Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

BUCH: „DIE HOCHKULTUR RUSSLANDS“ von Manuela Miebach ist derzeit im Entstehen.

04.03.2023 | Reflexionen-Festspiele

BUCH: „DIE HOCHKULTUR RUSSLANDS“ von Manuela Miebach ist derzeit im Entstehen.

Wir veröffentlichen einen Auszug daraus

fri

Musik ist nicht nur ein Zusammenwirken von Tönenund Literatur nicht nur ein Sammelsurium leerer Worte, sondern darüber hinaus ein Verständigungsmittel zwischen den Völkern aller Kulturen. So wie zwischen Dur und Moll es keine Grenzen gibt, so sollte auch das Wort der Vernunft und der Freiheit dienen.
Manuela Miebach

Vorwort
Sollen wegen des Ukrainekriegs 2022 kulturelle Kontakte zu Russlandauf Eis gelegt werden? Nicht nur Kitsch, auch ernsthafte Kunst aus Russland wird nun kritisch beäugt, Engagements russischer Künstler vielfach beendet- ob in allen Fällen richtig gehandelt wird, ist umstritten.
Ist dieser Boykott gegen die russische Kultur überhaupt gerechtfertig?

Ein klares Nein! Anfeindungen und Provokation gegen russische Kultur und Künstler sorgen für Empörung, als die Presse verlauten ließ, dass das Tschechische Nationaltheater in Prag verkündete, es habe wegen derrussischen Invasion in der Ukraine ein Werk des russischen Komponisten Pjotr Iljitsch Tschaikowsky aus seinem Programm gestrichenund zwar die Oper „Pantöffelchen“ wie das Nachrichtenportal SeznamZpravy berichtete. Es handle sich hier keineswegs um einen Boykottrussischer Kultur, laut Aussage des Theaters – allerdings wolle manwegen des historischen Kontextes „Eine Erzählung über das großerussische Reich nicht unterstützen“. Ein weiteres Beispiel: Das CardiffPhilharmonic Orchestra entschied, im Rahmen eines Konzerts das Stück des russischen Komponisten die Ouvertüre 1812 aus dem Programm zu streichen. Tschaikowsky also unpassend? Bei näherer Betrachtung versucht man hier nur umsichtig zu sein und sich in Solidarität mit der Ukraine zuzeigen. Also verteufelt man hier in diesem Zusammenhang alles das was russischen Ursprungs ist. Vom Wodka, Kaviar, Borschtsch bis hin zur russischen Musik und Literatur. Die Erregungskurve hochschellen ließ hingegen auch die Forderung des ukrainischen Pen-Clubs,russische Literatur zu boykottieren. Ernstzunehmende Stimmen im Westen, die solche Pauschalboykotte fordern, gibt es ohnehin nicht, derdeutsche Pen-Club-Präsident Deniz Yücel rückte es mit der Formel „DerFeind heißt Putin, nicht Puschkin“ zurecht.

Zwei Ikonen der klassischen Musik, die als Hochkultur gern autokratisch missbraucht wird, stehen bisher im Fokus der Boykott – Debatte. Anna Netrebko hatte sich nur halbherzig distanziert, gilt als Putin -nahund posierte in der Vergangenheit mit der Flagge prorussischer Separatisten. Sie sagte von sich aus alle Auftritte ab bzw. bekam sie von westlichen Veranstaltern Auftrittsverbot. Der Dirigent Valery Gergiev, einenger Vertrauter Putins, zog es vor ganz zu schweigen, sich nicht einmalintern zu äußern, weswegen er seine Engagements in Hamburg,München und Mailand angeblich zu Recht verlor. Aber warum müssen sich hier Künstler rechtfertigen die im Grunde genommen mit demKrieg selbst nichts am Hut haben? Der richtige Ton macht die Musik!
Doch offenbar versucht man hier Kunst und Politik in einem Topf zu werfen. Salzburgs Festspielintendant Markus Hinterhäuser verwehrte sich zuletzt gegen „Anti- Putin-Tests“ für Künstler oder Förderer russischer Herkunft. Zeitgleich bezieht man Stellung: Man sehe „keine Grundlage für eine künstlerische und wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Institutionen oder Einzelpersonen, die sich mit diesem Krieg, dessen Betreibern und deren Zielen identifizieren. Kolportiert wird auch im Bereich des Sprechtheaters wo man nun versucht ist Stücke von Gorki und Anton Pawlowitsch Tschechow eventuell vom Spielplan zunehmen.
Derzeit ist es noch im Gespräch. Betroffen vom Ausladen sind vor allem staatsnahe (eher staatsfeindliche) Institutionen, allen voran das BolschoiTheater und seine Ballettkompanie, deren Gastspieleinladungen für den Sommer 2022 seitens London und Madrid einfach storniert wurden.
Der Chefdirigent des Bolschoi, Tugan Sochijew, und seine Kollegen Vasily Petrenko und Thomas Sanderling hingegen, verurteilten den Krieg deutlich, und gaben freiwillig, so zumindest nach Aussage derwestlichen Presse, ihre russischen Engagements inzwischen auf und legten ihr dortiges Dirigat nieder. Kontroversen findet man auch in derFilmbranche, wo seit der Invasion Russlands, sich in der Ukraine die Boykottaufrufe gegen russische Filme und Künstler immer mehr häufen.
Kultur könne nicht von der Politik getrennt werden, heißt es in einem offenen Brief, der einen internationalen Boykott verlangt. Es stellt sich jedoch am End die Frage: Was bedeutet wirklich Kunst – absolute Freiheit? – oder Manipulation und Propaganda von außen, die zu einemgefährlichen Spiel werden kann, wenn hier eine seit Jahrhunderten bestehende Kultur, egal ob russisch oder anderer Nationen, für ewig verbannt und aus den Geschichtsbüchern gestrichen werden soll? Zudem betreibt man in der Ukraine derzeit eine „Entrussifizierung“ die beinahe schon unerträglich geworden ist. Indem man Straßenschilder die an
großartige russische Künstler erinnern wie Tolstoi, Puschkin und viele
 Literaten und Komponisten einfach umbenennt. Ein weiteres Beispiel dass als Akt der Barbarei zu bezeichnen ist, war der Sturz und die Entfernung der Maxim Gorki Statue in Dnipro. Am 26.Dezember 2022 wurde sie abgebaut und verschwand auf dem Gelände eines städtischen Unternehmens. Und ausgerechnet Gorki der sich primär immer für die Menschenrechte eingesetzt hat.
Eine Sippenhaftung in Bezug westlicher Sanktionen, so wie während der NS-Zeit, hier aufzublühen scheint, gehört aufs Schärfte verurteilt. Russische Musiker, Sänger, Tänzer, Autoren und Filmemacher dürfen nicht zu Opfer von Willkür und einer vernunftlosen Politik werden. Es dürfen nicht die Wut und der Affekt die Oberhand bekommen.
Putins Niveau sollte durchaus nicht das unsere sein – aber wir können Russland nicht auf Dauer von Europa isolieren – und uns von russischer Kultur schon gar nicht abwenden.
Denn dass der inzwischen eingeschlagene Weg nicht ans Ziel führt, sondern ebenfalls in den Untergang, egal im Politischen aber auch im
Kulturellen, darüber sollten wir uns endlich im Klaren sein.
Tschaikowsky, ein Weltenbummler, ein Freund der europäischen westlichen Kultur, ein kosmopolitischer Denker, darf nicht einfach ignoriert, für ewig verdammt und vom Spielplan genommen werden. Wo sich die weitere Frage stellt: Warum wurde Michail Iwanowitsch Glinka, der die Tonkunst Russlands geprägt, er der „Vater der russischen Musik“ von der westlichen Kultur oft ignoriert, indem man seine Werke nur selten aufgeführt hat? Nach Glinkas Tod folgten viele hochbegabte russische Komponisten, Tschaikowsky, Borodin, Mussorgski, Rimski-Korsakow, Dimitri Schostakowitsch, Strawinsky, Rachmaninow und Prokofjew.
All diese Komponisten haben Werke geschaffen die von unvergleichbarer musikalischer Schönheit und sich einen Platz im internationalen Musiktempel geschaffen haben. Will man all diese Komponisten jetzt aus der Musikgeschichte verbannen? Ist der geistige, musikalische Horizont einiger westlicher Kulturschaffender derart beschränkt, woeinem außer Mozart, Beethoven und Wagner nichts mehr einfällt? Wenn wir russische Kultur verbannen, so vernichten wir unsere eigene Kultur!
Denn viele hochbegabte russische Komponisten erlangten Ruhm und Ehre auch im europäischen Raum und wurden neben französischen, italienischen und deutschen Repertoire immer wieder gespielt.
Nicht zu vergessen die gesamte russische Literatur mit der ich, obwohl im Westberlin gelebt und dort aufgewachsen bin. Will man sie jetzt ebenso verdammen und Aufführungen von Gogol, Gorki, Tschechow und von Alexander N.Ostrowski verbieten? Wird man jetzt das GorkiTheater einst unter DDR- Regime, jetzt im Westen, namentlich umbenennen, da man mit Russland inzwischen derart verfeindet ist, wo russische Kultur zu einem Opfer von Willkür und des Unverstands
geworden ist?
Haben wir wirklich nichts aus der Geschichte gelernt – wo das Verhalten gegenüber russischer Kunst und Künstlern doch eher ein Armutszeugnis, weil politische Interessen in den Vordergrund gerückt wurden.
Was außerdem Angst, auch ebenso Sorge bereitet weil dadurch unsere Gesellschaft immer mehr gespaltet wird!
Mein Aufschrei lautet Tschaikowsky jetzt erst recht! Krieg darf sich nie mit Kultur vermischen – wir müssen zwischen Krieg und Kultur zu unterscheiden wissen. Die Kunst braucht Freiheit – aber keinen Krieg!
Darum ist dieses Buch russischen Künstlern und all jenen gewidmet die die russische Kultur lieben und keine Vorurteile gegenüber einem Volk
haben, dass selbst zu Opfern eines Regimes, aber einen Krieg nie gewollt hat. Ein Volk das unschuldig im Bezug des derzeitigen Russlands – Ukraine-Kriegs, kollektiv gebrandmarkt, verurteilt, und zur Verantwortung gezogen wird.
Die seit Jahrhundert bestehende Kultur Russlands darf nicht zerstört werden – und dagegen müssen wir uns wehren! Musik und Dichtung ist die Sprache aller Völker – sie darf nicht durch Feindschaften zerstört werden!

Ich will der Welt die Freiheit singen –
Das Laster treffen auf dem Thron.
Das Auge bebt vor der Bedrängnis –
und Noth des Volks entsetzt zurück.
Die Tugend schmachtet im GefängnisDas Laster schwelgt in Macht und Glück,
hier Vorurteil und Unverstand,
dort ganzer Völker Schmach und Schändung…

Alexander Puschkin (1799-1837 in der „Ode an die Freiheit“ russ. Wolnost, 1818)

An Alexander Puschkin erinnert in Kiew keine einzige Tafel mehr!

 

 

Diese Seite drucken