Zürich: Sir Roger und Geiger Tetzlaff – Tonhalle, 28.2.2017
Puck, Titania und der Titan
Christian Tetzlaff. Foto: Giorgia Bertazzi
Gleich zu Beginn von Mendelssohns berühmten Violinkonzert e-Moll griff Christian Tetzlaff quasi voll in die Saiten. Mit schlankem, aber energischem Ton fing er das ungemein faszinierende Violinkonzert an, unterstützt vom wachen Sir Roger Norrington und dem Zürcher Kammerorchester (ZKO). Bald nahm sich Tetzlaff bei den Piano- und Pianossimo-Stellen des Werkes ganz zurück, musizierte elegant und nie sentimental, liess Manches einfach geschehen, wo andere Geiger vor lauter „Deutung“ nicht drüber hinwegkommen. Das oft an den „Sommernachtstraum“ erinnernde Violinkonzert liess Gestalten wie den witzigen Puck und die schöne Titania gleichsam vor dem geistigen Auge erscheinen. Es war faszinierend, Tetzlaff zuzuhören, diesem schlanken, immer kontrollierten Ton, seiner Interpretation, der so nichts Überholtes und Gefühliges zu eigen war. Das Portamento war gezügelt und das Legato besonders ausmusiziert. Besonders akkurat waren die Flageolett-Töne in den obersten Bereichen, dann wieder der fast bratschenartige Klang in der tieferen Lage. Christian Tetzlaff ist ein Musiker, der hinter die Musik zurücktritt, ohne seine Persönlichkeit zu verleugnen.
Sir Roger Norrington. Copyright: Thomas Entzeroth
Darin einig geht er mit dem Dirigenten des Abends, Sir Roger Norrington, der dann mit der Siebten Beethovens A-Dur eine frische, unverbrauchte Darbietung dieser überaus fast zu viel gespielten Sinfonie des grossen Titanen „Ludwig van“ darbot. Aber nicht so bei Norrington. In seiner kurzen, witzigen Ansprache erklärte Norrington, wie man in „the Sixties“, also in den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts, wo nicht nur die Beatles aufkamen und die Mondlandung stattfand, sondern auch in der Musik „back to the roots“ das Motto war. Man befreite sich von der „Tradition“ und schaute in die Partitur, was denn der Komponist gewollt habe. Wo steht ein Pizzicato, wo ein Accelerando – Beethoven hat übrigens für alle seine Sinfonien immer genaue Tempo-Bezeichnungen vorgegeben. Dass dann Sir Roger aber eine durchaus im Tempo mässig schnelle Interpretation mit dem blendend aufspielenden ZKO (Zürcher Kammerorchester) hinlegte, zeigte doch, dass die quasi „historisch informierte Aufführungspraxis“ heutzutage als durchaus „normal“ empfunden wird. Tja, so ändern sich die Zeiten und werden sich auch immer die Interpretationen neu erfinden. Das merkt man auch Sir Roger‘s Interpretationen an, dass auch für den 84-jährigen Maestro ein Sich-Zurücklehmen“ kein Thema sein wird. Bravo Maestro!
John H. Mueller