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Blu-ray/DVD: GIACOMO PUCCINI: IL TRITTICO – Asmik Grigorian beweist als Lauretta, Giorgetta und Suor Angelica ihre stupende darstellerische wie stimmliche Wandlungsfähigkeit; Unitel Edition

31.07.2023 | dvd

Blu-ray/DVD: GIACOMO PUCCINI: IL TRITTICO – Asmik Grigorian beweist als Lauretta, Giorgetta und Suor Angelica ihre stupende darstellerische wie stimmliche Wandlungsfähigkeit; Unitel Edition

Live-Mitschnitt von den Salzburger Festspielen 2022

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Solo für Asmik Grigorian. Seit ihrer Jenufa an der Staatsoper Unter den Linden weiß ich das einzigartige Künstlertum von Asmik Grigorian zu schätzen. Diese stets perfekt vorbereitete Sängerin geht mit allem, was auch immer und wie sie es anpackt, unter die Haut. Gleichgültig lässt sie wohl niemanden. Die aus Litauen stammende Opernsängerin versteht es – wie einst etwa Inge Borkh – Stimme und Rolle zu einem höheren Ganzen zu verschmelzen. Intellektualität, Individualität, vokale Gestaltung und Theaterinstinkt gehen bei ihr Hand in Hand. Die vollkommene Identifikation der Sängerin mit einer Figur macht die Faszination des Bühnenerlebnisses aus. Asmik Grigorian ist gerade in der Betonung der komplexen Vielschichtigkeit der verkörperten Frauenschicksale, d.h. ihrer Stärken und Fragilität gleichermaßen eine schillernde Charismatikern, eine jeglicher Oberflächlichkeit abholde Anti-Diva. Daher wundert mich jetzt ein wenig die Diskussion über die müßige Frage, ob Grigorian genauso eine genuine und hochkarätige Salzburger Entdeckung ist wie es einst Netrebko war. Die beiden Sängerinnen sind vom Typ her so unterschiedlich wie Sonne und Mond. Stimmlicher Prunk versus ganzheitliches musiktheatralisches Künstlertum der Sonderklasse. Genießen wir doch beides.

Als Lauretta (der komische Einakter nach einer Geschichte aus dem Inferno von Dante Alighieri „Gianni Schicchi“ steht in dieser Produktion eigenartigerweise an erster Stelle) in der mehrheitlich sterilen, von der Personenführung her nicht unwitzigen, aber kaum über die üblichen Stereotypen hinausgehenden Regie von Christof Loy und in dem jegliche Intimität erschwerenden, viel zu weitläufig kahlen Bühnenraum von Étienne Pluss vermag Asmik Grigorian ein zartes Wesen auf die Bühne zu hieven, das in ihrer großen Verliebtheit glaubhaft zu berühren und dies stimmlich zu vermitteln vermag. „O mio babbino caro“ singt sie wunderbar lyrisch im Ausdruck, irgendwo in der Mitte zwischen Trotzigkeit und selbstbewusster töchterlicher Bitte angesiedelt.

Natürlich steht im Zentrum der Aufführung der gar köstlich schauspielernde Misha Kiria als Gianni Schicchi. Der sprachlich-stilistisch pauschal agierende Bassbariton ist als Bühnenfigur in jeder Hinsicht eine Wucht. Ohne zu karikieren, ist „sein“ Gianni Schicchi ein brutal-pfiffiger Halunke, der über die elende Giersippschaft am Ende moralisch und materiell triumphiert. Weil er in dieser Erbschleicherfarce den Großteil des Vermögens des selig verstorbenen Buoso Donati sich selbst zuspricht, stellt er sowas wie Gerechtigkeit wieder her. Denn wenn man der Kirche zu viel vermacht, könnte die ja vermuten, das Geld sei gestohlen. Wer will denn sowas?

Leider fügen sich die einzelnen Mitglieder der Familie nicht zu einem geschlossenen musikalischen Ensemble, wie dies etwa in der Komischen Oper Berlin in solchen Stücken so beispielhaft der Fall ist. Sicherlich gibt es in dem Vielpersonenstück auch in Salzburg einige, die durchaus Profil zeigen und als Typen hervorragen, wie etwa Enkelejda Shkosa als raumgreifende Zita, Alexey Neklyudov als Rinuccio (leider ohne Schmelz, Höhe und jugendliche Emphase) oder Mikolaj Trabka als Notar Ser Amantio di Nicolao. Auch Iurii Samoilov als Marco und Caterina Piva als optischer Cecilia Bartoli-Verschnitt gehören zum Plus der Aufführung. Auf der Sollseite stehen ein völlig stimmloser Arzt (Matteo Peirone) und ein fürchterlich tremolierender Simone (Scott Wilde).

Ob man all die Gags samt melodramatischem Händeringen und exzessiver Mimik der Erbschleicher goutiert, ist Geschmackssache. Mir erschienen das leichenschmausende Spaghettimampfen zu Beginn, wo der gesamte Clan aufgefädelt in einer Reihe an der Wand sitzt wie die Hühner auf der Stange, das Fladern des Silbers oder die erotischen Anzüglichkeiten von Zita, Nella und La Ciesca beim Umziehen von Gianni Schicchi eher als banale denn originelle komödiantische Zuwaagen. Unfreiwillig komisch klingt idZ der Satz „Spogliato, bambolino, ché ti mettiamo in letto“. Als „kleinen Schlingel, den man ins Bett steckt“ kann man den Gianni Schicchi des Misha Kiria beim besten Willen nicht sehen…

Dirigent Franz Welser-Möst, wahrscheinlich um die Fortschrittlichkeit der Partitur zu betonen, verlangt den sicherlich luxuriös klingenden Wiener Philharmonikern in „Gianni Schicchi“ instrumental einen detailgenauen, aber trockenen Stravinsky-Sound ab. Italianitá und spritziges Komödientempo bleiben außen vor. Spielfreude und Übermut weichen kalkulierter orchestraler Transparenz. Ich habe mich bei dieser Oper insgesamt schon besser amüsiert

Spätestens bei „Il Tabarro“ mit derselben Sopranistin, die auch Lauretta und Suor Angelica singt, als Giorgetta, stellt sich die Frage, ob eine Sopranistin alleine alle drei Rollen vokal erfüllen kann. Renata Scotto etwa konnte es, auch um den Preis, dass eine geniale Primadonna im (Hoch)Dramatischen vor allem sich selbst feierte. Ich bin kein Freund davon, dass in Puccinis „Il Trittico“ die drei weiblichen Hauptrollen mit einer Sängerin besetzt werden, weil die stimmlichen Anforderungen dieser Partien doch allzu sehr voneinander abweichen.

Aber wenn schon, dann müssen die drei verschiedenen Frauentypen klar konturiert sein, auch wenn vielleicht rein stimmlich nicht alle drei Interpretationen auf demselben Level befriedigen können. Asmik Grigorian ist so ein Fall. Sie liefert als männerbetörende Giorgetta ein erschütterndes Porträt einer vor Sehnsucht nach ihrer Heimat, dem Pariser Belleville, wo Lichter und verlockende Dinge in den Geschäften glänzen, erstickenden Frau. Der Arbeiter Luigi, mit dem sie ein Verhältnis beginnt, dient ihr als Projektionsfläche ihres unstillbaren Verlangens nach einem festen Boden unter den Füßen. Den hat sie verloren, als ihr gemeinsames Kind mit Michelle gestorben ist. Roman Burdenko gibt diesen verzweifelten Teufel Michele, der nicht akzeptieren will noch kann, dass ihn seine Frau nicht mehr liebt und mit einem anderen betrügt, mit seinem vielfarbigen, ausdrucksstarken Bariton. Von Eifersucht getrieben, erwürgt er Luigi und versteckt ihn unter dem Mantel, der einst Frau und Kind beschützte. Joshua Guerrero spielt die Liebhaber-Rolle eines armen Wichts mit der richtigen existenziellen Wut. Rein stimmlich kann er weder mit der kalt-glühenden Intensität von Grigorian noch als Gegenspieler des stimmmächtigen Burdenko mithalten. Die übrige Besetzung mit Dean Power als Un venditore di canzonette, Martina Russomanno als Un‘ Amante, einer für die Rolle der Frugola sehr reifen Enkeleljda Shkosa, Scott Wilde als Il Talpa und Andrea Giovannini als Il Tinca ist rollentauglich. Festspielherzklopfen will hier aber nicht aufkommen. Christof Loy und Franz Welser-Möst schaffen für „Il Tabarro“ einen starken schicksalshaften Sog, das Drama findet szenisch und im Orchestergraben seine packende Resonanz. Allerdings sind auf dem Video viele Close-Ups mit starken emotionalen Bindungen der Protagonisten zum Publikum und nur weniger Bilder, die den gesamten Bühnenraum zeigen (der sich zwischen einer eisernen Feuerleiter und einer Péniche mit einem Teppich in der Mitte als eine Art Kampfarena erstreckt) zu sehen. Michael Beyer als Videodirektor hat hier ganze Arbeit geleistet. Suspense pur. Wie das auf der Bühne von weiter hinten gewirkt haben mag, davon bekommt der Zuseher keine Ahnung.

Nach dem Krimi um eine kaputte Ehe, Fremdgehen, Eifersucht und Mord sollte es „Suor Angelica“ eigentlich schwer haben. Zwar hat auch hier die Titelheldin die unerträgliche Last eines toten Kindes zu tragen, kann jedoch im Anblick einer gnadenreichen Mutter Gottes und in Erwartung der Vereinigung mit ihrem Kind im Jenseits getröstet sterben. Die Oper hat vierzehn weibliche Gesangsrollen, neben Asmik Grigorian als Suor Angelica tragen vor allem Karita Mattila als Zia Principessa und Giulietta Semenzato als Suor Genovieffa das Stück. Regie und Bühnenbild (karger Klostersaal) zeigen sich klassisch.

Es ist die Stunde der modernen Sängerdarstellerin Asmik Grigorian. Das Schicksal einer aus Standesgründen von der Familie ins Kloster verbannten Mutter mit unehelichem Sohn (Jonathan Ehrenreich ganz am Ende mit einem stummen Auftritt), der an einer nicht näher bezeichneten Krankheit stirbt und Angelica zum Selbstmord treibt, rührt, ob man will oder nicht, zu Tränen. Zumal Asmik Grigorian – ohne sich zu schonen – alles gibt. In der gruseligen Begegnung mit ihrer eisigen Fürstinnentante (Karita Mattila als blondperückte, furchterregende Flickenschildt-Kopie mit wenig Tiefe), schreit diese Suor Angelica alle Ungerechtigkeit auf Erden heraus und geißelt mit ihrer finalen Befreiung von Habit, Skapulier und Haube auch das einfache menschliche Unverständnis einer kalt regelhörigen Umgebung. Ihr großer Monolog „Senza mamma, o bimbo, tu sei morto“ gerät zum emotionalen und sängerischen Höhepunkt des ganzen Abends. Mit schönem lyrischem Sopran und mädchenhafter Innigkeit vermag daneben auch Giulia Semenzanto als sonniges Gemüt der Suor Genovieffa besonders für sich einzunehmen. Die Wiener Philharmoniker unter der Leitung von Franz Welser-Möst entzücken in der Schlussapotheose mit seidigem Streicherklang.

Dr. Ingobert Waltenberger

 

 

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