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ATHEN: Habemus operam! – Athen hat eine neue Spielstätte

21.11.2017 | REISE und KULTUR

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Copyright: Agnes Flade

Habemus operam! – Athen hat eine neue Spielstätte

 Das „Stavros Niarchos Foundation Cultural Center“ in Athen beheimatet seit Neuestem etwas ganz Besonderes: Die neue Bühne der griechischen Nationaloper (GNO). Hat man sich zuvor über Platzmangel im alten Opernhaus beklagt, so wird heute niemand mehr die Geräumigkeit des Baus bemängeln können.

Groß und wuchtig steht der –vom italienischen Architekten Renzo Piano entworfene-  Komplex auf dem weiten Platz. Er beherrbergt nicht nur das Opernhaus, sondern auch die Nationalbibliothek und ganz nebenbei auch ein Restaurant (von dem sich eine „Filiale“ beim Haupteingang des Parks befindet).

Unmittelbar neben dem Bau wurde ein riesiger Park angelegt, der aber durch die Art der Bepflanzung durchaus den Charme eines mediterranen Gartens hat. Doch nicht nur einen Park hat das Gelände vorzuweisen, auch einen 400 Meter langen „Kanal“, auf dem man Segeln lernen, oder Kayakfahren kann.

Schon durch diese knappe Beschreibung wird ersichtlich – hier trifft sich alles und jeder. Eltern schieben Kinderwägen, Kinder spielen, Jugendliche hören laut ihre Musik und der Büromann läuft nach dem Arbeitstag seine Runden. Auf dem Platz zwischen Oper und Bibliothek treffen sich Freunde im Schanigarten des Bistros, eine griechische Band hofft darauf entdeckt zu werden und ein Verkäufer preist lautstark frisch gepresste Fruchtsäfte an. Mitten in all diesem Getümmel erspäht man des Abends den einen oder anderen elegant gekleideten Opernbesucher.

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Copyright: Agnes Flade

Diese ganze Herrlichkeit liegt in der Stadt Kallithea, was soviel heißt wie „guter Ausblick“. Kallithea liegt nur 3 km vom Stadtzentrum Athens entfernt und die Oper ist mit dem Bus in 15-20 Minuten gut erreichbar. Fährt man vom Syntagma Platz ab, so nimmt man am besten Bus Nr B2 bis zur Station „ΩΝΑΣΕΙΟ“ und geht von dort zu Fuß zum Stavros Niarchos Zentrum. Ich selbst hatte das Glück in einer Wohnung nur 15 Gehminuten vom Opernhaus entfernt zu wohnen. Fährt man speziell nur wegen der Oper nach Athen, kann ich nur empfehlen, in der Nähe des Zentrums zu wohnen, da die Wartezeiten auf die Busse doch recht unverlässlich und unregelmäßig sein können (-bis zu 35 Minuten!).

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Copyright: Agnes Flade

Im Opernhaus selbst gibt es im Hauptsaal Platz für 1400 Besucher. Der Zuschauerraum ist ausgestattet mit rot gepolsterten Sitzplätzen und modernem Untertitelsystem (jeder Platz verfügt über einen Touchscreen, über den man zwischen griechischen und englischen Übersetzungen wählen kann). Die Sitzreihen sind so angeordnet, dass man auch noch aus der letzten Reihe und trotz eines Riesen auf dem Vorderplatz gute Sicht auf die Bühne hat. Zugegeben, ich persönlich habe weder Hörplätze, noch Galerie getestet.

Außerdem verfügt das Haus noch über Proberäume und eine Nebenbühne, die Platz für 400 Zuschauer aufzuweisen hat.

Ist man einmal in Kallithea, wird sich zu einem Zeitpunkt unweigerlich die Frage auftun: „Aber wo ist denn jetzt eigentlich der beworbene, gute Ausblick?“ Das fragt man sich so lange bis man mit dem, sich im Opernhaus befindenden, Aufzug hinauf auf das Dach des Opern-/ Bibliothekkomplexes fährt. Aber dann weiß man auch, wieso die Stadt Kallithea genannt wurde, denn der Ausblick, besonders Abends, ist beeindruckend. Auf der einen Seite blickt man Richtung Meer, auf der anderen Richtung Athen – und beide Aussichten sind die Zeit in der Warteschlange vor dem Lift wert.

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Copyright: Agnes Flade

Die Anregung zu meiner Athen-Reise gab aber nicht das neue Opernhaus, sondern der Auftritt von KS Agnes Baltsa als Klytämnestra in Richard Strauss’ „Elektra“ (ich besuchte gleich zwei Vorstellungen, am 18. sowie am 22. Oktober).

Insgesamt 5 Mal war die Grande Dame der Oper, zwischen 15. und 31. Oktober zu erleben. Es war eine „Elektra“-Serie der Premieren: so war es das erste Mal, dass sich die 1940 gegründete Nationaloper des Werks annahm und „Elektra“ wurde nun gleich zu der Oper, die die neue Spielstätte eröffnen sollte und es war auch das erste Mal, dass KS Agnes Baltsa mit der GNO zusammenarbeitete.

Regie führte der renommierte griechische Regisseur Yannis Kokkos. Als Elektra war anstelle der erkrankten Irène Theorin die deutsche Sopranistin Sabine Hogrefe zu hören. Chrysothemis wurde verkörpert von Gun-Brit Barkmin, Aegisth von Frank van Aken und Orest vom viel zu wenig geläufigen griechischen Bariton Dimitris Tiliakos. Am Pult stand Vassilis Christopoulos. Alles in allem eine doch recht namhafte Besetzung!

Star des Abends war ohne Zweifel „die Baltsa“. Auch heute noch weiß sie das Publikum zu verzaubern. Man merkt, dass sie in all den Jahren ihrer Karriere exzellente Stimmhygiene betrieben hat, denn auch mit 73 Jahren hat sie noch eine Klarheit, Kraft, Fülle und Präzision in ihrer Stimme, die unvergleichlich und einmalig ist. Unübertroffen ist ihre Art die Klytämnestra darzustellen, denn in dem Moment, in dem sie die Bühne betritt, spielt sie nicht nur die Rolle, sie ist es auch. Das merkt man an den Kleinigkeiten, den Details. Wenn sie zum Beispiel Elektra hilfesuchend ein „hilf mir!“ zuruft, oder wenn ihr die Nachricht von Orests Tod überbracht wird, sie sich zu ihren Dienern beugt und hoffnungsvoll, fast ungläubig ein „Was?!“ zuhaucht. Das ist es, was eine Baltsa zur Baltsa macht. Es bleibt nur zu sagen: „Mach weiter, Agnes!“ , denn so eine Klytämnestra, so ein Mezzo gibt’s nur einmal. Wie wär’s mit einer Gräfin in „Pique Dame“?

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Schlussapplaus mit Agnes Baltsa. Copyright: Agnes Flade

Aber nun zurück zur Aufführung. Das Dirigat war in Ordnung, nur waren etwaige „Zusammenführungsprozesse“ zwischen Orchester und Sängern etwas langwierig. Irène Theorin fehlte der Besetzung, denn Sabine Hogrefe war nicht unbedingt ein adäquater Ersatz. Ihre Auftritte waren akzeptabel, doch hatte sie vor allem in der Vorstellung vom 18. Oktober Intonationsprobleme und bewegte sich recht steif auf der Bühne. Gun-Brit Barkmin lieferte eine absolut passable Chrysothemis, wie sie auch schon an der Wiener Staatsoper beweisen konnte. Der geheime Star des Abends war aber ohne Zweifel Dimitris Tiliakos, den ich zuvor schon aus einem Pariser „Macbeth“ und einer „Don Giovanni“ Aufnahme kannte. Er konnte mit einwandfreier Aussprache, solider Stimmführung, einem tollen Timbre und gutem Spiel überzeugen. Zu schade, dass man ihn noch nicht nach Wien geholt hat!

Die Regie von Yannis Kokkos war tadellos – nicht originell, dafür aber auf der sicheren Seite, nachvollziehbar, im typischen Kokkos-Stil und insgesamt sehr gut.

Eine Kokkos-Regie eben!

Alles in allem sei gesagt, dass sich ein Besuch der griechischen Nationaloper auf jeden Fall lohnt, sei es um eine Oper zu sehen, sei es um die Aussicht zu bewundern.

Opernaufführungen an der GNO bieten ein breites Spektrum – von italienischen Gassenhauern wie Verdis „Rigoletto“ auf der Hauptbühne, bis hin zu eher unbekannten Werken griechischer Komponisten auf der Nebenbühne.

Ich freue mich schon jetzt auf weitere Ausflüge nach Athen und kann nur jedem, nach Griechenland Reisenden Operninteressierten empfehlen, einen Abend im  Stavros Niarchos Cultural Foundation Center zu verbringen!

Agnes Flade

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Copyright: Agnes Flade

 

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Copyright: Agnes Flade

Agnes Flade studiert derzeit Byzantinistik und Neogräzistik,= GRIECHISCH, hat mit  Musikwissenschaft begonnen,  will  die Aufnahmeprüfung für Musiktheaerregie im Februar machen. Geige und Gesang hat sie immer privat gemacht!

 

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