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Tim Theo Tinn‘s Einlassungen:  S. Morabito „Trash-Konsens “ oder TTT „Surreal – über der Realität“? TEIL 3 (es erscheinen drei Teile an drei aufeinander folgenden Tagen)

15.11.2020 | REVIEWS

TEIL 3

Tim Theo Tinn‘s Einlassungen:  S. Morabito „Trash-Konsens “ oder TTT „Surreal – über der Realität“?

TEIL 3 (es erscheinen drei Teile an drei aufeinander folgenden Tagen)

Che tempi sono passati? Welche Zeiten sind vorbei?

Vortrag S. Morabito v. September d.J.: Welche Ordnung der Dinge?- Zum Repertoire der Opernbühnen des 17. und 18. Jahrhunderts, https://onlinemerker.com/welche-ordnung-der-dinge-zum-repertoire-der-opernbuehnen-des-17-und-18-jahrhunderts-i-mailwechsel-sergio-morabito-thomas-prochazka/

TTT’s Gegenwurf: „Plädoyer zur Kraft surrealer Inszenierungen“, erscheint in rd. 60 Auszügen aus Publikationen der letzten Jahre in loser Folge im OnlineMerker.


Die sieben Todsünden-Otto-Dix-1933 als Theateradaption möglich für assoziative Einblendung z. B. Freischütz, (Wolfschlucht) Traviata (Alfredo: Mille serpi divoranmi il petto“= Tausend Schlangen verschlingen meine Brust)

Zum Dramaturgen-/Inszenatoren-Handwerk gehörten einmal zur „analytischen Verbindlichkeit“ „Konflikt-Szenogramme“. Diese Arbeit verlangt die detaillierte Partitur-/Libretto-Analyse und muss zur Auflistung sämtlicher dem Stück innewohnenden „dramatischen Konflikte“ führen. Diese müssen dann aus dem historischen in zeitgemäßen Kontext transformiert werden. Schon ist man in der Werkimmanenz und kann daraus die weiteren z. B. surrealen Ingredienzen kreieren. Werkimmanente Sichtung heißt: dramatische Strukturen in Handlung, Textentsprechung gem. Vorlage und schlüssiger Wahrhaftigkeit bleiben ohne Purismus erhalten.

Es gibt kein nennenswertes Stück, in dem diese Arbeit keine überbordenden Ergebnisse bringt. Die Behauptung fehlenden Gegenwartsbezugs impliziert also, dass Konflikte aus historischen Zeiten heute nicht existieren? Entscheiden Sie selbst aus einer unvollständigen Analyse der 154 Jahre alten „Verkauften Braut“ von Smetana:

Reiche Oberschicht-Eltern wollen für zurückgebliebenen stotternden Sohn eine Braut besorgen. Dazu wird ein Heiratsvermittler (Kuppler) eingespannt.

Deshalb verfügt ein Unterschicht-Vater (Prekariat) aus pekuniären Gründen die Zwangsehe der Tochter mit eben diesem stotternden Dorfdepp.

Tochters Liebhaber verkauft sein Eheversprechen auch noch an den schlitzohrigen Kuppler, nutzt dazu kriminellen Identitätsschwindel.

Also: die Braut wird mehrfach verkauft. 3 Chauvis (Vater, Liebhaber, Kuppler) wollen damit Kasse machen. Der Zukünftige, etwas Behinderte wird ebenso zu Eheschließung beordert.

Dann trickst auch die 3fach zur geldwerten femininen Ware degradierte Braut (Gegenwert 3maligen Geldflusses) den Dorftrottel-Zukünftigen aus. Usw.

Möglichkeiten umsetzbarer Themen gem. Libretto:
Chauvinismus, Bosheit, Schadenfreude, Gewalt, Ware Frau (ist das noch „me too“?) Zwangsehe und verbotene Kuppelei (s. Kinderehen in Deutschland)

Kezal und Hans: Menschen mit schlechtmöglichstem Ruf: s. Politiker, Versicherungsverkäufer, Gebrauchtwarenhändler (war der Rezensent auch schon alles)

Klassengesellschaft Oberschicht und Prekariat, bigotte Elternschaft Gesellschaftskritik zu Geld, Macht, Gier, Liebe und Moral (s. auch „Kluge“ v. Orff: Zeitkritik 1942 „…wer die Macht hat, hat das Recht, und wer das Recht hat, beugt es auch, denn über allem herrscht Gewalt.“)

Erotische Ambitionen eines Behinderten in veralberter Darstellung

Karikatur Politik: Wiedereinsteiger F. Merz in leitender Position bei kriminalitätsbehaftetem Aktienhändler (Cum Ex) macht auf politischer Bühne Werbung zum Aktienkauf als sichere Anlage für Jedermann s. https://www.zeit.de/wirtschaft/2018-10/friedrich-merz-blackrock-aufsichtsrat-lobbyist-cum-ex

Davon fast unbelecktes dramaturgisches Ergebnis vieler Inszenierungen: quietschfideler, eitler Sonnenschein, Happyend-Syndrom: alles wird immer gut und besser, Elend, Übel, Gauner gibt es nicht gem. Wertekanon höfischen Theaters. Es bleibt rohe unbeholfene Drolerie. Soll das der Wertekanon eines Theaters sein, das Systemrelevanz beansprucht?  Lebenselixier aus Kulturgeschichte und Naturgesetzen?

Zitat: „Die Spannung zwischen einer zugrunde gelegten historisch-kritischen Partituredition einerseits und einer szenischen Neufindung andererseits, die heute anspruchsvolle Opernaufführungen charakterisiert, ist daher kein Widersinn.“

Das entsprich nicht TTT’s Kenntnis-, Deutungs-, Empfindungsrahmen anspruchsvoller Opernaufführungen. Auch das kann natürlich nicht pauschal gelten, angefangen beim Chéreau-Ring gibt es in jeder Stilistik auch immer Großartiges. Einige Exegeten befeuern diese „anspruchsvoll“ – Definition aber pauschal und unreflektiert.

Dabei sind gewachsene Selbstbestätigungsfilter wesentlich: akademisch formuliert hat man „revolvierende Autogamie“ als geschlossene Systeme eingerichtet = rückdrehende Selbstbefruchtung. Vulgo: da lügt einer dem andern so lange „in die Tasche“, bis Alle Tolles erkennen wollen. Der Kreislauf:  unkundige, dem System erlegene Politiker ernennen Intendanten aus diesem System, die  gleichgeschaltete Regisseure engagieren, denen systemimmanente Presseleute, (sich selbst am System orientierende) o.a. Autogamie liefern, das ermutigt weitere Intendanten und Regisseure und beeinflusst Politiker, die sich keine Blöße geben wollen (s. TTT‘s wiederholte Hinweise auf „Kaisers neue Kleider“). Manche aus dem Publikum versuchen in kompetenzheischender Deutungswut dem System beizutreten – die Masse zuckt halt mit den Schultern.  

Detail: I.d.R. kenntnisfreie Politiker schließen undurchsichtig Kontrakte mit Intendanten als Theaterleiter, die damit in ihren Wirkungskreis Menschen und Gestaltungen totalitär beherrschen. Erstaunlicher Weise erteilt man zwar einen „Kunst-/Kulturauftrag“, aber auch stundenlange Recherche blieb ohne klärendes Ergebnis. Was bedeutet Kunst und Kultur in diesem Kontext??? In diesen Verträgen existiert kein ausformulierter, definierter bzw. vorgegebener Kultur/Kunst-Begriff, stattdessen die „Katze im Sack“…! 

Kultur kann man noch als Gesamtheit aller zivilisatorischer Errungenschaften betrachten, aber Kunst …?

Gibt es eine allgemeine Definition „Kunst“?  Kennt man den Unterschied zwischen künstlerisch und künstlich?  Nach üblicher Lesart hat man bisher Trash etc., Bildzeitungsinhalte nicht als Kunst definiert.

Es bleiben z. B. durchaus unterhaltsame Medienspektakel als eigenständige Werke. Insbesondere in der überladenen Medien-Welt sollte die Ausrichtung einer szenischen Einrichtung auch bei Rezensionen formuliert werden: wird das tatsächliche Musik-Drama inszeniert oder bearbeitet man freie Assoziationen mit Nutzung diverser Medien. So kreiert man rechtschaffene Varianten der Konsensrealität – kann aber auch keine überhöhten Wahrhaftigkeiten aus Parallelwelten überzeitlicher Universen von Giganten der Musikdichtung schaffen.

Nochmal zum kognitiven Missverständnis: Der Mensch ist kein Verstandeswesen. Gehirn im „limbischen System“ leitet unser Verhalten überwiegend in Gefühlen, Emotionen, Intuitionen.


 Max Ernst, Entkleidung der Braut 1939, Walzer – Drag Queen – Theateradaption für assoziative Einblendung?

Bebilderung und Reproduktion heutigen Alltags gem. Konsenswelt erscheint sinnlos. So kann Theater keine Initialzündung zur Systemrelevanz geben, da die alltägliche Konsenswelt hinreichend bekannt ist und Inszenierungen sich so im alltäglichen Morast verheddern.

Also vorwärtsgewandt in Phantasmen mögliche Zukunft ahnen oder rückwärtsgewandt im tagesaktuellen Morast waten? Denn „Heute bleibt Morgen immer Gestern“, die Zukunft als Makroraum grenzenlos!

Warum soll man sich im Theater mit einer unfertigen Welt im Alltagstrott beschäftigen, wenn doch die Möglichkeit zum Phantasma besteht. Theater nach TTT bedeutet Affekte und Assoziationen (nach Eisenstein). Es geht um Parallelwelten, die einen neuen Blick auf unserer Welt werfen, um visionäre Utopien, die über der alltäglichen Wirklichkeit stehen – also surreal (sur la réalité) sind und ästhetisch künstlerische Überhöhungen nutzen.   

Nun beginnt die TTT- Serie „Plädoyer zur Kraft surrealer Inszenierungen“! Im onlineMerker erscheinen rd. 60 Auszügen aus Publikationen der letzten Jahre in loser Folge aus der Perspektive der hier erörterten Themen.

Haben Manche den Vortrag von S. Morabito nun falsch verstanden oder wurde verfehlt formuliert?

 Tim Theo Tinn – 18. Nov. 2020

TTT‘s Musiktheaterverständnis ist subjektiv davon geprägt keine Reduktion auf heutige Konsens- Realitäten, Yellow-Press (Revolverpresse), Trash – Wirklichkeiten in Auflösung aller konkreten Umstände in Ort, Zeit und Handlung zuzulassen. Es geht um Parallelwelten, die einen neuen Blick auf unserer Welt werfen, um visionäre Utopien, die über der alltäglichen Wirklichkeit stehen – also surreal (sur la réalité) sind.

Profil: 1,5 Jahrzehnte Festengagement Regie, Dramaturgie, Gesang, Schauspiel, auch international. Dann wirtsch./jurist. Tätigkeit, nun freiberuflich: Publizist, Inszenierung/Regie, Dramaturgie etc. Kernkompetenz: Eingrenzung feinstofflicher Elemente aus Archaischem, Metaphysik, Quantentheorie u. Fraktalem (Diskurs Natur/Kultur= Gegebenes/Gemachtes) für theatrale Arbeit. (Metaphysik befragt sinnlich Erfahrbares als philosophische Grundlage schlüssiger Gedanken. Quantenphysik öffnet Fakten zur Funktion des Universums, auch zu bisher Unfassbarem aus feinstofflichem Raum. Glaube, Liebe, Hoffnung könnten definiert werden). TTT kann man engagieren.

 

 

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