Ab 15. November 2013 in den österreichischen Kinos
CAPTAIN PHILLIPS
USA / 2013
Regie: Paul Greengrass
Mit: Tom Hanks u.a.
Immer wieder heißt es, wohl nicht zu Unrecht, dass das Leben die tollsten Geschichten schreibt. Captain Richard Phillips beneidet man um die seine nicht. Er war 2009 Kapitän jenes amerikanischen Container-Schiffs „MV Maersk Alabama“, das im Indischen Ozean von somalischen Piraten gekidnappt wurde. Wie jeder, der etwas Ungewöhnliches erlebt hat, wurde er genötigt, seine Erinnerungen daran niederzuschreiben, was 2010 am Buchmarkt erschien. Und nun kann sich der unerschrockene Captain Phillips, der ein paar Monate nach seinen wirklich grauenvollen Erlebnissen schon wieder zur See fuhr (wie der Nachspann des Films verrät), in Gestalt von Tom Hanks auf der Leinwand sehen. Ehrenwert verkörpert.
Es fängt, wie immer, wenn es nachher extrem grausam und graulich wird, so normal an: Der Kapitän unterhält sich mit seiner Frau über die Kinder und deren Zukunftschancen, während sie ihn zum Flughafen fährt. Er fliegt nach Oman, um das schwer geladene Frachtschaff vom Golf von Aden nach Mombasa zu bringen – nicht nur Handelsgüter, sondern auch Medikamente und Hilfe für afrikanische Notleidende. Seinen Job erfüllt der Captain ruhig und kompetent.
Parallel sind Szenen an der Küste von Somalia geschnitten – ein Dreckhaufen elender, herumschreiender Menschen, unter denen sich die Männer darum raufen, für einen Piratenüberfall ausgewählt zu werden, den sie für irgendwelche Warlords durchführen. Später werden sie wehleidig behaupten, dass die großen Schiffe ihnen alle Fischfanggründe zerstört haben und es gar keine andere Möglichkeit für sie gibt, als durch Überfälle Millionen von Dollar zu erpressen…
Der Rest des Films spielt auf dem Schiff: Die Piraten nähern sich auf so klapprigen Booten, dass man sich fragt, wie sie eine so riesige Blechwelt überhaupt entern können, aber tatsächlich ist es gelungen. Obwohl letztlich nur noch zu viert, schießen sie sich den Weg frei. Und zusammen mit Captain Phillips, den Tom Hanks gar nicht heldenhaft, sondern wie ein ganz normaler Mensch spielt, der versucht seinen klaren Kopf und seine Haltung zu bewahren, ist man als Kinobesucher schier unausgesetzt dem hysterischen Gebrülle und hektischen Herumgeballere der wie wahnsinnig agierenden Piraten ausgesetzt.
Nun verlangt ja niemand, dass Bruce Willis oder zumindest Steven Seagal auftaucht, um die Gangster Mores zu lehren, denn das wäre dann der übliche unterhaltsame Film, in dem der überlegende Actionheld die Verbrecher austrickst. In der Realität gelang es Captain Phillips, die vier Somalier mit den 30.000 Dollar aus dem Safe in das Rettungsboot zu verfrachten, nachdem es unwesentlich „spannende“ Szenen rund um die eingesperrte und sich teilweise duckende, teilweise wehrende Mannschaft gegeben hat. Die Verbrecher waren jedenfalls schlau genug, Phillips als Geisel zu nehmen, und im Rettungsboot wird der optische Aktionsradius des Filmes, den Paul Greengrass ziemlich schonungslos auf die Leinwand geklatscht hat, noch geringer.
Den vier Piraten, die nur geringfügig differenziert werden (Barkhad Abdi als ihr Anführer ist besonders erschreckend), geht es um Millionen Dollar Lösegeld, und offenbar sind sie dumm genug gewesen zu glauben, sie könnten gegen die anrückende amerikanische Marine und die Navy Seals wirklich etwas ausrichten: Dass die Unterhändler alles Mögliche versprechen und nichts halten, wäre eigentlich auch nicht so schwer zu erraten gewesen. Drei der vier wurden erschossen, einer sitzt für 33 Jahre in einem US-Gefängnis, Phillips wurde gerettet…
… und, um ehrlich zu sein, ganz begreift man das nicht. Die Piratenfrage ist seit Jahren virulent. Viel ökonomischer, als dann die gewaltigen amerikanischen Flottenkräfte zu bemühen, wäre es doch eigentlich, jedem Schiff (auch den Kreuzfahrschiffen) eine Handvoll schwer bewaffneter und kompetenter „Leibwächter“ mitzugeben. Dann können ein paar wild gewordene Piraten, die als einzige bewaffnet sind, nicht ganze Schiffe in Haft nehmen (wobei ja auch schon Millionen bezahlt wurden). Auf diese Lösung sollte doch eigentlich schon jemand gekommen sein?
Fazit: Die Geschichte des Captain Phillips mag wahr sein, dramatisch und tragisch gewesen sein. Im Kino verkauft man Schrecken am besten, wenn man ihn ein bisschen unterhaltsam aufputzt. Die ewig brüllenden, wütenden, tobenden, herumballernden Piraten sind keine gute Gesellschaft für mehr als zwei Kinostunden. Man will schon als „Ersatz“ für das fade Leben etwas „erleben“ im Kino: Aber das doch eher nicht…
Renate Wagner