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Alma Mahler-Werfel zum 60.Todestag – die Femme Fatal, Muse und Verführerin großer Meister!

25.10.2024 | Reflexionen-Festspiele

Alma Mahler-Werfel zum 60.Todestag – die Femme Fatal, Muse und Verführerin großer Meister! Aus Anlass der heute stattfindenden Premiere an der Wiener Volksoper

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Alma Mahler. Foto: Östeeichische Nationalbibliothek

 Kindfrau oder Vamp, mit Schönheit und vielen Talenten gesegnet, zählte sie zu den schillernden Persönlichkeiten der damaligen Gesellschaft. Sie galt als das schönste Mädchen Wiens und Männer lagen ihr zu Füßen, und niemand konnte dieser so geistreichen und künstlerisch vielseitig begabten Frau widerstehen. „Gustav Klimt war als die erste große Liebe in mein Leben gekommen, aber ich war ein ahnungsloses Kind gewesen, ertrunken in Musik und weitfern dem Leben. Je mehr ich an dieser Liebe litt, desto mehr versank ich in meiner eigenen Musik, und so wurde mein Unglück zur Quelle meiner größten Seligkeit“ schrieb die damals 17-jährige Alma in ihr Tagebuch. Zu dieser Zeit erhielt sie bereits Kompositionsunterricht beim blinden Organisten Josef Labor, begeisterte sich für die Musik Schuberts und Schumanns, aber insbesondere für die Werke Wagners. Ihr kompositorisches Schaffen, neben der Vertonung einiger Lieder, baute sie ihre musikalische Begabung jedoch nicht weiters aus, sondern widmete sich eher Persönlichkeiten in der Musik-Kunst-und Literaturszene, deren Muse und weiblicher Mentor sie wurde. Als Zemlinsky einige ihrer Kompositionen sah, meinte er nur lakonisch: „Entweder Sie komponieren oder sie gehen in die Gesellschaften – eines von beiden. Wählen Sie aber lieber das, was Ihnen näher liegt – gehen Sie in Gesellschaften.“ Zemlinskys glasklare Aussage mag sicherlich entscheidend gewesen sein, dass sich die Komponistin und Musikschriftstellerin Alma für die Gesellschaft entschied und die Gefährtin berühmter Männer wurde. Sie verstand es geradezu Männer magisch anzuziehen, wo zwischen ihr und Zemlinsky ein stürmisches Liebesverhältnis entflammte, und man würde meinen, das dieser Komponist und Almas Musiklehrer, obwohl seines hässlichen Äußeren, nicht nur sie ihn liebte, sondern auch er dieser attraktiven Kindfrau total verfallen war. „Ich will dich – mit jedem Atom meines Fühlens“ schreibt Zemlinsky an seine Schülerin, Muse und Geliebte. Ihre Familie und Freunde fanden die Liaison mit dem jüdischen Zemlinsky allerdings höchst unpassend – und auch Zemlinsky hatte bald genug von ihr. „…Hast Du soviel zugeben, so unendlich viel, dass andere Bettler sind?! Du bist sehr schön, und du weißt, wie sehr ich diese Schönheit schätze. Und später, in zwanzig Jahren???“ schrieb er ihr nach einem ersten Zerwürfnis. Alma quälte Zemlinsky noch ein Jahr lang nachdem es zum endgültigen Bruch kommt. Erst 1903 nach Almas Heirat mit Mahler kam es zwischen beiden wieder zu einem regelmäßigen Briefwechsel und zu weiteren Begegnungen.

Jedoch zunächst schien Alma, die Tochter des berühmten Kunstmalers Emil Jakob Schindler und der Hamburger Sängerin Anna von Bergen, sich nach der „affaire passionnée“ mit Zemlinsky, das im damaligen Wien für Aufregung sorgte, sich schnell getröstet zuhaben. Am 7.November 1901 lernt sie im Haus ihrer Freundin Berta Zuckerkandl, verheiratete Szeps, selbst eine Granddame der Gesellschaft, Journalistin, Schriftstellerin und Übersetzerin, den damals gefeierten Dirigenten und Komponisten Gustav Mahler kennen. Außerdem traf sich in den Salons der Szeps eine überaus interessante illustre Gesellschaft, ein Haufen jüdischer Intellektueller, wo man großen Wert auf Kunst und Kultur legte. Zu den regelmäßigen Besuchern zählten unter anderem Egon Fridell, Hugo von Hofmannsthal, Gustav Klimt, Max Reinhardt und Anton Wildgans, um nur einige Persönlichkeiten zu nennen, die Wiens Kultur prägten und in der Öffentlichkeit standen. An diesem Abend des 7.Novembers begegnet Mahler der jungen Schönheit zum ersten Mal, es schien Liebe auf den ersten Blick gewesen zu sein, denn kurz darauf am 28.November macht Mahler Alma einen Heiratsantrag – doch ihre Familie versuchte ihr die Verbindung, mit dem um neunzehn Jahre älteren Mahler auszureden. Auch ging das Gerücht einher, er sei völlig verarmt und unheilbar krank. Außerdem, die jüdische Abstammung des zum Katholizismus konvertierten böhmischen Komponisten war ein weiterer Stolperstein in Bezug dieser Beziehung.

 Dennoch trotz aller Widersprüchlichkeiten und gegen den Willen der Eltern, verlobten sich Alma und Mahler am 23.Dezember und schlossen am 9.März 1902 den Bund der Ehe, wo ihre Trauung in der Wiener Karlskirche stattfand. Sowohl Mahlers Freunde als auch viele aus dem Bekanntenkreis reagierten unverständnislos auf diese Ehe. Er war 41 und sie 22, eine schillernde und gefeierte Schönheit, die an ein glänzendes gesellschaftliches Leben gewöhnt war, im Gegensatz zu Mahler, der eher weltfern und die Einsamkeit liebte, er der lieber durch Natur und Wälder streifte, anstatt am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen.

Gustav Mahler hasste Gesellschaften und legte wert auf einen geregelten Tagesablauf, um seinem Arbeitspensum nachzukommen. Am 2.November 1902 wurde die erste Tochter Maria geboren. Und obwohl der zunächst, zumindest nach außen hin, glücklichen Ehe, fühlte sich Alma nicht besonders wohl in der Rolle als Mutter und Hausfrau. Zu dem Haushalt zählten zwei Dienstmädchen und eine englische Gouvernante, jedoch schien sie sich neben ihren hausfraulichen Pflichten, doch eher zu langweilen und fühlte eine gewisse Leere in sich, das sich aber nach der Geburt der zweiten Tochter Anna Justina (* 15.06.1904) änderte. Doch die Beziehung der zwei gegensätzlichen Partner, wo es immer wieder zu Auseinandersetzungen kam, schien nach und nach zu zerbröckeln. Als sich Alma auch noch auf einen heftigen Flirt mit Mahlers Kollegen Hans Pfitzner einlässt, verstärkt sich der Konflikt immer mehr. Auch die Treffen mit Zemlinsky, obwohl mit Billigung von Mahler, trugen nicht gerade dazu bei die ehelichen Konflikte zulösen. Als im Juli 1907 auch noch die geliebte Tochter Maria mit fünf Jahren an Diphtherie stirbt, verstärkt sich die Kluft zwischen den Eheleuten noch mehr. Mahler selbst verfällt nach dem Tod seines geliebten Kindes in tiefste Depressionen (zu der Zeit entstehen auch die Kindertotenlieder nach Gedichten von Friedrich Rückert), und es gib wohl kaum einen derart erschütternden Beweis dafür, wie Mahler nicht nur in seiner Ehe, sondern auch über den Verlust seines kleinen Mädchens gelitten haben muss.

Dazu kommt seine angeschlagene Gesundheit, wo bei einer Routineuntersuchung bei ihm ein Herzfehler diagnostiziert wird. Auch in der Position als Direktor der Hofoper, wird Mahler aufgrund seines Führungsstils, seitens der Presse immer wieder angegriffen, während er aber an der Metropolitan Opera in New York mit Wagners „Tristan und Isolde“ wahre Triumphe feiert. Ab nun steht Mahler im Mittelpunkt allen kulturellen Geschehens, immer auch von seiner Frau begleitet, doch diese fühlt sich immer mehr isoliert und einsam. Vielleicht auch weil das Augenmerk mehr auf ihren Mann als auf sie gerichtet ist. Nach einer längeren Europatour begibt sich Alma, in Begleitung ihrer kleinen Tochter auf Kur und lebt von ihrem Mann getrennt. Aus Briefen lässt sich erkennen, dass Alma in dieser Zeit sichtlich eine Fehlgeburt erlitt oder eine Abtreibung vornehmen ließ, wo Letzteres vermutlich eher zutrifft.

Nach all den Jahren der Enttäuschung und der Entbehrungen findet sie nun Trost bei dem jungen Architekten Walter Gropius, der als Architekt Jahre später mit dem Bauhaus in die Geschichte eingeht. Zwischen dem jungen Architekten und Alma entwickelt sich ein leidenschaftliches Liebesverhältnis. Doch diese Affäre kommt schnell ans Licht, als Gropius einen Liebesbrief an Alma „irrtümlich“ an Gustav Mahler adressiert. Es kommt zu einem Eklat zwischen Mahler und Alma, und doch scheint sich Mahler nicht dazu zu überwinden sich von seiner Frau zutrennen. Sie führt die Beziehung zu Gropius, zwar heimlich, weiter, währenddessen ihr Mann sich bereits in einer schweren Lebenskrise befindet. Zu der Zeit entstand auch seine 10.Sinfonie, deren Manuskript eine Fülle intimer Eintragungen aufweist. Wie erschütternd doch die Worte: „Du allein weißt, was es bedeutet. Ach! Ach! Ach! Lebe wol mein Saitenspiel! Lebe wol, Leb wol, Leb wol.“ und „Für dich leben! Für dich sterben! Almschi!“. War Mahler dieser Frau so verfallen sodass er nicht von ihr los kommen konnte? Mahler der Verzweiflung nahe, wurde empfohlen Sigmund Freud aufzusuchen, der ihm im August 1910 im holländischen Seebad Leyen empfing. Diese Begegnung dauerte nur vier Stunden und worüber gesprochen wurde ist bis heute eher unklar. Es gibt kaum Dokumente und genauere Analysen. Offenbar gab es nur eine kurze Freudsche analytische Sitzung, wo Freud, nach dem Tod von Mahler, für seine Dienste, an Alma, noch ungeniert eine Rechnung zusandte.  

Obwohl die Ehe nicht gerade sehr harmonisch verlief, so versuchte man zumindest in der Öffentlichkeit sein Gesicht zu bewahren. Alma begleitete ihren Mann weiterhin auf Konzertreisen, wo er auf der letzten USA-Reise bereits schwer erkrankte, und nach der Rückkehr nach Europa, bei Eintreffen in Wien am 12.Mai 1911, sechs Tage später verstarb. Mit knapp einmal 51.Jahren wurde er neben seiner geliebten Tochter Maria Anna, auf dem Grinzinger Friedhof begraben. Eine Ehe die nach neun Jahren durch den Tod Mahlers endete und wo Alma noch voll in der Blüte ihres Lebens stand. Dank der Witwenpension und des Erbes Mahlers wurde Alma eine steinreiche Frau wo sie sich nur allen erdenklichen Luxus leisten konnte.

Schon einige Monate später, im Herbst 1911 hatte sie ein kurzes Verhältnis mit dem Komponisten Franz Schreker. Aber auch Mahlers Arzt in New York, Joseph Fraenkel hatte schon seit langem ein Auge auf die schönste Frau Wiens geworfen, und stand plötzlich vor ihrer Türe und machte ihr einen Heiratsantrag. Alma lehnte den Heiratsantrag dankend ab, und bezeichnete ihn als „armes, kränkliches, ältliches Männlein, das nur mit seiner schweren Darmkrankheit beschäftigt war„. Mehr Aufmerksamkeit brachte sie dem Biologen Paul Kammerer entgegen, der auch ein glühender Verehrer von Mahlers Musik war, und Alma eine Stellung als Assistentin in seinem biologischen Institut im Prater anbot, wo sie mehrere Monate an Experimenten mitarbeitete. Als Kammerer drohte, sich am Grab von Mahler zu erschießen, weil Alma ihn offenbar nicht erhört hatte, beendete sie im Frühjahr 1912 die Beziehung. Auch mit Walter Grobius kam es Dezember 1912 zu einem vorübergehenden Bruch. Überschattet wurde die Beziehung bereits durch Alma Mahlers exzessive Verbindung zu den jungen Oskar Kokoschka, dem Enfant Terrible der Wiener Kunstszene. Im Auftrag von Carl Moll beauftragte er Kokoschka ein Porträt von Alma anzufertigen. Bei einem Abendessen des 12.Aprils verliebte sich Kokoschka in die Witwe: „Wie schön sie war, wie verführerisch hinter ihrem Trauerschleier! Ich war verzaubert von ihr!“ Was für ein Paar – was für eine heftige Leidenschaft, sie liebten, sie reisten, sie lebten miteinander, stritten und vertrugen sich wieder in wilden Liebesnächsten, und dann wieder diese schreckliche Eifersucht, die unberechenbaren Gefühlsausbrüche des so stürmischen Liebhabers; und Alma muss die heftige Leidenschaft ähnlich empfunden haben. In ihrem Tagebuch schreibt sie “ Die drei Jahre mit ihm waren ein Liebeskampf. Niemals zuvor habe ich so viel Hölle, so viel Paradies gekostet.“ Bereits im Juli 1912 war Alma von Kokoschka schwanger und ließ jedoch das Kind im Oktober abtreiben. Kokoschka selbst hatte den Verlust des gemeinsamen Kindes nie verwundet, und zum Thema zahlreiche Zeichnungen angefertigt. Weiters unternahm Kokoschka jede Anstrengung, Alma zur Eheschließung zu überreden. Doch allen Vorahnungen voraus, wusste man bereits das diese Beziehung nicht funktionieren kann. Um sich den weiteren Versuchen Kokoschkas zu entziehen, der sie immer noch zu einer Heirat drängt, unternimmt sie mit ihrer besten Lilly Lieser lange Reisen, und schreibt in ihrem Tagebuch im Mai 1914 das diese Beziehung endlich beendet sei. „…Ich weiß, dass ich durch ihn krank bin – seit Jahren krank – und ich konnte mich nicht losreißen. Jetzt ist der Moment da. Weg mit ihm! – Meine Nerven sind ruiniert – meine Phantasie verdorben. Wer Unhold hat mir den gesandt?“ Sie nimmt wieder Briefkontakt zu Grobius auf und reist im Februar 1915 begleitet von ihrer Freundin Lilly Lieser nach Berlin in der Hoffnung „diesen bürgerlichen Musensohn wieder beizubiegen„. Die Trauung findet schließlich am 18. August in Berlin statt. Gropius war der einzige Mensch, der sich nach Almas Worten „rassisch mit mir messen konnte„. Gleichzeitig kümmerte sie sich um das Erbe Gustav Mahlers. Am 15. Oktober 1916 gebar sie eine weitere Tochter die der ganze Stolz der Familie Gropius war. Die Taufe der kleinen Manon Alma Anna Justine Caroline Gropius fand am Weihnachtsfest 1916 in Wien statt. Walter Gropius schenkte seiner Frau zu diesem Anlass das Gemälde „Sommernacht am Strand“ des Expressionisten Edvard Munch, das sich jetzt nach jahrzehntelangen Streitigkeiten seit 2006 nun wieder im Familienbesitz der Enkeltochter des Mahlerclans befindet.

Während dieser Zeit, zeitweise auch in Begleitung von Grobius, herrschte in Almas Salon in der Elisabethstraße in Wien während des 1.Weltkriegs ein reges gesellschaftliches Treiben. Komponisten, Schriftsteller, Maler, Dirigenten, Schauspieler und Wissenschaftler gaben sich gegenseitig die Türklinke in die Hand. An einem dieser Gesellschaftsabende lernte Alma im November 1917 den erst 27-jährigen Franz Werfel kennen. Sie fand Werfel zunächst physisch wenig attraktiv, und störte sich daran, dass er Jude war: „Werfel ist ein O-beiniger, fetter Jude mit wulstigen Lippen und schwimmenden Schlitzaugen! Aber er gewinnt, je mehr er sich gibt.“ Anders als bei Grobius der sich für Musik wenig interessierte, teilte Werfel aber Almas Interesse an Musik. Er besuchte sie in den folgenden Wochen häufiger, um gemeinsam mit ihr zumusizieren. Doch es blieb nicht allein beim Musizieren – Alma wurde Werfels Muse und Geliebte. Noch während ihrer Ehe mit Grobius wurde Alma Anfang 1918 von Werfel schwanger, das Baby kam frühzeitig zur Welt, da Werfel seine unersättliche Gier nach Sex nicht beherrschen konnte, und nach einem wahren Blutbad ihr sozusagen das Baby aus dem Leib stieß. Es war ein Junge, der an einer Gehirnwassersucht litt und zehn Monate später war er tot. Eine Folge von Werfels „verkommenem Samen“ so wie es Alma später ausdrückte. Gropius der zufällig Zeuge eines Telefonats zwischen seiner Frau und Werfel war, musste erkennen, dass das Kind nicht von ihm war, das natürlich dementsprechende Konsequenzen nach sich zog. Am 11. Oktober 1920 wurde die Ehe geschieden. Streitpunkt war lange Zeit zwischen beiden Ehepartnern das Sorgerecht für die gemeinsame Tochter Manon. Nüchtern konstatiert Grobius in einem Brief an seine Noch-Ehefrau den er am 18.Juli 1919 schrieb: „Unsere Ehe war niemals eine Ehe. Die Frau fehlte in ihr. Eine kurze Zeit warst Du mir herrliche Geliebte und dann gingst Du fort, ohne die Krankheit einer Kriegsverdorrung mit Liebe und Milde und Vertrauen überdauern können – das wäre eine Ehe gewesen.“

Also wer war sie dann überhaupt, wenn in ihr die getreue Gattin fehlte, sie die ihre Männer reihenweise betrog – doch eher eine eiskalte Femme Fatal die mit den Gefühlen der Männer spielte? Noch während des Scheidungsprozesses, wo Gropius die Schuld auf sich nahm, um seine Noch-Ehefrau nicht zu kompromittieren, war die Beziehung in Wiener Künstlerkreisen zwischen Werfel und Alma bereits schon bekannt, denn immerhin lebten sie seit 1919 zusammen. Doch allgemein öffentlich wurde die Beziehung erst offiziell durch Max Reinhardt, der Werfel nach Berlin einlud, um dort Mitte April 1920 aus seiner neuen Vers-Trilogie „Spiegelmensch“ vorzulesen, was natürlich für Werfel eine besondere Ehre war. In Begleitung Almas die nicht von seiner Seite wich – die gesellschaftliche Situation war perfekt! Alma Mahler und Franz Werfel heirateten erst neun Jahre später, obwohl bereits in den zwanziger Jahren auch in dieser Beziehung immer wieder massive Krisen aufgetreten sind. Am 22.Jänner 1924 schreibt Alma in ihrem Tagebuch: „Ich liebe ihn nicht mehr. Mein Leben hängt innerlich nicht mehr mit dem seinem zusammen. Er ist zusammengeschrumpft zu dem kleinen hässlichen, verfetteten Juden des erstens Eindrucks.“ Beide lebten am Schluss Jahre lang getrennt. Sie ignorierte vor allem Werfels Familie, reiste oft nach Venedig, während Werfel viel Zeit auf dem Semmering oder in Santa Margerita Ligure in der Provinz Genua verbrachte, um dort an seinen Romanen weiterzuarbeiten. Werfel, hingegen zu seiner Frau hasste allen Pomp, und fühlte sich in der Villa, die Alma 1931 in Wiens Nobelviertel Hohe Warte gekauft hatte, offenbar nicht wohl.

Als weiteres, trugen auch Almas antisemitische Anschauungen, und unterschiedlich politische Meinungen zu einem Zerwürfnis bei. In dem Klima zunehmender politischer Radikalisierung, verstärkte sich, der bei Alma Mahlers vorhandene Antisemitismus immer mehr, wo sie den deutschen Nationalsozialisten positiv gegenüberstand. Insbesondere rühmte sich Alma damit, dass ihre Tochter Manon Gropius, die 1935 im Alter von 18.Jahren an Kinderlähmung verstarb, das allein ihre Schönheit und Anmut, darauf zurückzuführen sei, da dieses Kind mit einem „Arier“ gezeugt wurde. Hingegen sich Claire Goll, einer deutsch-französischen Schriftstellerin, einmal verächtlich gegenüber äußerte: „dass ihre anderen Kinder nur Mischlinge seien„.

Die Villa auf der Hohen Warte wo Manon gestorben war, nannte Alma ab nun „Das Unglückshaus“ und auch die Eskapaden ihres Mannes wegen seines hohen Alkoholkonsums wurden für sie immer unerträglicher. Sie spielt mit dem Gedanken die Villa zu verkaufen oder zu vermieten.

Am 12.Juni 1937 gibt sie ein Abschiedsessen in der Villa mit den 20.Räumen, bei der erneut ein großer Teil der Wiener Gesellschaft und der Kulturszene anwesend waren. Unter den Gästen befanden sich neben Bruno Walter, auch Almas ehemaliger Geliebter Alexander Zemlinsky, Künstler wie Ida Roland, Carl Zuckmayer, Ödön von Horváth, Siegfried Trebitsch, Karl Schönherr und Franz Theodor Csokor.

Obwohl die Beziehung zwischen Alma und Werfel bereits zerrüttet war, so unternahmen sie jedoch gemeinsam eine Reise, zunächst nach Mailand, Neapel und auf die Insel Capri. Dort erfuhren sie dann, dass der Bundeskanzler Kurt von Schuschnigg am 12.Februar 1938 mit Nazideutschland das sogenannte Berchtesgadener Abkommen unterzeichnet hatte – dass das Ende Österreichs als selbstständigen Staat einleitete. Inkognito reist Alma Mahler-Werfel, ohne ihren Mann, nach Wien um dort alle Bankkonten aufzulösen, wo sie das Geld durch ihre langjährige Vertraute Ida Gehbauer in einem Geldgürtel in die Schweiz schmuggeln lässt. Am 12.März 1938 als Österreich sich dem deutschen Reich angeschlossen hatte, verabschiedet sich Alma von ihrer Mutter, und nimmt ihre Tochter, die als Halbjüdin nun bedroht war, zunächst über Prag und Budapest, nach Mailand mit, wo ihr Mann sie bereits erwartete. 

Auch wenn zu diesem Zeitpunkt Alma bereits eine Scheidung in Erwägung zieht, so entschließt sie sich jedoch mit ihrem Mann im südfranzösischen Fischerdorf Sanary-sur-Mer in der Nähe von Marseille niederzulassen, wo sich bis 1940 viele Emigranten Bertold Brecht, Ludwig Marcuse, Thomas und Heinrich Mann, Lion Feuchtwanger und Ernst Bloch aufhielten. Warum Alma, obwohl der seit langem zerrütteten Ehe, ihrem jüdischen Ehemann ins Exil folgte, gibt weitere Rätsel auf. Vermutlich lag es wohl eher daran, dass sie nicht nur Angst vor einem bereits bevorstehenden Krieg in Europa hatte, sondern wo die mittlerweile 60-jährige, deren Schönheit inzwischen verblasst war, auch Angst vor der Einsamkeit hatte.

Als die Wehrmacht bereits Paris besetzt hatte, das Ehepaar aber kein Visum für die USA besaß, so musste man zunächst in den Wallfahrtsort Lourdes fünf Wochen warten, um eine Reisegenehmigung nach Marseille zubekommen. In Marseille angekommen, trafen sie mit Heinrich, Nelly und Golo Mann zusammen, mit denen sie in einem stundenlangen Marsch zu Fuß die Pyrenäen überquerten. Der amerikanische Journalist Varian Fry von Emergency Rescue Committee organisierte den heimlichen Übertritt nach Spanien und die Weiterfahrt nach Madrid, wobei Alma couragiert die Gruppe anführte. „Franz wäre ohne sie einfach liegen geblieben und zu Grunde gegangen“ beschrieb Carl Zuckmayer später ihren Heroismus.

Von Madrid gelangten die Flüchtenden per Flugzeug weiter nach Lissabon, und von dort mit der „Nea Hellas“ in die rettende Freiheit.

Endlich am 13.Oktober 1940 kamen sie in New York an. „Die Ankunft im New Yorker Hafen ist wie immer ein grandioses Erlebnis. „Wir wurden von einer großen Menge von Freunden am Pier erwartet, alle hatten Tränen in den Augen und wir nicht minder“ notiert Alma in ihrem Tagebuch. Das Ehepaar Werfel lässt sich in Los Angeles nieder, wo zahlreiche Emigranten wie Thomas Mann, Alfred Döblin, Arnold Schönberg und Erich Wolfgang Korngold, auch hier willkommene Gäste der Werfels sind, wo Almas Salon, so wie in Wien florierte, und wo sich selbst Hollywoodgrößen gegenseitig die Türklinke in die Hand gaben. Alma stand wieder im Mittelpunkt allen Geschehens und Intrigen, wo vieles hinter verschlossenen Türen aber auch anderes an die Öffentlichkeit drang.

Die finanziellen Mittel waren ausreichend, um sich zunächst in einem Villenviertel oberhalb der Stadt niederzulassen. Werfel arbeitete, nach zahlreichen erfolgreichen Veröffentlichungen, inzwischen an einem neuen Roman „Das Lied von Bernadette“ der zu einem US-Besteller, und von dem innerhalb weniger Monate 400 000 Exemplare verkauft wurden. Kurz darauf sich Twentieth Century Fox die Filmrechte erwarb und wo der Stoff in Hollywood verfilmt und 1943 mit dem Oscar ausgezeichnet wurde. Die mit Werfels schriftstellerischem Erfolg einhergehende Verbesserung der finanziellen Lage, ermöglichte es dem Paar, nun noch eine komfortablere Villa in Beverly Hills zu erwerben, wo später Bruno Walter ihr Nachbar wurde. Unweit der neuen Villa lebten auch Friedrich Torberg, Ernst Deutsch, ein Jugendfreund Werfels, und das Ehepaar Schönberg und Feuchtwanger.

Zur Arbeit zog sich Werfel oft nach Santa Barbara zurück, eine räumliche Trennung, die es dem Paar ermöglichte, trotz größter Differenzen immer wieder zueinander zufinden und die Beziehung 25.Jahre stabil zu halten. Doch im Grunde genommen war es nur noch eine Ehe die auf dem Papier bestand.

In der Nacht des 13.September 1943 erlitt Franz Werfel einen schweren Herzinfarkt, von dem er sich in der ersten Jahreshälfte 1944 nur langsam erholte. 1945 vollendete Werfel gerade seinen utopischen Roman „Stern der Ungeborenen“, als sich sein Gesundheitszustand dramatisch verschlechterte. Am 26.August 1945 stirbt Franz Werfel an einen Herzinfarkt. Bei der Trauerfeier am 29.August übernahmen Bruno Walter und Sängerin Lotte Lehmann die musikalische Gestaltung. Die Trauerrede hielt Pater Georg Moenius, der in seiner Rede sehr genau auf die Taufriten der katholischen Kirche einging, was zu Spekulationen geführt hatte, dass Alma an Werfel noch nach seinem Tod die Nottaufe habe vollziehen lassen. Alma selbst nahm an der Beisetzung ihres Mannes nicht teil, dass nicht nur Rätsel, sondern auch weitere Spekulationen in den Raum stellen.

Werfel hinterließ seiner Frau nicht nur einen umfangreichen Nachlass sondern auch ein beträchtliches Vermögen, wo sie ihr bisheriges Luxusleben ungestört weiterführen konnte, aber aufgrund der immer mehr zunehmenden Vereinsamung dem Alkohol verfiel. Nun „Geld macht nicht glücklich“ sagt ein altbewährtes Sprichwort und in diesem Fall traf es auch auf Alma zu. Die Frau die einst als schönste Frau Wiens galt, der die Männer zu Füßen lagen, einige die ihr total verfallen waren, ließen sie immer mehr verwelken, und zu einer älteren, beleibten und majestätisch dahin schreitenden Matrone werden. „Um ihre welkenden Reize aufzufrischen, trug sie gigantische Hüte mit Straußenfedern; man wusste nicht, ob sie als Trauerpferd vor einem Leichenwagen oder als neuer d‘ Artagnan aufzutreten wünschte. „Dazu war sie gepudert, geschminkt, parfümiert und volltrunken. Diese aufgequollene Walküre trank wie ein Loch“ schrieb boshaft Claire Goll über sie.

Alma, die Femme Fatale, die Verführung allen Weiblichen, ein strahlender Stern in der damaligen High Society, Geliebte und Frau berühmter Musiker und Schriftsteller – was für ein tragisches Ende. Ihre alte Heimatstadt Wien besuchte Alma Mahler-Werfel noch einmal kurz im Jahre 1947. Ihre Mutter war im Herbst 1938 gestorben. Ihr Stiefvater Carl Moll, Ihre Halbschwester Maria und Richard Eberstaller, die beide langjährige NSDAP – Mitglieder gewesen waren, hatten im April 1945 Selbstmord begangen. Bei Almas Besuch ging es in erster Linie um Vermögensfragen. Mit dem österreichischen Staat verwickelte sie sich in gerichtliche Auseinandersetzungen um Edvard Munchs Gemälde „Sommernacht am Strand“, wo Carl Moll nach Alma Mahler – Werfels Emigration 1940 in die USA, das Gemälde an die österreichische Galerie Belvedere verkauft hatte. Alma verlor zunächst den Prozess, weil sie nicht eindeutig belegen konnte, dass ihr Stiefvater dies ohne ihr Einverständnis getan hatte. Ein jahrlanger Rechtsstreit entstand zwischen der Kommission des Belvedere, deren Beirat sich weigerte, dass Gemälde an den eigentlicher Eigentümer auszufolgen. Erst 2007 gelangte das Munch Gemälde endlich in den Besitz von Enkeltochter Alma-Mahler-Werfel. 

1951 übersiedelte Alma Mahler-Werfel nach New York, wo sie vier kleine Eigentumswohnungen in einem Haus an der Upper East Side erworben hatte. Sie selbst lebte in der dritten Etage und nutzte eine Wohnung als Wohnraum, die zweite als Schlafraum. Die in der Etage darüber liegenden zwei Wohnungen wurden von August Hess, dem ehemaligen Kammerdiener von Werfel, und ihren Gästen genutzt. Seit längerer Zeit arbeitete sie bereits an einer Autografie die sich auf ihre Tagebücher bezogen. Als Ghostwriter unterstützt sie zuerst Paul Fischer, mit dem sie sich aber 1947 bereits zerstritten hatte, als er ihre zahlreichen antisemitischen Ausfälle monierte. In den 1950er-Jahren arbeitete sie mit E. B. Ashton zusammen. Auch er sah wegen ihrer antisemitischen Äußerungen und den Angriffen auf zahlreiche noch lebende Personen die Notwendigkeit, ihre Tagebücher zu zensieren. 1958 erschien in englischer Sprache „And the brigde is love“. Die Reaktionen auf diese englische Ausgabe waren verhalten. Verärgert reagierte vor allem Walter Grobius, der auf die Darstellung ihrer früheren Liebesbeziehung verletzt reagierte. Paul Zsolnay, machte Alma Mahler-Werfel deutlich, dass eine deutschsprachige Ausgabe, über die bereits nachgedacht wurde, nicht ohne weitgehende Veränderung veröffentlicht werden sollte. Neben Willy Haas der mit der Aufgabe betreut, hatten auch bereits andere Ghostwriter Alma Mahler-Werfel nahe gelegt, ihre rassenpolitischen Äußerungen doch zu streichen. „Lasse bitte die die ganze Judenfrage in der Versenkung verschwinden“ schrieb Willy Haas. Die deutsprachige Biografie „Mein Leben“ fand keineswegs die von ihr erwartete positive Aufnahme. Das Buch galt als „schlüpfrig“, zweideutig, widersprüchlich und reizte in seiner ich-bezogenen Darstellungsweise zur Karikatur. Langjährige Wegbegleiter wie Zuckmayer und Thomas Mann hatten sich bereits nach der Veröffentlichung der englischen Version von ihr zurückgezogen.

Interessant ist auch das Interview von Alma Mahler-Werfels Tochter Anna Justine Mahler, die selbst als Künstlerin und Bildhauerin tätig war, 1988 in London verstorben, und wo sie sich über das unstete Leben ihrer Mutter ausspricht. Laut ihrer Aussage hat sie ihre Männer zu Sklaven gemacht wo ihr jeder untertan und hörig war, wenn wir hier allein an das Schicksal Gustav Mahlers denken. Es ist schwer zu beurteilen, ob „Schönheit ihr Schicksal“ war, und ob sie deshalb zur Begierde und zu einem Opfer wurde. Opfer waren vielleicht eher diejenigen die ihr verfielen, ihr sogar sexuell hörig waren, über die sie dominierte und darüber bestimmte wo es lang ging.

Was war jedoch so einzigartig an dieser Frau dass so viele Kulturschaffende von dieser Persönlichkeit fasziniert waren? Friedrich Torbergs Nachruf gibt Aufschluss darüber: „Wenn sie von jemanden Talent überzeugt war ,ließ sie für dessen Inhaber – mit einer oft an Brutalität grenzenden Energie – gar keinen Weg mehr offen als den der Erfüllung. Dazu war er dann sich und ihr und der Welt gegenüber verpflichtet, und sie empfand es als persönlichen Affront, wenn sie eine von ihr erkannte oder gar geförderte Begabung nicht allgemein anerkannt wurde(…)Ihre Hingabe, ihre Aufopferungsfähigkeit kannte keine Grenzen und musste schon deshalb faszinierend und aneifernd wirken, weil sie nichts von kritikloser Vergötterung an sich hatte, weil ihre Urteilskraft sich durch nichts vernebeln ließ. Daran lag es wohl auch, warum so viele schöpferische Männer an ihr hängen blieben. Hier setzte ihre eigene Produktivität sich fort und um (…) Sie hatte eine Art, zu arrangieren und dirigieren, die ihr mit geometrischer Zwangläufigkeit den Mittelpunkt zuwies, und alle waren dessen froh: denn dieser Mittelpunkt stand fest und setzte die andern in Szene, nicht sich.“ Unumstritten war Alma Mahler-Werfel eine der schillernden Persönlichkeiten ihrer Zeit, sie die Geschichte schrieb und um deren Leben sich viele Gerüchte ranken. Wer war sie wirklich und wie sah es im innern ihres Herzens aus? Das werden wir wohl nie erfahren weil wir nur ihre Überlieferungen kennen. Wäre es nicht auch interessant gewesen diese Frau persönlich gekannt zuhaben?

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Copyright: Österreichische Nationalbibliothek

Alma Mahler-Werfel starb am 11.Dezember 1964 im Alter von 85 Jahren in ihrem New Yorker Appartement. Die erste Trauerfeier fand zwei Tage später statt. Soma Morgenstern hielt die Trauerrede. Beigesetzt wurde sie allerdings erst am 8.Februar 1965 neben dem Grab ihrer Tochter Manon auf dem Grinzinger Friedhof in Wien. Ihre Biografien berufen sich eher auf ihre Ehen und Liebesaffären. Eine Mischung aus Anziehung, Bewunderung und Abneigung, die sie bei vielen auslöste, jenes auch in einem Gedicht zum Ausdruck kommt, das der Liedermacher und Satiriker Tom Lehrer spontan nach ihrem Ableben schrieb und veröffentlichte. Dieses Video ist jederzeit unter Youtube abzurufen.

Als weiterer Schwerpunkt, findet im Rahmen ihres 60.Todestags, eine Uraufführung am 26.Oktober 2024 an der Wiener Volksoper statt. Wo hier eher das Thema behandelt wird: Was passiert, wenn eine Frau gezwungen wird, ihr Potenzial als Komponistin aufzugeben? In der Uraufführung widmet sich die israelische Komponistin Ella Milch – Sheriff einer außergewöhnlichen Persönlichkeit, dass sicherlich auch in diesem neuen Werk, einige Fragen in den Raum stellen wird, ob eine außergewöhnlich, musikalische Begabung, wie sie Alma Mahler-Werfel als Komponistin besaß, überhaupt ausreichend war, um  international erfolgreich zu werden? Somal zu dieser Zeit und auch heute immer noch eine Männerdomäne in diesem Genre regiert. Anhand meiner Recherchen, war zu beobachten, dass Alma Mahler-Werfel nicht dazu gezwungen wurde ihre musikalische Arbeit als Komponistin aufzugeben – sie tat es freiwillig; dafür sich aber mehr für die Begabung anderer Künstler einsetzte, indem sie sie voll unterstützte und förderte.

Vielleicht bekommen wir in dieser Uraufführung „Alma“ auf viele Fragen eine Antwort darauf, in der Regie von Ruth Brauer-Kvan und unter der musikalischen Leitung von Omer Meir Wellber. Wie gesagt auf diese Uraufführung kann man jetzt schon gespannt sein.

Manuela Miebach

 

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