REISE UND KULTUR : BADEN-BADEN – ZWISCHEN THERMEN, CASINO UND OPER
Allein schon wie dieser Name klingt. Bad können sich ja viele Orte nennen: Bad Homburg, Bad Ischl, Bad Tatzmannsdorf, Bad Sauerbrunn, Bad Kötzting etc.etc. Und „Baden“ gibt es auch ein paar: Baden (bei Wien), Baden (bei Basel) usw. Aber Baden-Baden gibt es halt nur eins, und die Stadt im Schwarzwald betont durch die fast polynesische (z.B. Bora-Bora) Wiederholung ihres Namens ihren Anspruch darauf, die ultimative Badestadt zu sein, der Kurort aller Kurorte, das Baden aller Badens…Was sie ja im 19.Jahrhundert – als man sie „die Sommerhauptstadt Europas“ nannte – auch tatsächlich war.
Begonnen hat naturgemäss alles mit den Römern, als die hier ihre geliebten Thermalquellen entdeckten. Ob „Aquae“,wie es damals hiess, von Kaiser Caracalla oder Kaiser Eliogabalo (der von manchen Museen seit neuestem als „Transfrau“ geführt wird, weil er vier Frauen und einen Mann geheiratet hat) ausgebaut wurde, ist umstritten. Von Eliogabalos legendären Ausschweifungen ist derzeit jedenfalls nichts zu spüren, und die hochmoderne „Caracalla-Therme“ ist ein familienfreundliches Wellness-Bad.
Das Friedrichsbad
Ein absolutes Muss in dieser Hinsicht ist ein Besuch des Friedrichsbades, das – wie soll man sagen – eine Art Wiedergeburt der römischen Thermen (und deren oströmischen Erben, der Hamams) aus dem architektonischen Geist des Wilhelminismus ist. Man durchläuft 17 Stationen (Warmluftbad, Heissluftbad, Thermal-Dampfbad, Thermal-Vollbad, Thermal-Sprudelbad, Thermal-Bewegungsbad, Kaltwasserbad etc.etc.), und nach den empfohlenen drei Stunden Aufenthalt ist man äußerlich und innerlich so gesäubert und sovollkommen tiefenentspannt wie schon ewig nicht. Einzigartig.
Viele prüde Menschen (Amis und so) sollen es angeblich meiden, weil man sich hier so wie Gott einen schuf, präsentieren muss. Das ist ein wenig unverständlich, man muss allerdings dazusagen, dass der Anblick des eigenen, aber auch der anderen nicht mehr ganz blutjungen Körper beiderlei Geschlechts schon eine ziemliche ästhetische Challenge darstellt.
Nach dem totalen Reinigungsritus kann man sich ja guten Gewissens wieder ein bisschen kontaminieren. Und wo könnte man das besser als im beliebten Café König mit seinen jedermann und jedefrau unweigerlich in Versuchung führenden Mehlspeisen.
Danach ein wenig (Weiter-)Bildung gefällig ? Baden-Baden hat auch viele exzellente Museen aufzuweisen: das sehr spezielle Fabergé-Museum (Sie wissen schon: jener russische Goldschmied mit den kostbaren Eiern), die Kunsthalle und – gleich daneben – den weißen Kubus Richard Meiers für die Kunstsammlung des verstorbenen Verlegers Frieder Burda.
Ich persönlich empfehle sehr den Besuch des in einer reizenden Villa untergebrachten Stadtmuseums. Dank der sehr liebevoll und kundig gestalteten Dauerausstellung kann man sich in knapp einer Stunde ein umfassendes und eindrucksvolles Bild von der Geschichte Baden-Badens machen: von den Römern über die Bademethoden im Mittelalter bis zur Erfindung des Tourismus, der Erbauung der riesigen Luxushotelkästen, der Gründung des weltberühmten Casinos etc.etc…Spannend.
Für Abendunterhaltung ist natürlich auch gesorgt. Besonders reizend ist das örtliche Theater.
Das Kurtheater. Foto: Gert Eichmann
Äusserlich unscheinbar, ist es innen eine prächtige Miniatur-Kopie der Oper aller Opern, der Opéra Garnier in Paris. Musikhistorisch interessant: hier wurde Berlioz‘ „Béatrice et Bénedict“ uraufgeführt und Offenbachs „La Princesse de Trabezund“ etc.etc.
Das Festspielhaus. Foto: Robert Quitta
Und dann gibt es da auch noch das „Festpielhaus“, das heuer sein 25jähriges Jubiläum feiert. An die denkmalgeschützte Eingangshalle des aufgelassenen Badener Stadtbahnhofs hat Wilhelm Holzbauer damals eine riesige, schmucklose „Schuhschachtel“ gebaut. Wenn man Glück hat, findet gerade eine der „Saisonen“ statt. Gerade eben hat der aufstrebende Tenor Jonathan Tetelman einen großen Triumph als Werther gefeiert in der Inszenierung von Robert Carsen. Zu Ostern kehren Kyrill Petrenko und die Berliner Philharmoniker mit einer mit Spannung erwarteten Elektra (Nina Stemme) zurück.
Das Casino. Foto: Robert Quitta
Das wenige Geld, das einem am Ende des Tages noch bleibt, kann man dann locker im Casino verspielen. Diese vom Franzosen Edouard Bénazet zur Blüte gebrachte Spielbank hat ja – gemeinsam mit den Thermen – den eigentlichen Ruf Baden-Badens als Treffpunkt der europäischen Hocharistokratie und Grossbourgeoisie gegründet. Denn Bénazet war sehr geschickt. Nicht nur investierte er in die kulturelle Infrastruktur der Stadt (er hat z.B. das Theater erbauen lassen), er stattete auch die Säle des Casinos extrem üppigst aus, mit sehr sehr viel Gold und viel viel roten Samt und absolut rieeeesigen Lüstern (gegen die der aus Phantom der Oper wie eine Nachtkastllampe wirkt)..“im Stile französischer Königsschlösser wie Trianon und Versailles“. Dieser Pomp traf damals den Geschmack seiner französischen Landsleute und heutzutage den der hier zahlreich ansässigen neureichen Russen.
Aufgrund seiner betuchten Clientèle gibts in Baden-Baden klarerweise jede Menge erstklassiger Restaurants, auch solche mit Hauben und Michelin-Sternen.
Im Rizzi’s. Foto: Robert Quitta
Wer nicht unbedingt 70€ für ein Hauptgericht („Le jardin de France“) ausgeben oder 150 € für ein mehrgängiges Menü (allerdings in der Kantinen-Atmosphäre von „Maltes Hidden Kitchen“) hinblättern will, aber dennoch eine exzellente Küche geniessen will, ist mit einem Abendessen im Restaurant RIZZI‘S bestens bedient. Der Stil ist mediterran, ja côte d‘azurig. Eine Bouillabaisse wie hier bekommt man in Marseille nicht besser, der gegrillte Octopus kann an der griechischen Küste nicht köstlicher schmecken. Aufmerksamstes Service, tolle Wein – und Schnapsauswahl…Da bleibt kein Wunsch mehr offen und kein Platz mehr im Magen – außer vielleicht für ein Zitronensorbet mit Vodka mit dem schönen Namen „Le Colonnel“…
Wer, wenn man schon im Schwarzwald ist, lieber badische Spezialitäten – aber auf gehobene Weise – goutiert, sollte den Weg in „Schneiders Weinstube“ finden. Die selbstgemachten Maultauschen mit Zwiebelschmelze , die auf der Zunge zergehenden butterweichen Kalbsbackerln in Madeira-Sauce, die knusprig gebratene Bauern-Ente…ein einziger Genuss.
Das Ehepaar Schneider. Foto: Schneiders Weinstube)
Die Zusatzattraktion der Weinstube sind jedoch die Pächter selbst. Herr und Frau Schneider sind Gastgeber, sind Wirtsleute mit Leib und Seele, wie es sie fast nicht mehr gibt. Sie sind an ihren Gästen interessiert, setzen sich zu ihnen auch schon mal an den Tisch, beraten sie, plaudern, tratschen …und schaffen somit eine so familiäre Atmosphäre, dass es nicht wundert, dass das Lokal immer voll ist und auch bei den hier auftretenden Künstlern sehr beliebt ist.
Tja, bleibt die Frage der Übernachtung. Und das ist derzeit leider ein wenig tragisch, um nicht zu sagen: ein anhalternder Skandal. Denn die beiden grössten, traditionsreichsten und ursprünglich exklusivsten Grand-Hotels der Stadt, der Europäische Hof und der Badische Hof, sind aus unterschiedlichsten Gründen ( Brandstiftung, Wasserschaden, spekulierende Leipziger Zahnärzte, fehlendes Kapital aus Kasachstan etc,) riesige „Renovierungs-Baustellen“…kein Ende in Sicht.
Für einen Standort wie Baden-Baden ist die Situation doch extrem ruf-und kreditschädigend. Warum schreitet da die Stadtverwaltung nicht ein, die Landesregierung ? Wie wär es denn zur Abwechslung mit einer mehr als gerechtfertigten Enteignung?
Aber seien Sie unbesorgt: Sie müssen nicht unter der Brücke über die Oos (so heißt doch tatsächlich der Fluss hier) schlafen, Sie können ihr Haupt bequem im ältesten Hotel der Stadt zur Ruhe betten: im Badhotel zum Hirschen. Gegründet 1689, gleich nach dem verheerenden grossen Stadtbrand. Heute vollständig, aber respekvoll renoviert, ist es eine gediegene, freundliche, zentral gelegene, vorübergehende Heimstätte zum Entspannen…Und die Zimmer haben sogar eigene Thermalbadewannen …!
Robert Quitta, Baden-Baden