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ZÜRICH: IL RITORNO DI ULISSE IN PATRIA – Premiere

18.05.2014 | KRITIKEN, Oper

Zürich: IL RITORNO DI ULISSE IN PATRIA – 17.5.2014  – Premiere

Langes Warten lohnt wunderschöne Musik

Unbenannt
Kurt Streit. Foto: Monika Rittershaus

Niemand, der sie noch erleben durfte, konnte die in den siebziger Jahren viel gepriesene Ponelle-Hanoncourt-Produktion (mit Werner Hollweg und Ortrud Wenkel) vergessen. Daran muss sich jede neue Inszenierung messen. Und anders muss sie wohl konzipiert sein, sonst wäre sie nur eine Reproduktion. Und das geht nun man nicht.

Nachdem der Regisseur Willy Decker nun den ganzen Raum verdunkelt hat und das Geschehen quasi aus dem Nichts entstehen lässt, so hat dies eine ganz besondere mythische Bedeutung. Auf einer kreisrunden Scheibe (Bühnenbild/Kostüme: Wolfgang Gussmann, Susana Mendoza) stehen schwarz gekleidete Personen, ohne Beziehung zueinander. Eine Individualität ist nicht auszumachen. Man erinnert sich an das Schauspiel „Sechs Personen suchen einen Autor“ von Luigi Pirandello. Dann hebt das Stück an. In der Mitte der Bühne sitzt eine Frau, Penelope, hat eine Sonnenbrille auf, will offenbar die Realität nicht sehen. In die heutige Zukunft versetzt – Mythen sind allgegenwärtig – wartet sie nun auch hier an die zwanzig Jahre auf die Rückkehr ihres in den Trojanischen Krieg gezogenen Ehemannes Odysseus/Ulisse. Freunde und Schmeichler versuchen, sie vom tugendhaften Weg abzubringen, doch Penelope bleibt sich treu. Doch da ist kein Webstuhl auf der Bühne, an dem sie des Nachts die gewobenen Fäden wieder auflösen soll, um die Freier hinzuhalten. Nichts ist auf der Bühne, nichts. Das Ensemble ist total auf sich selbst gestellt.  Doch da sind die Götter, die sich an festlich gedeckter Tafel gütlich tun und denen menschliche Schicksale egal sind. Nur ab und an greifen sie ein, eher um die Menschen wie Marionetten an den Fäden zu lenken oder sie irrezuführen. So entwickelt sich die Handlung. Das ewige Warten von Penelope wird kein Ende finden – sie glaubt es kaum selbst nicht, wenn Odysseus endlich wieder vor ihr steht. Ein wunderschönes Duett auf einen fabelhaften Text, den da der geniale Meister Claudio Monteverdi komponiert hat, wirkt da schon fast zynisch. Das Spiel kann von vorne beginnen.

Sara Mingardo verfügt über einen dunkel gefärbten, samtenen Mezzo, vermag aber kaum irgendwelche seelische Regungen auszudrücken und dem Publikum mitzuteilen Man bleibt merkwürdig unberührt von dieser Frau, dabei ist sie eine gute Sängerin, eine sehr gute sogar. Aber kein Vergleich also mit ihren Vorgängerinnen Ortrun Wenkel oder Vesselina Kasarova. Merkwürdigerweise wurde Ulisse mit einem Tenor besetzt (anstatt wie üblich mit einem Bariton), nämlich Kurt Streit, dessen Stimme mit der Zeit spröde geworden ist. Immerhin vermag er mit Farben und Ausdruck dem Odysseus ein Profil zu geben. Als sein Weggefährte Eumete, der in einer Pappschachtel wie ein Landstreicher wohnt, trumpfte Werner Güra mit baritonal üppigem Tenor auf. Auch darstellerisch vermochte er absolut zu überzeugen. Sehr hübsch das junge Paar, besetzt mit den zwei Stimm-Hoffnungen des Opernhauses Zürich. Julie Fuchs als adrette, mit sauberer Stimme singende Melanto (die Partie dürfte ihr wohl etwas zu tief liegen) und der mit lyrischem Tenormaterial ausgestattete Mauro Peter. Sehr gut und ergreifend die Amme Ericlea von Liliana Nikiteanu und der wahrlich tenoral auftrumpfende Telemaco von Fabio Trümpy. Leider übertrieb Rudolf Schasching als Fresssack Iro, stellte aber immerhin eine ganze Figur auf die Bühne. Bei den Göttern liess einmal mehr die wunderschöne Stimme von Anna Stephany als Minerva (die einzige Göttin, die Odysseus wirklich zur Seite steht) aufhorchen. Als Fortuna/Juno liess Ivana Rusko ihre Stimme in reinem Wohllaut ertönen. Wunderbar, dass sich der Bühne doch ein mehrheitlich junges Sänger-Ensemble vereinigt hat, deren weitere Karrieren man gespannt verfolgen darf. Sehr schön und leider nicht viel zu hören war vom angenehm timbrierten Counter Christoph Dumaux (L’umana fragilità/Anfinomo), während der Amor von Constantin Zimmermann doch stimmlich einiges Befremden auflöste. Gianluca Buratto als Nettuno vermochte weder Matti Salminen noch Hans Franzen vergessen machen. In weitere Rollen waren Erik Anstine, Martin Zysset, Michael Laurenz, Alexandra Tarniceru, Vanessa Schmitz und Nicola Weber zu hören, die allesamt ihre Sache höchst zufriedenstellend lösten. Im Orchestergraben sass eine auf ein Minimum reduzierte Orchestra La Scintilla, die durch eine lautverstärkende Rückwand einigermassen unterstützt wurde. Ivor Bolton, der schon 2001 im Prinzregententheater seine karge Monteverdi-Bearbeitung dirigiert hatte, war jedoch hier in Zürich noch vor der Premiere ausgestiegen. Sein Assistent und Mitarbeiter Robert Howarth dirigierte vom Cembalo aus mit viel Initiative und Verve die sich doch zeitweise arg in die Länge gezogene Aufführung.  

John H. Mueller

 

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