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ZÜRICH/ Bernhard-Theater im Opernhaus: MENSCHENsKIND – „Liederabend“ mit DAGMAR MANZEL

Die vielen Talente der Dagmar Manzel in Liedern von Friedrich Hollaender

29.05.2019 | Konzert/Liederabende

Zürich: MENSCHENsKIND – „Liederabend“ mit DAGMAR MANZEL –

Bernhard-Theater beim Opernhaus – 28.5.2019

Die vielen Talente der Dagmar Manzel in Liedern von Friedrich Hollaender

Na, ein Liederabend im wahrsten Sinn des Wortes war es eigentlich nicht und dann doch wieder! Denn Dagmar Manzel, Operettendiva der Komischen Oper Berlin und renommierte Schauspielerin mit psychologischem Tiefgang, bescherte uns eine Begegnung mit den höchst originellen Chansons von Friedrich Hollaender (1896 – 1976). Auch weniger spezifischen Kennern dieser Szene sagt der Name Hollaender vielleicht etwas, sicher dann, wenn sie Marlene Dietrich im „Blauen Engel“ seine Chansons singen hören. Aber eben Hollaender war nicht nur die Marke Marlene, sondern schrieb die meisten Chansons eigentlich für seine erste Frau, die heutzutage leider vergessene Blandine Ebinger. Sie hatte im Gegensatz zu Marlene eine helle, fast kindliche Stimme, mit der sie die doppeldeutigen Chansons von Hollaender mit dem unverkennbaren Berliner Charme rüberbringen konnte. Dies ist auf Plattenaufnahmen nachzuhören.

Dagmar Manzel nun, die ihren „Liederabend“ unter den Titel ihrer Autobiographie MENSCHENsKIND  stellte, ist Persönlichkeit genug, einen eigenen Weg zu finden und weder Marlene noch Blandine zu kopieren, obwohl sie diese beiden Ikonen zuweilen mit einem speziellen Tonfall und einem Augenzwinkern spürbar werden lässt. Gleich zu Beginn mit „Wenn ich mir was wünschen könnte“ drückte sie dem Lied ihren Stempel auf. Dagmar Manzel kann singen – und wie – und wechselt dabei in einer Sekunde von einem Stil zum andern: einmal singt sie mit hohem Operettensopran, dann wieder mit der tiefen Bruststimme einer Marlene. Und dabei hielt sie ausdrücklich fest, dass es eigentlich Fritzi Massary ist, die unvergessene Operettendiva der Berliner Zwanziger und Dreissiger Jahre ist, in der sie ein tief verehrtes Idol und ihr Vorbild sieht.

In diesem wunderbar zusammengestellten Lieder-Abend musizierte mit ihr eine kleine Combo mit Frank Schulte (Klavier), Arnulf Ballhorn (Kontrabass) und Ralf Templin (Gitarre), die in stilgerechter „Werktreue“ und doch freier Improvisation den Charakter der jeweiligen Lieder bestens trafen, wobei es immer – zusammen mit Dagmar Manzel – nicht eine Imitation, sondern stets eine Neuschöpfung war. Das ist halt die Kunst, etwas stilgerecht und, in die heutige Zeit versetzt, zum Leben zu erwecken – oder überhaupt am Leben zu erhalten.

Diese feinsinnige Ironie, manchmal fast perfide Hintertriebenheit der Lieder Hollaenders ist es, was Dagmar Manzel und ihre Band so trefflich hervorbrachten. So wurde mit jedem Lied ein neuer Aspekt beleuchtet – und das mit eben dieser Doppelbödigkeit, die einem immer wieder den Boden unter den Füssen wegzieht. „Wenn ick mal tot bin“ könnte eigentlich makaber sein, ist es nicht in dieser Interpretation. Das Mädchen, das sich vorstellt, im Sarg zu liegen, und den Lehrer – vermutlich Krokodilstränen vergiessend – weinen zu sehen, regt uns zum Schmunzeln an. Oder „Die Kleptomanin“, wo gestohlen wird, was niet- und nagelfest ist, und danach weggeworfen wird. Oder „Die hysterische Ziege“ die einen doch an manche Lady aus sogenannt vornehmen Kreisen erinnern mochte…

Als Zugaben gab es aus Paul Abrahams Operette „Ball im Savoy“ das Lied „In meinen weissen Armen“ und von Werner Richard Heymann „Irgendwann, irgendwo, irgendwie“.

In einem perfekt abgestimmten Programm und das in der Länge richtig getimet war, genoss man einmal mehr die Kunst einer grossen Könnerin, eben die der Künstlerin Dagmar Manzel mit ihrer Band, die auch zwei Instrumentalstücke spielte.

John H. Mueller

 

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