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AUGE UM AUGE

29.03.2014 | FILM/TV

FilmPlakat Auge um Auge x

Ab 4. April 2014 in den österreichischen Kinos
AUGE UM AUGE
Out of the Furnace / USA / 2013
Regie: Scott Cooper
Mit: Christian Bale, Woody Harrelson, Casey Affleck, Willem Dafoe, Sam Shepard, Zoe Saldana, Forest Whitaker u.a.

Was ist das für ein Leben? Das fragen nicht nur wir, die einen zwei Kinostunden langen Blick in eine elende amerikanische Stadt werfen, wo die Männer wenig andere Möglichkeit haben, als im Stahlwerk zu arbeiten. Ja, in den Krieg dürfen sie auch noch ziehen und froh sein, wenn sie mit heilen Gliedern heimgekommen sind. Aber nicht jeder ist bereit, das Schicksal der hart arbeitenden Arbeiterklasse ohne Zukunftsperspektive auf sich zu nehmen – der Titel „Out of the Furnance“, raus aus dem Stahlofen, weist darauf hin. Dieser Film erzählt von der Alternative.

Dort, wo es den „braven“ und den „schlimmen“ Bruder gibt – wobei der „brave“ so brav nicht ist, wenn es darauf ankommt, und der „schlimme“ ja doch nur ein Schwächling -, liegt es in der Natur der Sache, dass der Stärkere sich um den Schwächeren kümmert. Gerade, wenn dieser sich halstief in die Scheiße reitet. In diesem Film von Scott Cooper, der so dicht die Enge, Schäbigkeit und Trostlosigkeit des Milieus zeichnet, lässt sich Rodney, der jüngere Blaze-Bruder, auf die blutigen, illegalen Straßenkämpfe ein, um seine Schulden bei knallharten Geldverleihern zu bezahlen. Und eines Tages ist er verschwunden.

Russell Blaze, der Bruder, der Mann, der verbissen im Stahlwerk malocht, lässt das nicht auf sich beruhen. Er weiß und wir als Kinozuschauer wissen, dass man nicht blauäugig in die dreckige Halbwelt gehen kann. Man muss diesen Leuten sei es mit Tücke, sei es mit Gewalt, ebenbürtig sein. Und man kann, auch das ist ein Thema, über das nachzudenken sich lohnt, in Umstände gezwungen werden, aus denen es kein sauberes Entkommen gibt.

Aug um Auge Christian Bale

Die Stärke des Films beruht zweifellos auf seiner Besetzung, auf Darstellern, die sich in ihre Figuren gleichsam hinein brennen. Voran Christian Bale, dieses Chamäleon unter den Hollywood-Stars – eben noch im Kino der dickliche, herrlich ölige Betrüger in „American Hustle“, wofür er nicht nur hinauf gefressen hat, was über das Normalgewicht hinausgeht, sondern noch die vielen, vielen Kilo, die er für den ausgemergelten Russell Baze verloren hat. Wie ein hartes, knochiges Gespenst geht er durch den Film, folgt dem verlorenen Bruder in dessen „Unterwelt“ und, als er ihn nicht findet, bricht er, obzwar kein Mörder, ja doch zu Auge um Auge auf… Man glaubt Bale einerseits, dass er eigentlich damit nichts zu tun haben will, andererseits, dass er der Situation gewachsen ist, als sie unabwendbar auf ihn zukommt.

Eine Nebenhandlung soll zeigen – und tut es erfolgreich -, dass Russell Baze ein Mann ist, der keinesfalls blind aggressiv auf die Umwelt losgeht – als er nach einem Autounfall, an dem er nur bedingt schuld war, ins Gefängnis muss, findet er nach seiner Rückkehr seine Freundin (die schöne Zoe Saldana) als Frau des Polizeichefs (Forest Whitaker) wieder, schwanger von diesem, nie wieder bereit, zu ihm zurückzukehren, obwohl sie ihn liebt: Er steckt es weg mit Seelenschmerzen. (Selbstverständlich ohne große Pose – die haben hier keinen Platz.)

Casey Affleck hat schon manchen Schwächling gespielt, der Rodney Baze ist eine weitere überzeugende Variation. Was die Familie betrifft, so hat Russell nur einen Helfer – Sam Shepard als sein Onkel, der im Zweifelsfall schweigend sein Gewehr lädt, a man has got to do what a man has got to do, die knorrige alte amerikanische Selbstverteidigungs-Maxime…

Willem Dafoe als der Mann, der mit schmieriger Geste Geld verleiht und dann ziemlich gnadenlos wieder eintreibt, ist nicht das menschlich Schlimmste, dem man in diesem Film begegnet. Dafür ist Woody Harrelson als Harlan DeGroat zuständig, und es ist erstaunlich, welche Gefährlichkeit dieser Schauspieler, der immer wieder auch als purer Blödelkomiker auf der Leinwand erscheint, ausstrahlen kann. Als Drogendealer und Veranstalter von illegalen Kämpfen kennt er keine Rücksicht auf gar nichts – die Studie eines Psychopathen, die Gänsehaut verursacht.

So düster ist uns Kino lange nicht gekommen. Der „Fun factor“, nach dem immer wieder gefragt wird: Null. Kein Lichtblick, nirgends. Nur das dumpfe Gefühl, dass das Leben für viele Menschen tatsächlich so aussehen kann. Und dass es hier kompromisslos so gezeigt wird. Der Eindruck ist stark.

Renate Wagner

 

 

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