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DVD/Blu-ray JACQUES OFFENBACH: ORPHÉE AUX ENFERS – Filmmitschnitt der Barrie Kosky Inszenierung der Salzburger Festspiele 2019; UNITEL

Tirili Tirila – Üblicher Travestie-Klamauk aus Koskys schriller Regiefabrik, diesmal zum 200. Geburtstag von Offenbach

28.08.2020 | dvd

DVD/Blu-ray JACQUES OFFENBACH: ORPHÉE AUX ENFERS – Filmmitschnitt der Barrie Kosky Inszenierung der Salzburger Festspiele 2019; UNITEL

Tirili Tirila – Üblicher Travestie-Klamauk aus Koskys schriller Regiefabrik, diesmal zum 200. Geburtstag von Offenbach

Was für ein Gegensatz der Stile: Im Orchestergraben spielen die Wiener Philharmoniker Offenbachs Musik biedermeierlich schön und glattgerührt, auf der Bühne gibt es den üblichen – zugegeben flotten – Kosky-Komödiantenstadl mit kreischenden Ballerinos, einer Eurydike als stramm geschnürter strenger Herrin und grell-eitlem Stylingtrash von Life Ball Format. Natürlich weiß der quirlige Regisseur sein Konzept in andere Worte zu kleiden. Von „einer unglaubliche Kombination von Nonsens, Surrealismus und Fantasy“ ist da die Rede.

Offenbachs genialer Frühwurf legt das Hauptaugenmerk auf eine überkandidelte Eurydike, der das ewige Gefiedel ihres langmähnigen Künstlergenies und Göttergatten Orpheus stark ans Gemüt geht. Köstlich ist natürlich die durchaus böse Deutung der Götter als Pendants für vom eigenen Ego besoffene Vertreter der damaligen französischen Elite und ihre Auswüchse im Sinne eines ziemlich verbogenen und gesprungenen Zerrspiegels einer lustvoll dekadenten Gesellschaft. Die Unterwelt ist hier natürlich nicht ein Ort der Qualen und der Läuterung, sondern ein frivoler Night Club.

Das Beste an dem Abend ist der Schauspieler Max Hopp in der Rolle des John Styx. Umwerfend und komisch, wie Hopp ganz cool nicht nur alle Dialoge in deutscher Sprache mit eigener „Schnauze“ für jede Figur übernimmt (gesungen wird französisch), sondern auch die Bewegungen der Protagonisten lautmalerisch imitiert. Das ploppt, knirscht, knackt und kracht, dass es eine Freude ist.

Bühnenbildner Rufus Didwiszus startet wieder einmal mit einem geschlossenen bürgerlichen Salon/Schlafzimmer, den er gemäß den Vorgaben des Regisseurs geschickt und kurzweilig abwandelt im Sinne eines optischen Mischmaschs aus 19. Jahrhundert bis heute als ,zeitgemäße‘ Umsetzung eines „Traumbilds der Welt des Jacques Offenbach“. Das heißt fader Olymp, unterhaltsame Unterwelt.

Bei der Besetzung herrscht stimmliches Mittelmaß, mimisch ergeben alle Mitwirkenden ein Ensemble von bestens angeleiteten schrägen Typen und Exzentrikern. Anne Sophie von Otter darf als ‚Öffentliche Meinung‘ auf Schwedisch parlieren. Den die Musik in Harmonie verharmlosenden Wiener Philharmonikern unter Enrique Mazzola wiederum fehlt es an klanglich satirischer Schärfe und einer hier durchaus angebrachten Überzeichnung samt entsprechenden Akzenten.

Aber es gilt auch fair zu sein: Es gibt auch selbst für diejenigen, die in den letzten 10 Jahren  alles an der Komischen Oper Berlin gesehen haben, wirklich lustige und situativ sehr gelungene Szenen wie etwa das Bienenballett (Choreographie wie immer Otto Pichler).

Fazit: „Aber so steht das doch gar nicht in der Vorlage!“, raunzt selbst Eurydike. Wurscht! Wer hemmungslose Operette und Parodie à la Komische Oper Berlin halt noch im zigsten Aufguss liebt, wird auch hier garantiert auf seine/ihre Kosten kommen. Die filmische Qualität ist einwandfrei.

Dr. Ingobert Waltenberger

 

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