Auf dem Balkon: Patricia Zanella (Zerline) belauscht von Christoph Waltle (Frau Diavolo) mit seinen Gaunern Arndt Krueger (Beppo) und Manfred Plomer (Giacomo) – Copyright: Mirjam Bollag Dondi
Free Opera Company Zürich: FRA DIAVOLO
Premiere 30.9.2018, besuchte Aufführung 20.10.2018
Esprit par Excellence!
Wiederum macht ein privat initiiertes Opernunternehmen wie die Free Opera Company Zürich von sich reden. Mit einer in allen Belangen professionellen Produktion von Aubers reizender Opéra comique „Fra Diavolo“ wird den grossen, staatlich finanzierten Bühnen demonstriert, dass es auch mit „Weniger“ mehr rauszuholen gibt, als allgemein angenommen wird. Natürlich geht es auch bei privaten Opernunternehmungen nicht ohne Unterstützung von allen Seiten; diese ist auch nicht selbstverständlich und muss jedesmal neu begründet und darf jeweils dankbar entgegengenommen werden.
Bruno Rauch, der umtriebige Intendant der Free Opera Company Zürich, hat uns schon mit mancher Delikatesse aus dem Fundus wenig gespielter Opern überrascht und auch bereichert. Wir erinnern uns an „La Dame blanche“, auch einer äusserst reizvollen Opéra comique von François-Adrien Boieldieu. Und wie der zweite Vorname von Auber eben Esprit lautet, so war auch die aktuelle Produktion von „Fra Diavolo“ dieses Komponisten von einem solchen Esprit, Geist und Witz getragen.
Die Regie von Bruno Rauch versetzte die Handlung in ein freies Heute, ohne der Story Gewalt anzutun. Anstatt mit einer Kutsche kommt das „sophisticated“ Ehepaar Lord Cockburn mit Gemahlin Lady Pamela in einem englischen Sportwagen angefahren. Dieser aber ist nur aus Pappe und alle Dekor-Elemente betonen in dieser Machart die bewusste Theater-Schein-Welt und so auch die Ironisierung der Handlung. Daher ergibt sich eine hübsche Spannung zwischen der Musik Aubers, die manchmal wie Offenbach klingt und dann doch wieder ganz eigen ist, und der äusserst witzigen szenischen Umsetzung.
Die Ausstattung liegt bei Natalie Péclard, die offenbar genau das realisiert hat, was der Regisseur wollte. Und das spürt man auch durchwegs an diesem höchst vergnüglichen Abend.
Dazu trägt ein fabelhaftes singendes und schauspielerisch begabtes Sänger-Ensemble bei, wobei sogar ein paar amüsante Tanz-Einlagen à la Revue-Operette der Aufführung auch einen gewissen Schmiss verleihen, dem man sich nur zu gern hingibt. Gesungen wurde im französischen Original, die Dialoge wurden deutsch gesprochen: eine gute Lösung, zumal auch keine überflüssigen Übertitel eingeblendet werden mussten.
Christoph Waltle war der elegante Mafioso-Räuberhauptmann, der mit seinem flexiblen Tenor die höchsten Töne sicher setzte und in seiner Körpersprache schon tänzerisches Format demonstrierte. Lord Cockburn war mit Pierre Héritier (Bariton) und seine exaltierte Lady Pamela mit Cassandre Stornetta (Mezzo) sehr gut besetzt. Beide hielten die Balance und erlagen nicht der Versuchung des Chargierens. Als Zerline konnte die aparte Patricia Zanella vor allem in ihrer grossen Arie mit lyrischer Poesie punkten. Auch die Koloraturen vermochte sie exakt zu setzen. Als ihr Geliebter Lorenzo, der hier ein Pizzabäcker ist und sich dadurch hervortut, dass er sich an der Jagd auf Fra Diavolo beteiligt, wurde durch den mit einer schönen lyrischen Tenorstimme begabten Philippe Jacquiard verkörpert. Seine schwierige Arie bewältigte er souverän. Als seine ungelenken, dümmlichen „Side-Kicks“ Beppo und Giacomo wirkten Arndt Krueger und Manfred Plomer auf vergnügliche Weise. Der Wirt war durch Matthias Geissbühler (Bariton) adäquat besetzt. Der eigentliche Chor war auf fünf Ensemble-SängerInnen verteilt und dramaturgisch geschickt gelöst. So übernimmt Anna Gitschthaler mit schönem Sopran von Zerline die zweite Strophe der Ballade vom Räuberhauptmann, die jeweils mit dem Ohrwurm-Refrain „Diavolo, Diavolo, Diavolo“ endet. Als Solo-Chor mit zugeteilten Rollen wirkten weiter Saskia Coria, Gergely Kereszturi, Tobias Wurmehl und Yves Ehrsam.
Dass sich daraus ein ausgewogenes Ensemble auch in musikalischer Hinsicht ergab, ist sicher auch das Verdienst des jungen Dirigenten Reto Schärli, der auch für die Einstudierung verantwortlich zeichnet, und von Emmanuel Siffert für zwei Aufführungen den Dirigentenstab souverän und erfolgreich übernahm. Die Chaarts Chamber Artists, ein renommiertes Kammerorchester, spielte die auf ein kleines Ensemble reduzierte Partitur höchst akkurat. Es war ein Vergnügen, zwischendurch nur mal den Chaarts zuzuhören.
Fazit: Da kann man der Free Opera Company Zürich und seiner Seele Bruno Rauch nur gratulieren und weiterhin viel Erfolg mit wieder zu entdeckenden Opern wünschen.
John H. Mueller