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CD/Blu-ray: BEETHOVEN KLAVIERKONZERTE 1-5 – BERLINER PHILHARMONIKER, MITSUKO UCHIDA, SIR SIMON RATTLE; Berliner Philharmoniker Recordings

15.12.2018 | dvd

CD/Blu-ray: BEETHOVEN KLAVIERKONZERTE 1-5 – BERLINER PHILHARMONIKER, MITSUKO UCHIDA, SIR SIMON RATTLE; Berliner Philharmoniker Recordings

 

Zwei britische Musiker (sie noch dazu mit genuin japanischen und wienerischen Biographieanteilen) und das deutsche Spitzenorchester schlechthin machten sich im Februar 2010 an Beethovens fünf Klavierkonzerte heran. Nun veröffentlicht das Eigenlabel der Berliner Philharmoniker die Mitschnitte multiformatig auf drei CDs, einer Audio Blu-ray sowie einer Blu-ray Disc mit den Konzertvideos. Ein Vorgriff auf Beethovens 250. Geburtstag 2020.

 

Viel vom Berliner akustischen Erbe Sir Simon Rattles liegt schon wohlbehütet im luxuriös philharmonischen Tonträger-Safe. Auch mit dieser in jeder Hinsicht detailverliebten Publikation erweist sich im Erinnerungshören, dass mit der Wahl des wuschelköpfigen, respektvollen Teamplayers Rattle in Berlin nicht viel falsch gemacht worden ist. Vielleicht ist Beethoven als heroischer Teutone im welterlösenden Wiener Salondunst nicht gerade der Komponist, zu dem Rattle den besten und direktesten Draht hat – (auch Thielemann plagte sich mit den Symphonien). Hingegen lässt sich über die traumwandlerische Zusammenarbeit mit der eleganten Klavierlegende Mitsuko Uchida nur Gutes berichten. Das und der hohe Eigenanteil des Orchesters an dieser gemeinschaftlichen musikalischen Betrachtung des sternenklar klingenden Universums vom nächtlichen Wiener Nussberg aus mit dezentem Kräftespiel und dennoch schicksalsergebener Harmonie sorgen für ein Aha-Erlebnis der Beethoven-Rezeption. Ich ziehe diese „neue“ Aufnahme der ersten Einspielung aller Klavierkonzerte Beethovens mit Sir Simon und den Wiener Philharmonikern samt dem steifen Brendel bei weitem vor.

 

Das wohl luxuriöseste Symphonieorchester des Landes weiß exemplarisch die höchsten künstlerischen Gipfel exquisiter Orchesterkultur zu erklimmen. Das gilt für das von Plan und Instinkt getragene, perfekt austarierte Miteinander der Orchestergruppen, den streng durchsichtigen, durch Klarheit mehr als Zärtlichkeit tröstenden Sphärenklang sowie das Erstreiten von Sinn und Hintersinn gemeinsam mit der Solistin auf stählernen Flügeln.


Foto: Monika Rittershaus

 

Der in seinem Werk wild ausbüchsende Klavierlöwe Beethoven wird von der zarten Mitsuko Uchida zwar domestiziert, dafür erlaubt sie sich, sein galaktisch sich sträubendes Fell mit wachsamen Augen sanft überlegen gegen den Strich zu bürsten. Wenn Intervention und Überschreitung des Solisten, der willentliche Eingriff des Subjekts ins Räderwerk der Musik die zentralen ästhetischen Konzert-Prinzipien Beethovens darstellen, so wandelt Uchida ihre ganz persönliche Gratwanderung zwischen Tragik und Optimismus, Kraft und Spiritualität zu einem bewegenden persönlichen Bekenntnis. Daran lässt sie ihr Publikum generös teilhaben.

 

Sir Simon Rattle stellt mit der ihm in 30 Konzerten vertraut gewordenen Partnerin ein Herz und eine Seele dar. Er lässt ihr den Vortritt und gewinnt dadurch. Es gibt sicher prometheischere Interpretationen, härtere oder softere. Rattle/Uchida zelebrieren das diskursive Hochamt bewusst zugleich als Fragment und Versuch, Möglichkeit und Spiel, Deutung und Prophetie. Und lassen keinen Zweifel daran, dass eine stimmige zwischenmenschliche Harmonie und aufrichtiger künstlerischer Mut auch in der Musik den Faust‘schen himmeljauchzenden Verweil-Zauber des Augenblicks begründen. Mehr ist nicht zu verlangen, es muss auch nicht allen recht sein.

 

Dr. Ingobert Waltenberger

 

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