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Blu-ray Disc/DVD MOZART/HÄNDEL: DER MESSIAS – Live Mitschnitt aus dem Haus für Mozart, Mozartwoche Salzburg 2020; UNITEL Edition

26.09.2020 | dvd

Blu-ray Disc/DVD MOZART/HÄNDEL: DER MESSIAS – Live Mitschnitt aus dem Haus für Mozart, Mozartwoche Salzburg 2020; UNITEL Edition

 

Die optische Unterlegung eines Oratoriums, oder soll ich sagen Inszenierung/szenische Einrichtung mit Tanz hat seit längerer Zeit Tradition. Die neue DVD wartet mit einer Ko-Produktion der Salzburger Mozart Foundation, der Salzburger Festspiele mit dem Théâtre des Champs-Élysées Paris auf. 

 

Wir haben es mit einer doppelten Bearbeitung zu tun. Einmal ist da die herzergreifende Jubelmusik von Georg Friedrich Händel,  die in einem Arrangement von Wolfgang Amadeus Mozart in deutscher Sprache wiedergegeben wird. Andererseits ist für Bühne, Set und Lichtdesign Robert Wilson verantwortlich. Marc Minkowski dirigiert sein Originalklangensemble Les Musiciens du Louvre in großer Besetzung, der diesmal nur durchschnittlich agierende und vibratoreiche Philharmonia Chor Wien wurde von Walter Zeh einstudiert. Als Solisten fungieren Elena Tsallagova (Sopran), Wiebke Lehmkuhl (Alt), Richard Croft (Tenor) und José Coca Loza (Bass). 

 

Die von van Swieten bei Mozart in Auftrag gegebene Bearbeitung des „Messias“ nähert sich dem Klang der Wiener Klassik durch eine neue Instrumentierung an, insbesondere durch das Hinzufügen von Bläserstimmen. Robert Wilson hat seine stilisierte Bühnenästhetik in Richtung Klimawandel und zivilisatorischen Unter- und Aufgang gedrechselt. Schwarze Holztrümmer dürfen permanent ihre Runden über das Geschehen drehen. Am Schluss gibt es doch noch einen Baum mit Wurzeln, also geht es doch weiter mit unserer Zivilisation. Explodierende Eisberge und ein umherirrender Astronaut auf der Suche nach einer neuen Bleibe? Kürzlich habe ich gelesen, dass, sollte sich in einigen Hindert Jahren tatsächlich eine Erderwärmung von sechs Grad einstellen, der Meeresspiegel um 58 Meter steigen würde. Das wäre für viele, viele Menschen klar ganz und gar katastrophal. Nur Händels “Messias” in diesem Zusammenhang? Und die Religion? Wilson: „Der Messias ist ein großartiges Werk, weil es, wie alle großen Werke, von der Hoffnung spricht. Darin erinnert es mich an Negro Spirituals, die Wurzel der amerikanischen Musik. Es gibt nicht eine einzige musikalische  Nummer im Messias, in der es um so etwas wie Protest geht. Es geht immer um die Hoffnung, an der wir uns aufrichten.“

 

Viel wird projiziert in diesen kahlen, in Lichtschienen gezirkelten Kubus. Eine ausgetüftelte Lichtregie mit effektvoll projizierten Wolkentürmen oder Wellen und die Farbe blau spielen bei Wilson ja oft eine große Rolle. Die Sänger schlüpfen in Kostüme, die verfremden und sich dennoch immer zu präzise choreographierten tableauartigen statischen Gesamtbildern fügen. Jede noch so gewollte politische Botschaft muss hinter dem statisch geordneten, aufgeräumten Surrealismus auf der Bühne zurückstehen. Der Chor im scherenschnittartigen Gegenlicht macht Effekt, aber war da noch was? Alles soweit hübsch.

 

Der Tenor als ein Harlekin in Anzug und Masche. Richard Croft ist ein Könner und kämpft daher weniger mit der musikalischen Linie als mit der deutschen Sprache. Kein Wort ist zu verstehen. Josè Cola Loza orgelt im japanisch inspirierten Outfit mit schönem Bassbariton vom Volk, das im Dunklen wandelt und ein großes Licht sieht. Wiebke Lehmkuhl sieht mit ihrer Widderhornschneckenfrisur wie Fricka aus. Auch sie singt gepflegt auf Linie und kann mit ihrem samtenen Mezzo für sich einnehmen. Elena Tsallagova darf mit Wasser pritscheln und ist mit ihrem glockenhellen Luxussopran der leuchtende Star des Abends.

 

Ein Balletttänzer (exzellent Aleksis Fousekis, manchmal mit nacktem Oberkörper, manchmal als Yeti-Zottelwesen), ein Kind (Leopoldine Richards) und ein bärtiger alter Mann (Max Harris) ergänzen das Bühnenpersonal. 

 

Bei allen fantasievollen Bildern samt unzähligen Anleihen aus der Kunstgeschichte, die uns da ins Haus geliefert werden, ist die szenische Umsetzung weder schlüssig noch spirituell noch mit der Musik in irgend einer Weise adäquat. Die Bebilderung wirkt letztlich geschmäcklerisch und in ihrer vordergründig einen jedweden guten Geschmack bedienenden Allerweltspose allzu harmlos, vor allem gänzlich undramatisch. Besonders zu den Chorszenen fällt Wilson rein gar nichts sein, als die brav in Formation stehenden Sänger im Raum zu formatieren.  

 

Man halte sich also an das erstklassige Orchester und den Dirigenten, die den “Messias“ trotz der nicht wirklich schlüssigen Mozart-Fassung in aller Intensität und Wirkungsmacht erstehen lassen. 

 

Dr. Ingobert Waltenberger

 

 

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