien Künsten umgeben, nämlich Dialektik, Rhetorik, Musik, Arithmetik, Grammatik, Geometrie und Astronomie. Weiterhin werden die Hauptkirchen der alten Welt vorgestellt, deren Modelle von Frauengestalten in Händen getragen werden, wie die Peterskirche in den Händen der Italia.
Der Papst als Oberhaupt der geistlichen Welt. Foto: Andrea Matzker.
Der Boden des Binnenchors wird neben Darstellungen der weltlichen auch von denen der christlichen Ordnung geschmückt. Höhepunkt vor dem Hochaltar bildet das Abbild des Papstes, das als einziges aus Glassteinchen erstellt wurde. Nicht zu übersehen ist das leuchtende Türkis in seinem Gewand. Das Oberhaupt der Kirche ist umgeben von den vier paradiesischen Flüssen, unter anderem dem Tigris, die ihrerseits wiederum umflossen werden vom Lebensfluss, in dem sich Fische tummeln.
In der Vierung, heute abgedeckt durch das hölzerne Podest mit dem Vierungsaltar, wird der gesamte mittelalterliche Kosmos mit Sonne, Tageszeiten, Mondphasen, Tierkreiszeichen, Himmelsrichtungen mit ihren Winden, sowie den vier Elementen und den vier menschlichen Temperamenten dargestellt. August von Essenwein konnte sein Werk nicht mehr vollenden. Es wurde 1899 vom Freiburger Glasmaler und Restaurator Fritz Geiges fertiggestellt. Letzterer hat sich selbst als „Opifex“, was so viel wie „Künstler“ bedeutet, rechts vom Altar in einem Selbstporträt mit dem Grundriss des Mosaiks und seinen Initialen verewigt. Als einziger schaut er in die entgegengesetzte Richtung wie alle anderen dargestellten Personen und ist daher nicht zu übersehen.
Die Kölner Dombauhütte besteht seit dem Baubeginn des gotischen Domes am 15. August 1248 und beschäftigt heute 97 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Bisher wurde der Dom immer manuell gereinigt. Da die letzte Grundreinigung gut 15 Jahre zurückliegt und anlässlich des Weltjugendtages in Köln vorgenommen worden war, nutzte die Dombauhütte die durch die Pandemie bedingte besucherfreie Zeit, um eine restauratorische Grundreinigung vorzunehmen. Derzeit ist das Gotteshaus nur für angemeldete Teilnehmer von Gottesdiensten geöffnet. Auch dürfen Gläubige vereinzelt unter Aufsicht der Domschweizer den Dom zum Gebet betreten. Die jährliche Besucherzahl beläuft sich auf ca. 6 Millionen außerhalb der Pandemie. Diese Besucher bringen nicht nur Straßenschmutz, sondern auch benutzte Kaugummis mit, die sie unbegreiflicherweise in dem Gotteshaus verteilen und festtreten.
Nun kommt erstmals moderne Technik zum Einsatz. Unterstützt wird die Dombauhütte hierbei vom baden-württembergischen Reinigungsgerätehersteller Kärcher, der im Rahmen seines Kultursponsorings seit 1980 weltweit über 150 Denkmäler restauratorisch gereinigt hat. Dazu gehören unter anderem die Kolonnaden des Petersplatzes in Rom, das Brandenburger Tor in Berlin, die Christus Statue in Rio de Janeiro, die Memnon-Kolosse in Luxor sowie die Präsidentenköpfe am Mount Rushmore.
Der Marmor-und Mosaikboden unter dem Dreikoenigsschrein. Foto: Andrea Matzker
Der frisch gereinigte Sandsteinboden im Verhaeltnis zu dem vom Domschweitzer markierten noch ungereinigten Sandsteinboden. Foto: Andrea Matzker.
In Zusammenarbeit mit der Dombauhütte erhält nun der historische Sandstein- und Mosaikboden eine umfassende Reinigung. Ebenso kostenfrei, stellt das Unternehmen auch sein Wissen und die Technik für künftige Arbeiten zur Verfügung, sodass in Zukunft auf die gemeinsam gewonnenen Erfahrungen zurückgegriffen werden kann, und die Dombauhütte die Reinigung des Doms allein bewerkstelligen kann.
Ein noch nicht gereinigtes Blattornament des Fußbodenmosaiks. Foto: Andrea Matzker.
Ein bereits gereinigtes Rankenornament im Fußbodenmosaik. Foto: Andrea Matzker.
Mit einem Heißwasser-Hochdruckreiniger in Verbindung mit einem Flächenreiniger werden die 4000 m² Sandsteinboden zunächst mit 80° heißem Wasser unter Druck gereinigt. Die Strukturen des deutlich helleren Steines werden wieder sichtbar. Gleichzeitig wird das Schmutzwasser sofort wieder aufgesaugt. Somit ist ein wirksames wie schonendes Verfahren erarbeitet worden. Mehrere Geräte verschiedener Qualitäten werden von dem Sponsoren zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus werden die Mitarbeiter der Dombauhütte in Anwendung und Wartung dieser Geräte geschult. Verschmutzungen durch die Besucher werden mit den Scheuersaugmaschinen zuverlässig und schonend entfernt.
Der Marmor- und Mosaikboden unter dem Dreikönigsschrein. Foto: Andrea Matzker
Der 1350 m² große Mosaikboden im Kirchenchor bedarf einer völlig anderen Art der Reinigung. Zunächst wird die über Jahrzehnte aufgetragene Wachs- und Pflegemittelschicht mit einer oszillierenden Einscheibenmaschine entfernt. Im Anschluss führen die Restauratoren der Dombauhütte Konservierungsarbeiten an dem Kunstwerk aus. Abschließend wird eine neu aufgetragene Wachsschicht mit einer Poliermaschine eingepflegt. Da diese empfindsamen Arbeiten erst ab einer Bodentemperatur von über 12 °C möglich sind, ist noch nicht sicher, wann die gesamte Reinigung fertig sein wird. Erster Wunschtermin wäre das anstehende Pfingstfest.
Dom: Blick von der Empore auf das vorne gereinigte und hinten noch ungereinigte Mosaik. Foto: Andrea Matzker
Die ersten Ergebnisse dieser gründlichen Reinigung und anschließenden Restaurierung und Wiederversiegelung beider verschiedenen Böden im Kölner Dom lassen sich anhand der Fotos gut nachvollziehen, sei es am Sandsteinboden wie an den Mosaikbildern. Letztere erstrahlen geradezu durch Helligkeit und Kraft der Farben, wenn man sie den noch nicht gereinigten im Vergleich gegenüberstellt. Auch das Blattwerk der Ornamente in Form und Farbe ist wieder deutlich zu erkennen und nicht mehr, wie vorher, von einem gräulichen Schleier bedeckt. Auch der frisch gereinigte Sandstein leuchtet förmlich, wodurch auch das gesamte Gotteshaus gleich viel heller wirkt. Bleibt zu hoffen, dass sich die Besucher in Zukunft in ihrem Benehmen den Gepflogenheiten eines Gotteshauses anpassen und den Spezialisten der Dombauhütte, die ohnehin über das ganze Jahr hinweg genug Arbeit haben mit der Domrestaurierung, nicht noch mehr überflüssige Arbeitsstunden auferlegen.