Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

Blu-ray/DVD: CHARLES GOUNOD „FAUST“ – Live Royal Opera House Covent Garden April 2019; Opus Arte

Sensationell: Erwin Schrott als höllisch scharfer Mephisto!

15.04.2021 | dvd

Blu-ray/DVD: CHARLES GOUNOD „FAUST“ – Live Royal Opera House Covent Garden April 2019; Opus Arte

 

Sensationell: Erwin Schrott als höllisch scharfer Mephisto!

0809478072850

 

Die atmosphärisch dichte und optisch einfallsreiche, auf jeden Fall werkgerechte, im Paris von 1870 (Zweites Kaiserreich) angesiedelte Produktion von Sir David McVicar (Bühnenbild Bruno Ravella, Kostüme Charles Edwards) aus dem Jahr 2004 erlebte alleine in London schon fünf Wiederaufnahmen. Die glorreiche Inszenierung ist auch schon aus Videoproduktionen bekannt. 2010 waren Angela Gheorghiu, Roberto Alagna, Bryn Terfel, Simon Keenlyside und Sophie Koch die Stars einer von Antonio Pappano dirigierten, und auf Film gebannten Vorstellung. Weil die Szene bekannt ist, will ich mich auf die musikalisch-dramatischen Leistungen konzentrieren.

 

Diesbezüglich darf das Remake von 2019 als kaum weniger spannend als die Aufzeichnung aus 2010 gelten, diesmal mit Michael Fabiano (Faust), Erwin Schrott (Mephistopheles), Irina Lungu (Marguerite), Marta Fontanals-Simmons (Siebel) und Stéphane Degout (Valentin) in den Hauptrollen.

 

Vor allem erleben wir einen stimmlich wie darstellerisch brillanten Erwin Schrott in seiner aktuellen Glanzpartie. Als ein in die Jahre gekommener, nach wie vor charismatischer Bruder des Don Giovanni mit ordentlich Schwefelgeruch am Pürzel, abgebrüht und lässig gelangweilt, dominiert er Bühne und Ensemble. Ein sexy zynischer Diabolo, verführerisch und abgefeimt, wirkt dieser Mephisto in vielerlei Gestalt. Als Stierkämpfer und Partylöwe, als eleganter Snob und vom Podest gestiegene Statue, am Ende als diamantengekrönter Transvestit im schwarzen Glitterfummel. Im „Rondo vom goldenen Kalb“ darf Schrott die Massen aufpeitschen und auf sein Spiel einschwören. Mit Nonchalance schlüpft er in diese Rolle eines weltgewandten Ganoven und mafiosen Strippenziehers. Knapp an die Persiflage spinnt Schrott stets mit einem dämonisch spöttischen Lächeln auf den Lippen seine erfindungsreich teuflische Intrige. Der blasphemische Dämon lässt mit seinem Treiben sogar den Holzchristus vom Kreuz stürzen. Ein weißhaariger Choreograph des Unglücks, ein „Komtur“ mit eisiger Miene und mächtiger Pranke, der sich wie ein sibirischer Tiger auf sein wehrloses Opfer Marguerite stürzt, sie verflucht und zur Hölle schickt. Schrott als Mephistopheles ist ein potenter Fiesling, der alle sprichwörtlich aufs Kreuz legt. Mit seinem Cabaret L’Enfer weiß er, dass er die Menschen mit all ihren sexuellen Fantasien und Träumen am raschesten an der Angel hat. Eine immense Leistung des urugayischen Bassbaritons, die in der Operngeschichte ihresgleichen sucht. 

 

Das Opfer, mit dem Mephistopheles einen Pakt schließt, heißt Faust. Die Figur stammt zwar von Goethe, hat aber in der Version von Jules Barbier und Michel Carré nicht allzu viel mit dem Original zu tun. Auf jeden Fall ist der amerikanische Tenor Michael Fabiano ein exzellenter Rollenvertreter. Gealtert und lüstern dürstet der Doktor nach der unschuldigen Marguerite und legt sie nach entsprechender Verjüngung und Juwelengeschenken auch flach. Mit bestens fokussiertem hellem lyrischen Tenor singt Fabiano die schwierige von der Tessitura her unangenehm hohe Partei bravourös. Stilistisch ist Fabiano in diesem Fach exzellent aufgehoben, weiß er doch auch die voix mixte gezielt und gekonnt einzusetzen. Mimisch und schauspielerisch könnte er sich was von seinem infernalischen Bühnenpartner abschauen. 

 

Als Marguerites Bruder Valentin ist der Stéphan Degout aufgeboten. Als einziger Franzose der Besetzung besitzt der Bariton das ideale, ein wenig tenorale Timbre für das Fach. In seiner großen Arie im zweiten Akt „Avant de quitter ces lieux“ plagt er sich allerdings mit den Spitzentönen.

 

Leider ist die Russin Irina Lungu, für Diana Damrau eingesprungen, alles andere als eine Idealbesetzung für die Marguerite. Ohne jede mädchenhafte Leichtigkeit gibt ihr vibratoreicher Sopran in der Mittellage nur Stumpfes von sich. Nicht einmal in der Juwelenarie will diamantenes Feuer zünden. Sie hält sich tapfer an die Partitur, das war’s.

 

Auch Carole Wilson als Marthe Schwertlein hinterlässt kaum Eindruck. Selbst in der berühmten Szene mit Mephisto bleibt sie blass und konturlos. Profilierter geht da schon die britisch spanische Mezzosopranistin Marta Fontanals-Simmons als Siebel ans Werk. Als zweiter Südamerikaner ist Germán E- Alcantara in der Rolle des Wagner zu erleben. 

 

Blondschopf Dan Ettinger dirigiert das Orchester und den Chor des Royal Opera House Covent Garden, die ihr gewohnt hohes Niveau auch diesmal halten. Er lässt die schillernde Partitur in allem romantischen Furor aufblühen und weiß auch die glühende Dramatik im vierten (Ballett Walpurgisnacht!) und fünften Akt anzuheizen. 

 

Fazit: Vor allem wegen Schrott und Fabiano ein Riesenopernvergnügen!

 

Dr. Ingobert Waltenberger

 

Diese Seite drucken