Andalusien hat viele Facetten, 24.04.2013
von Ursula Wiegand
Andalusien – das ist eine Welt für sich. Eine mit starken Farben und ebenso starken Kontrasten. Mit Welterbe-Städten und unendlichen Stränden, deren Beliebtheit einen Bauboom zur Folge hatte.
Doch allein zum Baden und Bräunen ist Andalusien eh zu schade. Also auf nach Granada, der viel Besungenen mit ihrer herrlichen
Alhambra, der einzigen, komplett erhaltenen maurischen Palastanlage weltweit.
Granada, Alhambra wuchtig mit Sierra Nevada. Foto: Ursula Wiegand
Leider ist (diesmal) keine Zeit für die mindestens 3-stündige Besichtigung, doch schon der Blick vom Mirador (Aussichtspunkt) ist pure Faszination. Gegenüber, auf dem Sabika-Hügel der 720 Meter lange Komplex, geschützt von wuchtigen Mauern und Türmen. Dahinter die schneebedeckten Gipfel der Sierra Nevada. Hinreißend!
Rechts liegt die Festung (Alcazaba), die laut Stadtführer Pedro bis zu 40.000 Krieger beherbergte, links außen der weiße Sommerpalast (Generalife). Das Zentrum bilden die Paläste der Nasriden-Herrscher, errichtet im 14. Jahrhundert.
„Angegliedert war die Medina, eine komplette Stadt, die sich selbst versorgte,“ betont Pedro. Das dank eines ausgeklügelten Bewässerungssystems, mit dem die Mauren alle Regionen in fruchtbares Land verwandelten. Unter ihrer Oberhoheit erlebte Andalusien eine wirtschaftliche und kulturelle Blüte.
Als die Katholischen Könige Granada 1492 als letzte maurische Bastion zurück eroberten, schied Maurenkönig Boabdil unter Tränen. „Beweine nicht wie ein Weib, was du nicht verteidigen konntest wie ein Mann“, zürnte angeblich seine Mutter. Immerhin blieb durch Boabdils kampflosen Abzug die Alhambra erhalten. Die Moscheen wurden alsbald zu Kirchen, und Karl V baute 1527
einen Renaissance-Palast rechtsseitig an.
Granada, Altstadt, Platz San Salvador. Foto: Ursula Wiegand
Beim Gang durch die 1013 von den Mauren gegründete und bewohnte Altstadt (Albaicín) spüren wir noch einen Hauch jener Zeiten. Fast menschenleer wirken die engen Gassen. Balkons im Blütenschmuck zieren den Platz San Salvador. Ein Hund guckt neugierig von einer Hausmauer. Hund müsste man dort sein oder einer der knapp 60.000 Studenten aus vielen Ländern.
Granada, Altstadt, Hund und Alhambra. Foto: Ursula Wiegand
Stattdessen köstliche Tapas im Restaurant Chikito, Plaza del Campillo 3, inmitten der turbulenten Unterstadt. Chef Luis Ornezabal, Ex-Fußballer, zeigt ein Foto seiner früheren Mannschaft. Er war die Nr. 8, ein schlanker Lockenkopf, seither hat er sich deutlich gerundet. Nun sind die Vereinspräsidenten und andere Promis gerne bei ihm zu Gast. „Maradona war schon dreimal hier,“ strahlt er, „Plácido Domingo aber auch.“
Doch außerhalb von Granada warten, abseits aller Touristenströme, weiße Dörfer, grüne Bergketten und stille Pfade auf Entdecker. Die verlocken zum Wandern und Radeln und bringen aktive Erholung.
Priego de Córdoba, Olivenbäume im Abendlicht. Foto: Ursula Wiegand
Wir starten in Priego de Córdoba, rund 70 km südöstlich von Córdoba, der einst größten und wichtigsten Stadt Europas. Eine Mezquita mit maurischem „Säulenwald“ kann Priego nicht bieten, wohl aber Millionen Olivenbäume. Das hier hergestellte Olivenöl hat besten Ruf.
Virgen de la Sierra. Foto: Ursula Wiegand
Vor der ersten Wanderung besuchen wir nach andalusischer Sitte eine Marienwallfahrtskirche, im Volksmund „Virgen de la Sierra“ genannt. Auf einem Hügel gelegen ist sie ein Pilgerziel mit Aussicht. Hinter dem schmiedeeisernen Eingangstor warnt ein Schild „Reiten verboten“. Vermutlich wählen jedoch die meisten Besucher einige PS mehr, um hinaufzugelangen.
Wandern in der Bailón-Schlucht. Foto: Ursula Wiegand
Unser Ziel ist die Bailón-Schlucht im Naturpark Sierras Subbéticas. Dort wird’s bald etwas abenteuerlich, erlebte doch selbst Andalusien einen ungewöhnlich kühlen, regenreichen Winter. Die Landschaft „grünt so grün“, doch der Rio Bailón führt mehr Wasser als üblich.
Bailón-Schlucht, Flussquerung. Foto: Ursula Wiegand
Also Flussquerungen mit Balance-Training über teils glitschige Steine, manchmal auch mit hilfreicher Hand. Oder Schuhe aus
und durchs kalte Wasser waten.
Ramón, unser Wanderführer, erzählt vom Andalusischen (Spanischen) Wasserhund, der den Fischern hilft. Gelegentlich fühlen wir uns genau so. Nach einem letzten leichten Anstieg ein Superblick hinunter auf Zuheros.
Zuheros im Blick. Foto: Ursula Wiegand
Weiße Häuser leuchten im Sonnenschein, überstrahlen die Reste der grauen maurischen Trutzburg und ihrer Renaissance-Anbauten. Das Dörfchen besitzt noch, trotz Hotel, den Charme von „lang, lang ist’s her“. Dass hier schon frühzeitig Menschen siedelten, zeigen Felsmalereien aus der Jungsteinzeit in der Murcielagos-Höhle.
Höhlen en masse
Guadix hat rd. 2.000 Höhlenwohnungen. Foto: Ursula Wiegand
In der Sierra Nevada gibt es unzählige poröse Kalkfelsen, und ihre Höhlen werden zunehmend genutzt. Alleine rd. 2.000 liegen halbmondförmig südlich der Stadt Guadix und bilden dort das größte Höhlenviertel Europas. Von Aussichtspunkten her wirkt die durchlöcherte Berglandschaft wie ein Schweizer Käse.
Guadix, aus Höhlen Wohnungen machen. Foto: Ursula Wiegand
Schon immer waren solche Höhlen Zufluchtsorte für Arme und Flüchtende. Nun legen sich auch Bessergestellte gerne eine Höhlenwohnung zu, statten sie gemütlich aus und sparen Heizkosten. Die Raumtemperatur liegt sommers wie winters bei 17-18 Grad Celsius, eine Wohltat an heißen Sommertagen.
Cuevas La Granja. Foto: Ursula Wiegand
In Benalua nahe Guadix übernachten auch wir auf diese Weise und denken beim Blick auf die fröhlich wirkenden „Cuevas La Granja“ gleich an Herrn Hundertwasser. Diese teils riesigen Wohnungen haben sogar Heizung, damit empfindliche Gäste bloß nicht frieren. Heiß sprudelt das Wasser in die Badewanne. Für Strom, Müllabfuhr und Abwasserbeseitigung sorgt die Gemeinde.
La Calahorra, Radler und Burg. Foto: Ursula Wiegand
Angesichts der fragil erscheinenden Höhlenhügel verwundert anderes umso mehr, so die Burg La Calahorra aus dem 16. Jahrhundert. Trutzig thront sie über dem gleichnamigen Dorf, entpuppt sich drinnen aber als Renaissanceperle (Fotografieren
verboten!).
So edel die Ausstattung und so großzügig die Säle – die Gefangenen, insbesondere die Frauen, hatten dort nichts zu lachen. Sie lebten in einem dunklen, schmalen Gang. Wenn sie mal in den Hof durften, suchte sich der Burgherr eine aus. „Widersetzte
sie sich seinen Gelüsten, wurde sie am Turm aufgehängt,“ weiß die Führerin. (Öffnungszeiten mittwochs 10-13 und 16-18 Uhr. Eintritt 3 Euro)
Also raus aus dem Gemäuer und rauf auf die Räder. Nach einigen Proberunden auf dem Marktplatz heißt es, 30 km durchs Land nach Guadix strampeln und sich dabei auch an 17 Gänge gewöhnen.
Guadix, Kathedrale, Westfassade, andalusischer Barock. Foto: Ursula Wiegand
Treffpunkt ist die prächtige Kathedrale. Von 1510-1796 wurde an ihr gebaut, und jeweils im gerade gültigen Stil. Dennoch fügen sich Gotik, Renaissance und Barock zu einer gelungenen Einheit zusammen. Stadtführerin Tanja Yvonne Eberhardt weist auf die
Westfassade: „Die ist eines der schönsten Beispiele für andalusischen Barock,“ schwärmt sie.
An beiden Seiten des Portals stehen „die sieben Apostelmänner“. Einer ist der Stadtpatron St. Torquatus, der hier in römischer Zeit missionierte und Guadix vermutlich zur ersten christlichen Gemeinde Spaniens machte. Im Bürgerkrieg (1936-1939) wurde seine Skulptur zerstört. Die Nachbildung trägt die Gesichtszüge von Papst Johannes Paul II.
Frühere Bahntrasse nach Guadix. Foto: Ursula Wiegand
Guadix lässt sich auch erwandern. Ramón führt uns oberhalb von Benalua auf einem schmalen Pfad durch struppiges Gelände. Auf dem letzten Stück folgen wir der ehemaligen Eisenbahnstrecke. Ein wahres Wildwest-Szenario, und doch legt keiner das Ohr auf die Gleise. In dieser Gegend und unten am Bahnhof wurden tatsächlich Western gedreht, so Teile von „Indiana Jones, „Für ein paar Dollar mehr“ oder „Falkenauge“.
Flamenca Sara Jiménez. Foto: Ursula Wiegand
Doch was wäre Andalusien ohne den Flamenco. Auf dem Land gibt es den ohne Touristen-Tamtam, z.B. am Samstagabend in der früheren Ölmühle Almazara de Paulenca aus dem 18. Jahrhundert. (Vorher nachfragen unter Tel. 958 665 464 oder 629 642 445, www.almazaradepaulenca.com).
Welche Leidenschaft und welches Können werden hier der durchaus sachkundigen Landbevölkerung geboten! Da kommt Stimmung auf. Die Vierer-Gruppe mit der temperamentvoll biegsamen Flamenca (Tänzerin) Sara Jiménez kommt aus Granada. So schließt sich der andalusische Kreis.
Infos beim Spanischen Fremdenverkehrsamt auf Deutsch unter www.spain.info/de.
Wikinger Reisen bietet im Frühjahr und Herbst mehrere geführte und individuelle Rund-, Insider-, Wanderstudien- und Radreisen. Die 15-tägige geführte Wanderstudienreise „Natur und Kultur in Andalusien“ kostet inkl. Flug, Transfers und HP ab 2.095 Euro/Person. – Die 13-tägige geführte Radrundreise „Andalusien – auf den Spuren der Mauren“ gibt es inkl. Flug,
Transfers, Radmiete, Gepäcktransport und HP ab 1.998 Euro.
Getestete Unterkünfte, Preise für Individualreisende: „Villa Touristica de Priego“ oberhalb von Priego de Córdoba. 52 Häuschen, arrangiert als andalusisches Dorf. Häuser für 2 Personen inkl. Frühstück kosten 49 Euro pro Nacht, mit 2 Schlafzimmern 146 Euro. (Komplettpreise für sämtliche Bewohner). Haus mit HP für 2 Personen: 69 Euro (für beide!), Tel. 0034-957 703 503, Mail: priegodecordoba@reddevillas.es,
Internet: www.villasdeandalucia.com
Höhlenwohnungen „Cuevas la Granja“ in Benalua de Guadix, Tel. 0034-958 676 000 und 0034-666 558 030, Mail: info@cuevas.org,
Internet: www.cuevas.org
Wohnung für 1 – 2 Personen 75 Euro, Suite für 2 Personen 100 Euro, Wohnung mit 2 Schlafzimmern und 2 Bädern 135 Euro, jeweils inkl. Frühstück. Gute Küche. 3-Gang-Menü ohne Getränke ab 9 Euro. Verständigung jeweils auf Englisch.
Für eine Alhambra-Besichtigung Tickets vorab im Internet reservieren. Alhambra-Führungen ca. 3 Std. auf Deutsch inkl. Transfer
und Ticket für 35-40 Euro. Genau festgelegte Besichtigungszeiten! Kontakt: Tanja Yvonne Eberhardt, Tel. 0034-958-216100. Im Internet finden sich weitere Anbieter.
Lektüre: Andalusien, handlicher Wanderführer mit 36 detaillierten Touren, Fotos und zahlreichen Karten aus dem Michael Müller Verlag für 14,90 Euro (D). Derselbe Verlag bietet auch einen ausführlichen, 696 Seiten starken Andalusien-Führer für 24,90 Euro (D).
Ursula Wiegand