Götterdämmerung Bayreuth 5.8.2022 – Mit Thielemann wäre der Wurf überdimensional!
Ring 2022 – indem man Thielemann ausgrenzt, beschädigt sich Bayreuth suizid (denn der ist/war vor Ort!). Warum hat das noch niemand formuliert?
Inszenierung: da zeigt ein intelligentes Talent erfrischende Möglichkeiten:
Meine intensivste Götterdämmerung! Gute bis ausgezeichnete Personenregie im streckenweisen Boulevard im besten Sinne mit Kammerspiel – Qualitäten.
Selten wurde die Handlung so anschaulich nahe gebracht. Der Regisseur Schwarz kann was er tut, da sieht man nicht schwarz aber eine Menge Potenzial.
Wenn man jenseits von Netflix- Banalitäten einfach mal naheliegend erkennen will, dass sich hier die Götterwelten – die Göttlichen im irdischen Alltag eingeschlichen haben, um dem Irdischen im Hier und Jetzt nahezukommen, wird alles selbsterklärend.
Das ist unterhaltsam auf gutem theatralen Niveau (ist ja durchaus auch oft Dramaturgie in Science – Fiction Filmen, wenn sich Außerirdische oder Götter vermenschlicht im Irdischen bewegen).
Natürlich kann man eine mglw. etwas flache Aktualisierung bewerten, Auflösung oder Reduzierung archetypischer Mythen, es hat aber Qualität – auch wenn es nicht als Referenz durchgehen wird.
Handwerkliche dramaturgische Qualität besteht z. B. auch inszenatorisch, da die Handlung kongruent in Identität der Komposition erzählt, Ort und Zeit aber unserer aktuellen Existenz nahe gebracht werden. Die Geschichte wird stringent in neuem Ort und neuer Zeit erzählt ohne die Handlung groß zu verbiegen – das funktioniert sehr. Auch der Text bleibt im Großen und Ganzen stimmig.
Da ist nichts verkopft, es wirken bauchorientierte menschliche Regungen in Wahrung, im Kosmos göttlicher Überdimensionierung – bleibt also bei Wagner. Publikum kann der Geschichte ohne Irritierung folgen, somit auch die Musik unbeschädigt verinnerlichen – wobei da leider Luft nach oben bleibt.
Indem man hier auf Thielemann verzichtet, beschädigt sich Bayreuth suizid. Sollten hier offensichtliche Animositäten „Platz gegriffen haben“ ? „Hier gilt’s der Kunst“ – nicht der schlechten Laune einer Katharina Wagner als Chefin.
Wenn man summiert,wäre Christian Thielemann der qualifizierteste zukünftige Chef in Bayreuth! Reichen ohne Qualifikation lediglich Abstammungsriten an einen urgroßväterlichen Komponisten (auch wenn man so ohne Weiteres zur Professorin avanciert?)? – und in Jahrzehnten nie überzeugen konnte?
Als Sänger überrascht Hagen Albert Dohmen, der wohl zu alter Qualität gefunden hat, enttäuscht Iréne Theorin (Brünnhilde), die Konsonanten „frisst“, unverständlich in höchster Lage keift und gern Vokale zu Umlauten verfrachtet, so durch die Partie trompetet. Solcher Gesang wirkt auf mich eher wie trainierte Akrobatik statt empfundenem Kunstgesang.
Bin sehr angenehm überrascht, es macht Spaß mit Qualität. Das kann man wohl nicht zum sgn. Regietheater qualifizieren, es war stimmig und werkimmanent. Ich mag Kunst statt so vielem Musiktheater -Kappes!
Gastbeitrag (Name der Redaktion bekannt):
Bemerkungen zur Kritik an Irene Theorin
Zur vielfach in den Kritiken geäußerten Meinungen über Irene Theorin erreicht uns eine Meinung aus dem „Sängerlager“. Ich selbst fühle mich nicht kompetent genug, diesbezüglich eine ernstzunehmende Meinung zu haben:
„Es ärgert nicht nur mich, wie selbsternannte Koryphäen Begriffe in falschem Wissen oder unkundig mißbrauchen!
Vibrato und Tremolo? Zu Bayreuther – Ring – Kritiken bzgl. angeblich negativem Vibrato von Iréne Theorin.
Diese angeblichen Negativa, die mglw. auch Tremolo meinen, treffen auf Iréne Theorin nicht zu. Bei ihr sind es antrainierte Gesangstricks, die ausgeufert sind. Sie deutet Konsonanten nur an oder läßt sie aus, da man auf Vokalen besser Töne produzieren kann, nutzt da oft die Unart Vokale als Umlaut zu singen (z. B. Ö findet mehr Resonanzräume als O, das leicht hohl klingt), ist weit verbreitet, verliert bei höchsten Tönen die Gesangslinie und versucht mit Lautstärke auszugleichen. Das ist dann kein Gesang, man versteht Kauderwelsch“.
Name des Verfassers der Redaktion bekannt.
Irene Theorin als Brünnhilde in „Götterdämmerung“. Foto: Enrico Nawrath/ Bayreuther Festspiele
Vibrato: Eigenschwingung der frei schwebenden Stimme, die Lebendigkeit, Beseelung und Klangschönheit mitbestimmt
Tremolo: Übermäßiges Vibrato, das der Stimme ein unruhiges und unbrauchbares Zittern gibt. Ursachen u.a.: schlechte Atembalance, Verspannung des Unterkiefers und damit des Ansatzrohres,
Nervosität. Bei alten oder untrainierten Stimmen: Erschlaffung der Stimm-Muskulatur, vor allem der Einhängemechanismus. Aus: https://www.cvnrw.de/fileadmin/user_upload/dokumente/d-massnahmen/Fachausdruecke.pdf
Wozu Vibrato?
Im Klassischen Gesang und in der Oper wird das Vibrato in jedem Fall für die Stilistik gebraucht und gehört „zum guten Ton“ im wahrsten Sinne des Wortes. … Die klassische Gesangsausbildung verhilft in jedem Fall zur Entwicklung von Vibrato. Aus: https://raum-fuer-gesang.com/blogs/raum-fur-gesang-blog/posts/10-was-ist-vibrato-und-kann-man-es-lernen
Prominente Sänger zum Vibrato
Fritz Wunderlich: „Ich bemühe mich um den richtigen Stimmsitz, indem ich den Ton von oben ansetze. Mein Fokus liegt auf natürlichem, lockerem Gesang. Wenn die Stimme richtig sitzt, brauche ich mich weder mit Atemdruck noch mit sonstigen Techniken beschäftigen, die ein Vibrato erzeugen.Wenn ich den Mund mit Stimme ausfülle, den Ton von oben ansetze, locker und natürlich singe, beginnt die Stimme von ganz alleine frei zu schwingen, zu fließen und zu schweben.“
Joan Sutherland: „Wie ich das Vibrato verwende? Ich singe NICHT mit dem Atem. Mein Ton schwebt auf dem Atem. Wenn der Ton auf dem Atem schwebt, beginnt meine Stimme frei zu schwingen. Wenn der Atem beim Singen langsam und gleichmässig ausströmt, kommt das Vibrato beim Singen automatisch und braucht nicht erzeugt zu werden. Ein mit Druck erzeugtes Vibrato wird zum Tremolo und kann nicht frei schwingen. Solch ein erzeugtes Vibrato ist in der Regel entweder zu langsam oder zu schnell und kling unnatürlich.“
Enrico Caruso: „Die Atemstütze wird heutzutage als die treibende Kraft beim Singen gelehrt. In der Tonproduktion ist das Appoggio ein nicht wegzudenkender Umstand, ist aber keinesfalls die treibende Kraft beim Singen. Korrektes Singen mit genauem Stimmsitz ruft lockere Atemstütze hervor, aus der ein gleichmäßig schwingendes Vibrato entsteht. Meine Maxime ist folglich, dass der korrekte Stimmsitz beim Singen die richtige Atemstütze und eine frei schwingende Stimme mit natürlichem Vibrato hervorbringt. Mit der Atemstütze alleine kann man kein richtiges Vibrato hervorbringen.“
Lilli Lehmann: „Das Vibrato ist ein Zeichen von Lockerheit. Wenn bei hohen Tönen Halsschlagadern heraustreten und Köpfe rot werden, werden laute Töne mit Druck gestützt, was für die Stimme gefährlich ist. Ich änderte mein Appoggio, nachdem ich 25 Jahre zu viel Druck verwendete. Jetzt atme ich, indem ich den Atem frei strömen lasse und spanne dabei nicht das Zwerchfell oder den Bauch an, wie ich es zwei Jahrzehnte gemacht habe. Wer richtig singt und atmet, wird immer ein Gefühl von Behagen empfinden. Wenn dieses entspannte Gefühl eintritt, beginnt meine Stimme von selbst zu schwingen. Bewusst erzeugen kann man kein schwebendes Vibrato. Jeden unnötig störenden Druck im Bauch vermeide ich.“
Maria Callas: „Den Ton nicht mit der Atemstütze anschieben oder pressen, sondern den Ton auf dem Atem schweben lassen, dann wird er beginnen frei zu werden. Je freier die Stimme wird, desto lockerer wird sie schwingen und schweben. Das Vibrato ist dann weder zu schnell (Tremolo) oder zu langsam. Den Ton bitte nicht mit dem Atem anschieben sondern auf dem Atem schweben lassen. Bringe den Stimmsitz in den Kopf und stütze den Ton vom Kopf her aber singe ohne Atemdruck, nur dann wird ein freies Vibrato im Messa di Voce möglich.“