Ab 4. April 2014 in den österreichischen Kinos
A LONG WAY DOWN
GB / 2014
Regie: Pascal Chaumeil
Mit: Pierce Brosnan, Toni Collette, Imogen Poots, Aaron Paul, Sam Neill, Rosamund Pike u.a.
Die Romane von Nick Hornby sind immer Geschmacksfrage, man muss Sinn für ihre geistige Schräglage haben, sonst fängt man wenig damit an. Grundsätzlich macht er sich über alles lustig, und oft lacht man erleichtert – wie bei „A Long Way Down“, wo er ja am Ende nur die allerkitschigste, wenn auch möglicherweise stimmende Weisheit verkündet, dass Menschen, die einsam und verzweifelt sind – bis zum Selbstmord -, nur andere Menschen brauchen, um wieder in die Spur zu finden. In Amerika nennt man das „eine Dosis TLC“ – Tender Loving Care.
Tatsächlich sind alle Klischeefiguren: der einst berühmte Fernsehmoderator, der über die Affäre mit einer Minderjährigen gestolpert ist und alles verloren hat, beruflich und privat; die Mutter eines schwerst behinderten erwachsenen Sohnes, der rund um die Uhr Pflege verlangt; das wohlstandsverwahrloste Politiker-Töchterchen, das nichts mit sich anzufangen weiß und seiner Umwelt mit größtmöglicher Aggression begegnet; schließlich der junge Mann namens J.J., über den (und dessen verpfuschtes Leben) man am wenigsten Konkretes erfährt.
Martin Sharp, der Ex-Star, ist auch der erste Ich-Erzähler der Geschichte (nach und nach kommen alle zu Wort), und ganz schnell begegnet man ihm am Dach jenes Londoner Hochhauses, das bei Selbstmördern hoch im Kurs steht, dem Topper‘s Tower. So sehr, dass in der Silvesternacht (der populärste Termin, um Schluss zu machen) gleich noch drei hinter ihm kommen, die sich quasi anstellen. Aber, wie das schon so ist, wenn man reden kann und andere einem zuhören, ist das Bedürfnis, Schluß zu machen, gleich nicht mehr so virulent. Es ist amüsant, wie aus den vier völlig verschiedenen Personen, jeder auf seine Art ein wenig verrückt, eine Schicksalsgemeinschaft wird…
Wie gesagt, der Roman und auch der durchaus locker, amüsant, ironisch bis zynisch inszenierte Film von Pascal Chaumeil ist an Klischees reich: Etwa, wenn die Vier, die ihren Selbstmord erst einmal bis zum Valentinstag aufschieben, in die Medien geraten. Köstlich eine Talk-Show, in der Martin von seiner ehemaligen Kollegin (Rosamund Pike als süßelndes Biest) gegrillt wird. Witzig, wenn sie gemeinsam in den Urlaub fahren. Billig auf der Hand liegend, wenn sie einander bei ihren Kümmernissen helfen (natürlich muss es eine halbe Katastrophe mit dem behinderten Sohn geben). Und dass am Ende jeder sein Glück findet, ist natürlich auch Kino…
Aber was soll’s, wenn es so köstlich gespielt wird? Pierce Brosnan altert langsam und elegant, hat seine britische Tenue und Überlegenheit und kann mehr als nur den James Bond. Toni Collette setzt ihre eigentümliche Hässlichkeit stets mit optimalem Effekt ein. Imogen Poots als lebende Provokation (als ihr Vater ist Sam Neill echt bedauernswert) und Aaron Paul als wahres Enigma fangen den Zuschauer letztlich auch ein.
So hintergründig, wie gerne behauptet wird, ist die Geschichte nicht. Aber als Unterhaltungsfilm mit Niveau besetzt er bestens einen heute im Kino gar nicht mehr so oft bedienten Sektor.
Renate Wagner