Ab 12. Dezember 2012 in den österreichischen Kinos
DER HOBBIT: EINE UNERWARTETE REISE
The Hobbit: An Unexpected Journey / USA, Neuseeland / 2012
Regie: Peter Jackson
Mit: Martin Freeman, Ian McKellen, Cate Blanchett, Andy Serkis, Richard Armitage, Christopher Lee u.a.
„Der Herr der Ringe“ hat in den drei Filmen, die Regisseur Peter Jackson daraus machte, für einen Welterfolg bei Publikum und Kritik gesorgt. Wo Harry Potter letzendlich auf der Ebene des Kinderbuchs blieb, setzte sich der Roman von J. R. R. Tolkien gleichsam als Welttheater auf der Kinoleinwand um. Dass man hier nachhaken will, um der Phantasiewelt eines großen Autors willen, sicher aber auch in Hinblick auf erneute Riesengewinne, versteht sich. Also hat sich Peter Jackson nun die „Vorgeschichte“ hergenommen, den „Hobbit“-Roman von Tolkien, der 60 Jahre vor dem „Ring“ spielt und in dem der Brite seinen umfangreichen Kosmos „Mittelerde“ mit all seinen Geschöpfen gerade erst zu erfinden begann.
Jackson hat wieder in seiner Heimat Neuseeland gedreht und die Welt von „Mittelerde“ in den sanften wie den dramatischen Naturschönheiten seiner „Insel“ gefunden, und er ging technisch den Schritt weiter, den nur Fachleute verstehen, aber auch normale Kinobesucher wahrnehmen: Indem man die Bilderanzahl verdoppelt (erstmals 48 statt wie bisher 24 pro Sekunde), erreicht man einen unglaublich bunt-strahlenden Eindruck, der durch manche schwungvolle Kameraführung verstärkt wird und auch noch die verblüffenden 3-D-Effekte bietet (die Brille muss man sich schon auf die Nase setzen).
Kurz, es wurde nicht gespart, auch nicht an Special Effects, und tatsächlich wird auch der „Hobbit“ drei Teile haben, obwohl das Buch weit kürzer ist als der „Herr der Ringe“. Jackson hat sich da nicht nur handlungsmäßig einiges einfallen lassen, um es zu dehnen und zu strecken (wer wird ihm übel nehmen, dass er in der Elfenwelt Cate Blanchett als Galadriel wieder auftreten lässt, obwohl es sie im „Hobbit“-Buch nicht gibt), sondern auch in der Gestaltung: Wenn ziemlich zu Beginn des Films 13 Zwerge in der gemütlichen Wohnhöhle von Bilbo Baggins einbrechen und ihn kahl fressen und totquatschen, verwendet Jackson viel, viel mehr Zeit auf die Schilderung dieser total skurrilen (Meisterstücke der Masken- und Kostümbildner) und teils auch unappetitlichen Geschöpfe, als gerechtfertigt scheint… Und die knapp drei Stunden Spielzeit des ersten „Hobbit“-Teils werden dem Zuschauer auch gelegentlich durch Einförmigkeit lang.
Aber man täte dem Film grobes Unrecht, wenn man ihm seinen Reiz abspräche. Der Hobbit Bilbo Baggins ist also der kleine Held der großen Geschichte – Hobbits sind kleinwüchsig, menschenähnlich, kleinbürgerlich und neigen zu beschaulichem, dem Essen und der Kontemplation zugewandtem Leben. Das wird in den „glänzenden“ Leinwandeffekten mit der Betulichkeit eines schönen Bilderbuchs ausgemalt. In der Rahmenhandlung erinnert sich Ian Holm als alter Bilbo an die „unerwartete Reise“, die er mit den Zwergen angetreten hat, und Martin Freeman erlebt sie dann. Er hat ein so nettes, ernsthaftes Gesicht und macht den einfachen Mann so glaubhaft, dass das Geschehen fest auf seinen Schultern ruht. (Dass Elijah Wood als Frodo in der Rahmenhandlung kurz vorbeischaut, obwohl er auch nicht in den Roman gehört, zeugt vom Versuch Peter Jacksons, die „Hobbit“-Besucher so stark wie möglich in die „Herr der Ringe“-Welt einzubinden.)
Bekanntlich wird Bilbo von den Zwergen heimgesucht. Warum sie gerade ihn auffordern, sie bei ihrem Feldzug um die Wiedererringung ihres Königreichs zu begleiten, hat nicht einmal Tolkien einsichtig begründen können, aber es ist nun einmal so – sonst gäbe es das Buch nicht. Als muss sich Bilbo auf die „Reise“ begeben (die ja immer auch eine Reise zu sich selbst und zu seinen eigenen, in sich verborgenen Möglichkeiten ist…) Der Zwergenfürst Thorin ist übrigens in Gestalt von Richard Armitage absolut kein kleines Würstchen, sondern ein echter „Held“. Eine zeitlang ist der Hobbit damit beschäftigt, von den Zwergen, die ihm misstrauen, anerkannt zu werden, aber sehr bald verstrickt sich das etwas bombastische Drehbuch in eine wilde Aufeinanderfolge von Kämpfen.
Man sollte sich besser auskennen mit den Orks, den Elben, dem Getier aller Art (Wargen, sprich Riesenwölfe, Spinnen oder Adler), um immer auf der Höhe der Handlung zu bleiben, aber tatsächlich ist der von Tolkien entworfene Kosmos Mittelerde einerseits zu differenziert, andererseits zu komplex, um von jedermann begriffen zu werden: Da müsste man schon ein Fachmann mit auch besonderem Vokabular sein… Man hält sich besser an die Bilderwelt des Films und freut sich, wenn man dem alten Gandalf wieder begegnet: Er sieht noch immer aus wie Ian McKellen, hat Humor und das Format des großen Magiers. Er wird in verfahrenen Situationen schon eingreifen…
Da kommen also die Trolle, die Bilbo und die Zwerge verspeisen wollen, dann tauchen die Elben auf (Hugo Weaving ist ihr ätherischer Fürst Elrond, und Christopher Lee als Saruman wirkt noch bleicher und abgehobener, von Cate Blanchett ganz zu schweigen), schließlich sorgen die schaurigen Orks für Horrorszenen, und dann landet Bilbo bei einem alten Bekannten der Kinobesucher: Der großäugige und verdammt unheimliche „Ring“-Besitzer Gollum sieht nicht so aus, dass man hinter dieser Kunstgestalt Darsteller Andy Serkis erkennen würde, aber er nervt wie eh je – unter anderem mit Rätselspielchen, mit denen sich der Hobbit sein Leben erkaufen soll (und bei welchen sich Tolkien ganz eindeutig von der Mime-Wanderer-Szene im „Siegfried“ inspirieren ließ).
Der Kinobesucher findet Bilbo und die Zwerge immer wieder in heftige Schlachten und schier unrettbare Situationen verstrickt, aus denen es ja doch ein Entkommen gibt – wenn sie am Ende von den Adlern gerettet werden, ist man zwar noch mitten drin im Roman, aber am Ende des ersten Filmteiles, wo der anfangs so gemütliche Bilbo Baggins allerhand an Mut und Entschlossenheit zulegt hat.
Der zweite Teil kommt nächste Weihnachten, Teil 3 im Sommer 2014, und wie immer werden die Kinobesucher erst glücklich sein, wenn sie sich wieder zu einem Kinomarathon aller Teile zusammen finden werden, die dann so lang sind wie der halbe „Ring“ – der von Wagner nämlich, dem Tolkien so manches verdankt. Auch das sieht man in diesem „Hobbit“-Film von Peter Jackson, den sich die „Herr der Ringe“-Fans natürlich nicht entgehen lassen. Die Längen werden durch gestalterische Qualitäten reichlich aufgehoben.
Renate Wagner