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Blu-ray Disc: ERICH WOLFGANG KORNGOLD: VIOLANTA- Live Mitschnitt aus dem Teatro Regio Torino vom Jänner 2020; Dynamic

21.06.2020 | dvd

Blu-ray Disc: ERICH WOLFGANG KORNGOLD: VIOLANTA- Live Mitschnitt aus dem Teatro Regio Torino vom Jänner 2020; Dynamic

Es handelt sich um nichts weniger als die italienische Erstaufführung des frühen Korngold-Einakters, die Altmeister Pinchas Steinberg noch vor dem Corona-Lockdown in Turin dirigierte. Die 1916 im Münchner Hoftheater aus der Taufe gehobene Oper rund um die unheimliche, dunkel exzentrische „Violanta“ ist aber auch in unseren Breiten kein Bühnenreisser. Dabei hat das blutrünstige Renaissancedrama um eine venezianische Schöne, die den Tod des Verführers ihrer Schwester plant, um sich dann selbst bis zur totalen Selbstaufgabe in ihn zu verlieben, schon Karl Böhm fasziniert, der die Oper 1928 in Darmstadt aufführte. 

Viel von der kompositorischen Qualität, die den Erfolg der inzwischen überall gespielten “Toten Stadt“ begründete, ist im Kern bereits in „Violanta“ vorhanden. Vor allem im Zwiegespräch von Violanta mit ihrer alten Amme Barbara und im Schlussduett kündigt sich schon der Opernhit „Glück, das mir verblieb“ aus der “Toten Stadt” an  an. Der Zemlinsky-Schüler Korngold, harmonisch wie von der üppigen Instrumentierung her (die üblichen Gruppen plus Glockenspiel, Harfen, Celesta, Klavier und Mandoline) ein echtes frühreifes Jugendstilkind, ließ sich in „Violanta“ nicht nur von der hochromantischen Klangsprache von Wagner, Strauss und Mahler inspirieren, sondern schloss auch Elemente des Konversationsstils einer Operette ein, pinselte zwischendurch mit gedeckten Farben des französischen Impressionismus, ja macht als echtes Theaterblut auch vor der beklemmenden Düsternis in der Art von Bartóks „Herzog Blaubart“ nicht halt. Retrospektiv betrachtet könnte man sagen, dass Korngolds im Exil so kostbares Talent, mit Klängen Atmosphäre und Stimmung für die Filme Hollywoods zu kreieren, sehr früh ausgebildet war. Dass der junge Korngold „Salome“ liebte, dürfte nach dem Anhören von „Violanta“ auch niemandem entgehen.

Pier Luigi Pizzi, Regisseur, Kostüm- und Bühnenbildner zugleich, der dieser Tage seinen 90. Geburtstag beging, versetzt das Stück optisch in die Entstehungszeit, also die 20-er Jahren des 20. Jahrhunderts. Ein großer Salon mit nonchalant drapierten Riesen gold-roten-Brokat-Stoffbahnen und einem mordsdrum Samtsofa geht in einer Art überdimensioniertem Schiffsbullauge auf den venezianischen Giudecca-Canal. Ein passend dekadenter ästhetischer Rahmen für Bühne und Film. Der Karneval treibt hier nicht nur ausgelassene, sondern auch verhalten melancholische Blüten. 

Als skrupelloser Königssohn und Verführer Alfonso triumphiert der stimmlich und optisch ideale Norman Reinhardt in dieser von der Tessitura her mörderischen „Bacchus“ Partie. Er ist ein US amerikanischer Allrounder Tenor, der in Alter Musik, Mozart und Belcanto gleichermaßen Erfolge feiert. Der Halunke ist für den Selbstmord von Violantas Schwester Nerina verantwortlich und wird von Violanta in ihr Haus gelockt. Die schon Isolde singende niederländische dramatische Sopranistin Annemarie Kremer ist eine großartige Violanta mit einem dunkel abgedeckten faszinierenden hohes Register.  Der Ehemann Simone Trovai wird vom deutschen Bariton Michael Kupfer-Radecky gesungen. Der Lipp- und Varnay-Schüler gibt das Vollstreckungs-Werkzeug seiner Frau Violanta mit Biss und Macbeth-Machoallüre. Allerdings ist Violanta dem feschen Alfonso gleichermaßen verfallen wie sie ihn hasst. Als er ihr gesteht, nie wirklich geliebt zu haben und immer nur den Moment zu nutzen, fällt sie ihm um die Arme. Pech, dass ihr hereinstürmender Komplize Simone beim Versuch, den Konkurrenten zu töten, seine eigene Ehefrau ersticht. Die so unfreiwillig Aufgespießte singt aber noch jede Menge an hohen Noten, bevor sie endgültig den Geist aufgibt. Auch einige der kleineren Rollen sind in Turin ganz vorzüglich besetzt, so etwa Anna Maria Chiuri als Amme, die mit dem üppigen Kontraalt einer Erda orgelt oder der markante Charaktertenor Peter Sonn als snobistischer Giovanni Bracca.

Das Orchester bleibt manchmal ein wenig das schwül-fiebrige Flirren schuldig, das die Wiener Philharmoniker besser drauf haben. Nichtsdestotrotz  reüssieren das Orchester und besonders der exzellente Chor des Teatro Regio Torino unter der behutsamen Stabführung von Pinchas Steinberg auf einem sehr hohen Niveau.

Die Aufnahme wird in verschiedenen Formaten als DVD, Blu-ray oder auch als reine Audio-CD angeboten. Die CD ist schon erschienen. Wer die Filmversion haben will, wird sich noch einige Tage bis in den Juli hinein gedulden müssen. Link Youtube Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=WiNnfCFwjwg 

Hinweis: Die Studio-Aufnahme aus dem Jahr 1980 mit Eva Marton, Siegfried Jerusalem, Walter Berry, Ruth Hesse, Horst Laubenthal mit dem Münchner Rundfunkorchester unter der Leitung von Marek Janowski ist sehr empfehlenswert, aber vergriffen. Rein sängerisch bleibt die Turiner Produktion in den drei Hauptpartien nicht hinter dieser starbesetzten Studioproduktion zurück. 

Dr. Ingobert Waltenberger 

 

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