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Blu-ray: CHRISTIAN THIELEMANN dirigiert die STAATSKAPELLE DRESDEN

JOHANNES BRAHMS „Doppelkonzert“ mit LISA BATIASHVILI und GAUTIER CAPUCON, TCHAIKOVSKYS „Fantasieouvertüre“ zu ROMEO UND JULIA und FRANZ LISZTS „Symphonische Dichtung Nr. 3, LES PRÉLUDES“; UNITEL major

16.05.2021 | dvd

Blu-ray: CHRISTIAN THIELEMANN dirigiert die STAATSKAPELLE DRESDEN – JOHANNES BRAHMS „Doppelkonzert“ mit LISA BATIASHVILI und GAUTIER CAPUCON, TCHAIKOVSKYS „Fantasieouvertüre“ zu ROMEO UND JULIA und FRANZ LISZTS „Symphonische Dichtung Nr. 3, LES PRÉLUDES“; UNITEL major

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Wenn ein von allen Seiten relativ einstimmig als „Großer“ betitelter  Dirigent plötzlich wegen außermusikalischer Dinge am Pranger steht und die (notwendig) politischen Entscheidungen iZm der Vergabe langjähriger Chefpositionen von Spitzenorchestern die Schlagzeilen beherrschen, tut es gut, sich einmal mehr vorwiegend mit den künstlerischen Fähigkeiten des Besagten zu befassen. Und die sind, wird das romantische bzw. das hochromantische deutsche Repertoire als  Gradmesser in Betracht gezogen, gigantisch. Sympathiefragen und soziale Kompetenzen hin oder her, hier geht es um Höheres. 

 

Als überragendes Beispiel möge das nun auf DVD/ Blu-ray auf Zelluloid gebannte Konzert vom 11., 12. und 13. November 2016 aus der Semperoper Dresden dienen. Das Herzstück des Abends bildete das Konzert für Violine, Violoncello und Orchester in a-Moll, Op. 102 (auch unter der Bezeichnung ,Doppelkonzert‘ bekannt) von Johannes Brahms. Thielemann hatte – anders als bei manchen Opernaufführungen – hier ein  goldenes Händchen für die Besetzung der Solistenpositionen. Ich habe Christian Thielemann erstmals 1986 in Zürich als Dirigent einer sehr guten „Jenufa“-Aufführung mit der legendären Martha Mödl als „Alter Burja“ erlebt. Seither prägen mich auch persönliche Erinnerungen an den Dirigenten, mit dem ich als Basschorist u.a die 9. Beethoven mit den Wiener Philharmonikern in einem Wiener Konzerthaus „Proms“ singen durfte.

 

Thielemann ist generell ein überaus moderner Dirigent, der niemals bloß als epigonaler Nachfolger Furtwänglers oder Knappertsbusch‘ einzustufen ist. Viel zu sehr hat sich auch Thielemann den aktuell unverzichtbaren Tugenden der Transparenz, der Arbeit im kleinsten instrumentalen Detail, der orchestralen Balance generell verschrieben. Gerade bei Brahms „Doppelkonzert“ fällt noch ein weiteres, an Karajan erinnerndes Atout des Kapellmeisters Thielemann auf: Das spontane Reagieren auf die Bedürfnisse der Solisten, das Zurücknehmen des Orchesters bis zur Selbstverleugnung, wenn es dem Spannungsbogen des Werks, dem Sound des Solisten dient. 

 

Das Zusammenwirken der georgisch-deutschen Geigerin Lisa Batiashvili (auf einer Stradivari-Violine aus dem Besitz von Joseph Joachim) und dem charismatischen französischen Cellisten Gautier Capuçon bei diesem letzten Orchesterwerk von Johannes Brahms darf als Glücksfall gewertet werden. Wie sehr die beiden Instrumentalisten bei aller individueller Sichtweise auf den geringsten Blickkontakt zu miteinander harmonieren, ist das wahre Geheimnis dieser singulären Aufnahme.

 

Christian Thielemann, der bei allem Verständnis für klangliche Orchester-Effekte für strenge strukturelle Klarheit sorgt, baut immense Spannungsbögen auf und zieht daraus die goldrichtigen dynamischen Konsequenzen. Schließlich überantwortet er den erst einmal eingeschlagenen Kurs allsbaldigst den beiden Solisten, die in Freiheit ihre Sichtweisen in einer wie improvisiert wirkenden Geschwisterliebe verwirklichen können. Besonders der Schlusssatz „Vivace non troppo“ zeigt, wie sehr das traumwandlerisch zugewandte Phrasieren der beteiligten Solisten und das emotionale Einverständnis zu außerordentlichen Ergebnissen führen können. Diese Tugenden bringen Lisa Batiashvili und Gautier Capuçon auch in ihre solistische fünf-minütige Wiedergabe von Erwin Schulhoffs “Duo für Violine und Violoncello „Il Zingaresca“ ein. 

 

Nicht minder inspiriert und neu gehört gelingen Christian Thielemann die sehnsuchtsvoll berauschende Fantasie-Ouvertüre aus Tchaikovskys Ballettmusik  „Romeo und Julia“ (dritte Version aus dem Jahr 1880) sowie die seit Nazi-Radiotagen politisch belastete symphonische Dichtung „Les Préludes“ nach dem gleichnamigen Gedicht von Alphonse de Lamartine von Franz Liszt.  

 

Bei diesem  „Streifzug durch die Romantik“ – auch filmisch von Beatrix Conrad vorzüglich dokumentiertem Video – erweist sich Thielemann ganz in  seinem Element. Diese singulären Vorzüge werden ihm auch in Zukunft unabhängig von jedweder festen Orchester-Position seine überragende Stellung im internationalen Musikzirkus sichern.

 

Dr. Ingobert Waltenberger

 

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