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ZÜRICH: NELLO SANTI ZUM 85. GEBURTSTAG. GALAKONZERT – Maestro Santi – eine lebende Legende

24.10.2016 | Konzert/Liederabende

Zürich: NELLO SANTI ZUM 85sten!

Galakonzert am 23.10.2016

Maestro Nello Santi – eine lebende Legende!   

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Nello Santi. Copyright: Kaspar Sannemann

Mit einem wahren Begeisterungssturm und natürlich einer Standing Ovation wurde die lebende Dirigier-Legende Nello Santi an der Stätte seiner vor 58 Jahren mit dem damaligen Stadttheater Zürich, heute Opernhaus, begonnenen künstlerischen Verbundenheit, begrüsst. Der Maestro, der jüngst seinen 85. im Kreise seiner Familie begehen konnte – Santis Wohnsitz war über die Dekaden hinweg in Zürich – wurde mit diesem Galakonzert ganz besonders herzlich geehrt. Schon mit 4 Jahren hatte er erstmals seine erste Oper gehört – übrigens seine Schicksalsoper „Rigoletto“, die ich ihm den unstillbaren Wunsch initiierte, Dirigent zu werden. Mit 20 Jahren bereits dirigierte er seine erste Opernaufführung – es war natürlich wieder „Rigoletto“ und hat er schon allein an der Oper Zürich in über fünf verschiedenen „Rigoletto“-Neu-Produktionen den Dirgierstab geschwungen. Sein Rigoletto war meist Leo Nucci, den er im Laufe ihrer beiden langen Karrieren immer wieder begleitete. 

Es wäre zu wenig gesagt, wenn er „nur“ dirigiert hätte. Nello Santi ist ein Meister alten Schlages, der sehr genau wusste, wie man eine Oper dirigiert, wie man Sänger führt, ihnen über Hindernisse hinweghilft und wie man die Balance zwischen Sänger und Orchester hält. Santi machte auch nie ein Hehl aus seiner Abneigung gegen das ausgeprägte Regietheater – mischte sich oft ein, meistens mit Erfolg, eine vernünftige Lösung zu finden. Denn Sänger sollten zuerst einmal singen und nicht an einer Position stehen, wo sie vom Orchester zugedeckt würden. Santis Wissen über – nicht nur, aber das ganz besonders – die italienische Oper ist im wahrsten Sinn umfassend. Dieses und sein phänomenales Gedächtnis erlauben es ihm, auch heute noch jede Aufführung auswendig zu dirigieren. Jede einzelne Note, jedes Vorzeichen ist ihm präsent und, wie man heutzutage so schön sagt, abrufbar. So hat Santi nie den Kopf in der Partitur, sondern die Partitur im Kopf.

Und so konnte er das Geschehen auf der Bühne wachen Auges und mit seiner an Hitchcock erinnernden Miene nicht nur verfolgen, sondern auch beherrschen. Es wird auch gerne vergessen, dass Nello Santi von 1986 bis 1994 Chef des Radio-Sinfonieorchesters Basel war und dort vornehmlich Werke des konzertanten Musikbetriebs dirigierte. Doch immer werden seine Aufführungen mit den Opern seiner von ihm abgöttisch verehrten Komponisten wie Verdi, Rossini und Donizetti in Erinnerung bleiben. Seine Schallplatten, die auch meist auf CD erschienen sind, sind wahre Legende. Er hat nahezu alle wesentlichen Sängerinnen und Sänger der letzten Hälfte des 20. Jahrhundert begleitet. So wurde auch jede Aufführung, die er nicht nur in Zürich, sondern auch weltweit an allen grossen Bühnen in aller Welt leitete, immer zu einem „Santi“-Ereignis. Und das nicht deshalb, weil er sich durch besonders hervorstechende Details ins Licht gesetzt hätte, sondern weil Santi immer ein Diener am Werk der Komponisten war. Seine Dirigier-Technik hatte so nichts Show-mässiges, sondern war – wie Richard Strauss einst postulierte – dann richtig, wenn die Rechte die Hauptaufgabe übernimmt, während die Linke nur dynamische oder sonstige Anweisungen gibt. Ein paralleles Arm-Rudern gab’s bei Nello Santi nie!

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Santi-Tochter Andrea Marfisi, Intendant Andreas Homoki, Nello Santi. Foto: Kaspar Sannemann

So stand auch der Maestro bei dem Galakonzert zu Ehren seines 85. Natürlich auch höchstpersönlich am Pult der Philharmonia, wobei er zu Beginn seines von ihm natürlich selbst bestimmten Konzertprogramms Rossinis „Semiramide“-Ouvertüre dirigierte. Ein ganz heikles Werk, das Santi mit wachem Geist und wenig Dirigier-Bewegung in einer wunderbar ausgewogenen Wiedergabe darbot. So liess er immer wieder einen Ruhepunkt einlegen, wenn die Piccolo-Flöte die Kadenz allein spielt. Und wie macht Santi das, dass das Orchester, das hier gross besetzt war (mit 12 ersten Geigen, so viel man erkennen konnte), immer in der klanglichen Balance blieb? Es klang zwar kompakt, aber immer transparent und vollkommen durch-rhythmisiert: eine wunderbare Interpretation dieser Ouvertüre! Dann sang Adriana Marfisi, Sopran-Tochter des Maestro, die Arie „O fatidica foresta“ aus Verdis „Giovanna d’Arco“, was ihr angesichts der exponierten Gesangsstimme in souveräner Weise gelang. Daran schloss Santi die Ouvertüre zu diesem Werk an, ein überraschend ziseliert instrumentiertes Werk Verdis. Der Chor der Oper Zürich (Einstudierung: Jürg Hämmerli) sang dann den Zigeunerchor aus Verdis „Il Trovatore“ sowie den Einzug der Gäste auf der Wartburg aus Wagners „Tannhäuser“ – eine etwas sonderbare Werkwahl! – Danach überzeugte Adriana Marfisi mit einer emotionell und gesanglich hervorragend gesungenen „Butterfly“-Arie, an welche sie dann als Zugabe die Arie der Adriana Lecouvreur „Io son umile ancella“ anfügte.  

Nach der Pause dirigierte Nello Santi Tschaikowskys Vierte. Hier erklang das Werk wiederum ohne jede Show-mässige Zutat. Santi dirigierte das Werk, „so wie es in den Noten steht“. Und angesichts der symphonisch eindeutigen Aussage genügt das auch vollkommen. Jedes „Zuviel“ an Interpretation würde dieses nun doch wirklich fast zu oft gehörte Werk nur zum Nachteil gereichen. Nach dem etwas zu heftigen Einstieg der Fanfaren gelangen die beiden lyrisch timbrierten mittleren Sätze ganz grossartig (Lob den Soli und Instrumentengruppen der Phiharmonia!), bevor Santi, wiederum in Rhythmik und Dynamik streng angeordnet, die Symphonie zum triumphalen Finale führte.

In Erwiderung zur launigen Ansprache von Andreas Homoki (übrigens der achte Intendant Santis am Opernhaus Zürich!)  – auch der Orchestervorstand steuerte eine Anekdote bei –  meinte Santi witzig, er warte nun nur noch auf seinen Vertrag für die nächsten 15 Jahre!

Ad multos annos, caro Maestro Nello Santi!

John H. Mueller

 

 

 

 

 

 

 

 

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