Ab 7. Februar 2014 in den österreichischen Kinos
DALLAS BUYERS CLUB
USA / 2013
Regie: Jean-Marc Vallée
Mit: Matthew McConaughey, Jared Leto, Jennifer Garner u,a,
Wenn man sich erinnert, wie lange das Thema Homosexualität vor allem negativ besetzt war, wie man (der Fall Rock Hudson ist in tragischer Erinnerung) es um jeden Preis zu leugnen suchte, wie man es unter den Teppich kehrte und wie man AIDS vielfach als „gerechte Strafe“ dafür deklarierte, dann begreift man, dass die Problematik heute vielen der Betroffenen unter den Nägeln brennt, kurz, dass die Aufarbeitung ansteht. Und dieser Film leistet dazu einen ganz schönen Beitrag. Wobei es nicht nur vordringlich um die Psychologie derjenigen geht, die an Aids erkrankt waren, sondern um Fakten…
Es ist übrigens eine wahre Geschichte, kinomäßig aufgeputzt, aber doch den Tatsachen entsprechend, und man schätzt sie besonders, weil sie von einem Menschen handelt, der sein Schicksal nicht resigniert angenommen, sondern sich gewehrt hat – und in seinem Fall auch unendlich viel für Leidensgenossen getan hat. Und das nicht als tragisch-tremolierende Heldengeschichte, sondern fast aufgezogen wie ein halbkriminelle Tausendsassa-Story, die Ironie und Grimm mischt: Eine große Leistung von Regisseur Jean-Marc Vallée (dem homophobische Themen nicht fremd sind) und vor allem von dem schaurig abgemagerten Matthew McConaughey in der Rolle des AIDS-kranken Ron Woodroof.
Groteskerweise war dieser, als man ihn 1985 mit der Diagnose konfrontierte, auf irgendwelchen „anderen“ Wegen zur Ansteckung gekommen, denn was er von Homosexuellen hält (die üblichen verächtlichen Macho-Sprüche), ist klar. 30 Tage geben ihm die Ärzte, und der Film zeichnet eine Krankenhauswelt, die nicht bereit ist, sich besonders mit diesem Problem auseinander zu setzen. Damals herrschte ja noch die verbreitete Meinung, die Schwulen hätten nur bekommen, was sie verdient haben, und machte wenige Anstalten, sie nicht daran krepieren zu lassen…
In seiner rechtens „Golden Globe“-gekrönten Leistung zeichnet Matthew McConaughey diesen Ron Woodroof keinesfalls als braven Bürger, sonst wäre seine Geschichte ja auch gar nicht möglich gewesen. Woodroof hat sich in Texas mit vielem beschäftigt, was ihm so unter die Hände kam, Drogen verklickern gehörte dazu, Respekt vor den „Respektspersonen“ sicher nicht. Er begann sich mit dem Problem der Heilung zu befassen und bekam heraus, dass es Medikamente gab, die man in den US-Spitälern verweigerte (angeblich als „noch nicht erprobt“), die er allerdings jenseits der Grenze kaufen konnte.
Im schwungvollen Handel zwischen Mexiko und Texas konnte Woodroof sich nicht nur mit einigen der Präparate selbst helfen (er hatte nach seiner Diagnose nicht nur die von den Ärzten verkündeten 30 Tage, sondern immerhin noch sieben Jahre bis zu seinem Tod 1992), sondern auch anderen. Und dass er im „Dallas Buyers Club“ (einer halb legalen Institution, mit der er sich am Gesetz vorbeischmuggeln wollte) an seinen guten Taten noch gut verdiente – umso besser.
Neben der Glanzleistung von McConaughey, diesem „Jetzt erst recht“ in gewaltigen Stimmungsschwankungen, zeichnet der Film subtil andere Schicksale, die für ganze gesellschaftliche Positionen stehen. Wenn er im Krankenhaus Rayon kennenlernt, dann wird man als naiver Kinobesucher dahinter zuerst tatsächlich eine mitfühlende Frau vermuten, bis Jared Leto (auch ein verdienter „Golden Globe“!) dahinter den zutiefst verletzlichen, schwulen Transsexuellen im letzten AIDS-Stadium offenbart (wobei es dem Regisseur gelingt, auch beim Sterben nicht triefend zu werden – ein Fehler, den manche Filme dieses Themas machen). Immerhin lernt Woodroof, was mittlerweile auch die Gesellschaft gelernt hat – nämlich, dass Vorurteile wegschmelzen, wenn man es mit einzelnen Menschen zu tun hat.
Interessant ist auch die Figur der Ärztin Dr. Eve Saks (gespielt sehr intensiv und Anteil nehmend von Jennifer Garner), von der man im Spital erwartet, auf der Linie der zynischen Chefärzte die ganze AIDS-Problematik (und die daran leidenden Menschen) weitgehend zur Seite zu schieben. Aber sie ist schließlich sogar bereit, ihren Job zu riskieren, um wirklich das zu tun, wozu der hippokratische Eid nicht nur sie, sondern auch ihre Kollegen verpflichtet…
Der Film hat Szenen, die witzig und rotzfrech sind, das „unterhaltende“ Element ist vor allem in den „kriminellen“ Passagen um den Medikamentenschmuggel sehr stark, und dennoch verkauft er seine Problematik nicht eine Sekunde unter ihrem Wert. Schließlich geht es letztendlich um die letzten Dinge…
Renate Wagner