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ZÜRICH: AIDA – vorläufig letzte Aufführung der skandalumwitterten Inszenierung von Tatjana Gürbaca

01.04.2014 | KRITIKEN, Oper

Zürich: AIDA – 1.4.2014   Vorläufig letzte Aufführung der skandalumwitterten Inzenierung von Tatjana Gürbaca

Die bei der Premiere mit einem heftigen Buhorkan abgestrafte AIDA-Inszenierung von Tatjana Gürbaca erlebt nun ihre vorläufig letzte Aufführung nach einer Serie von insgesamt neun Vorstellungen. Anders und weniger aufgeregt als das Premieren-Publikum reagierte die gut durchmischte Zuhörerschaft, die fasziniert war von den traumatischen Bildeinfällen der Regisseurin. Ehrlich gesagt, seit der Premiere hat sich die Produktion sehr gut „eingespielt“, alles läuft viel „natürlicher“ vonstatten, das gesamte Ensemble singt viel entspannter und muss nicht mehr mit der Ablehnung der Inszenierung durch das Premieren-Publikum kämpfen. Also: Latonia Moore war wieder die rundum überzeugende Aida. Ihre Stimme klingt jetzt noch viel schöner als zuvor. Ihre Höhe, manchmal etwas an der schneidenden Grenze, kommt sicher und die innere Dramatik ihres Vortrages lässt nicht unberührt. Leid und Trauer, Freude und Hoffnung, alle seelischen Regungen gibt diese apart timbrierte Stimme wieder. Ihre kleine Figur und ihr berührendes Spiel machen sie zum Zentrum dieser Aufführung. Wesentlich verbessert zeigte sich auch Aleksandrs Antonenko, der nach der Pause zur grossen Form auflief. Auch Andrzej Dobber als Amonasro zeigte sich verbessert; allerdings ist sein spezielles, karges Timbre schon Geschmacksache. Sehr gut war wieder der intrigante Ramfis von Rafal Siwek, wogegen Pavel Daniluk als König doch einige Anlaufzeit benötigte, bis er zu seiner optimalen Form gelangte. In der Premiere hatte Jano Tamar als Amneris nicht überzeugen können. Sie war in den Folgeaufführungen durch die aufstrebende Veronica Simeoni ersetzt. Diese Sängerin, die im Belcanto-Fach schöne Leistungen bringt, drängt nun in das dramatische Fach wie Eboli und Amneris vor. Sie singt die Amneris auch stimmlich schön und ausgewogen, obwohl ihr für die dramatischen Ausbrüche einfach eine sonore Mittellage fehlt. Sehr klug von der Sängerin, diese nicht zu forcieren, sondern sich auf die lyrischeren Passagen der Partie zu konzentrieren. So war die Gerichtszene, die „Stunde der Wahrheit“ für jede Amneris-Sängerin, doch – bei allem raffinierten Spiel als Neurotikerin – aufgrund der nicht vorhandenen stimmlichen Dramatik – noch – keine Erfüllung. Es wäre schade, wenn diese schöne Stimme durch die Übernahme von zu dramatischen Partien in Mitleidenschaft gezogen würde. Und Zürich ist wohlgemerkt ein kleines Haus. – Chor (Einstudierung: Jürg Hämmerli) sang vor allem die Off-Stage-Chöre wunderschön – das muss auch mal besonders vermerkt werden. GMD Fabio Luisi dirigierte wiederum einen hoch interessanten Verdi wie zuvor den „Don Carlo“. Zuerst ganz verhalten, ohne die Stimmen ins Bedrängnis zu bringen, liess er erst im der Triumphszene die mitunter hohlen Siegesklänge – sehr passend dazu die eingeblendeten stehenden Bilder von schlimmen Kriegsszenen – aufbrausen. Besonders faszinierend war sein Dirigat nach der Pause, wo Luisi wiederum durch aufgeregte Orchesterpassagen die innere Bewegung der Darsteller nahezu expressionistisch unterstützte. Eine sehr interessante Interpretation dieser unglaublichen Verdi-Partitur.

John H. Mueller

 

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