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WÜRZBURG/ „Oper am Klavier“: GUSTAF ADOLF OCH EBBA BRAHE von Abbé Georg Joseph Vogler

08.06.2014 | KRITIKEN, Oper

WÜRZBURG / Oper am Klavier: GUSTAF ADOLF OCH EBBA BRAHE von Abbé Georg Joseph Vogler am 8. Juni 2014(Werner Häußner)

 Diese Oper dürfte in Deutschland – und wohl auch in Österreich – bisher nicht gespielt worden sein, und doch ist sie 225 Jahre alt und stammt von einem damals in ganz Europa bekannten „Tonsetzer“: „Gustaf Adolf och Ebba Brahe“ stammt von Abbé Georg Joseph Vogler, einer der schillerndsten Gestalten der Musikgeschichte. 1749 in Würzburg geboren, ging er als führender Vertreter der „Mannheimer Schule“, als Komponist, Musiktheoretiker, Orgelbauspezialist und Orgelvirtuose, Musikethnologe und katholischer Priester in die Geschichte ein. Darin versank er jedoch so gründlich, dass Musik und Person Voglers heute so gut wie komplett vergessen sind.

Aus Anlass des 200. Todestages Voglers hatte im Mai ein Symposion der Internationalen Carl Maria von Weber-Gesellschaft in Würzburg die Bedeutung Voglers beleuchtet, aber auch die erheblichen Wissenslücken verdeutlicht. Das Würzburger Mainfrankentheater hätte dem gerne ein wenig abgeholfen und „Gustaf Adolf och Ebba Brahe“ szenisch aufgeführt, eine Oper, die Vogler als schwedischer Hofkapellmeister geschrieben und 1788 in Stockholm uraufgeführt hat. Doch das Material für die Oper war unerreichbar: Zwar hatte es 1973 und 1990 Aufführungen in Drottningholm gegeben; Anfragen dort blieben jedoch unbeantwortet. So entschloss sich das Würzburger Theater, das schwedische Hauptwerk Voglers wenigstens als „Oper am Klavier“ zu präsentieren.

Musikdramaturg Christoph Blitt erläuterte sachkundig Inhalt, Form und historischen Hintergrund des Werks, das im Rahmen der Förderung einer schwedischen Nationaloper durch König Gustav III. in Auftrag gegeben wurde – zusammen mit Johann Gottlieb Naumanns „Gustav Wasa“ (1786), der lange als „schwedische Nationaloper“ galt. Der König selbst schrieb die literarischen Vorlagen, die von dem Dichter Johan Henric Kellgren in Libretti umgeformt wurden.

In der Oper geht es um den in den Dreißigjährigen Krieg in Europa verwickelten König Gustav Adolf, der 1632 in der Schlacht von Lützen sein Leben verlor. Der Monarch, der mit 17 Jahren den Thron besteigen musste, hatte eine Liebesbeziehung mit der schwedischen Hofdame Ebba aus der vornehmen Familie Brahe. Einer Heirat setzte die Königinmutter Christina – eine geborene von Holstein-Gottorp und einst selbst unglücklich verliebt in König Sigismund III. Wasa – erbitterten Widerstand entgegen. Ebba Brahe musste schließlich den militärischen Berater des Königs, Jacob de la Gardie, heiraten. Gustav Adolf litt offenbar schwer unter dem Verzicht und heiratete erst 1620 Maria Eleonora von Brandenburg.

Um die unglückliche Beziehung mit Ebba geht es in Voglers Oper. Allerdings wird, ganz im Sinne des Zeitgeistes, daraus ein Lehrstück über die Pflichttreue eines Königs und die bindende Kraft des christlichen Eheversprechens: Ebba Brahe sieht am Ende ein, dass sie die besiegelte Ehe mit Delagardie führen muss; Gustav Adolf erkennt, dass der König seine Pflicht und die Verantwortung für sein Volk nicht für persönliche Bedürfnisse opfern darf. – Die historische Ebba Brahe hat übrigens eine kinderreiche und auch materiell erfolgreiche Ehe geführt und galt als eine der reichsten und schönsten Frauen Schwedens in ihrer Zeit!

Voglers Oper folgt den Idealen der Reform Christoph Willibald Glucks, bindet aber – um „Ausdruck“ bemüht – die heftigen Emotionen des „Sturm und Drang“ ein. Darin ähnelt Vogler seinem Kollegen Joseph Martin Kraus, der zur gleichen Zeit am schwedischen Hof tätig war. Deutlich wird, wie sich Vogler an der französischen Oper orientiert, die er unter anderem auf einer Reise nach Paris kennengelernt hatte: Es gibt nur Orchester-Rezitative, die Arien sind kurz und folgen nicht dem Schema der „Seria“. Die Oper hat über 100 Musiknummern – bei einer Spieldauer von etwas mehr als zwei Stunden. Vogler hat viele extrem kurze Nummern geschrieben und „seismografisch genau“ (Blitt) am Libretto ausgerichtet.

Wie genau Vogler den emotionalen Inhalt der Texte in Musik umsetzen konnte, zeigte die Würzburger Aufführung: So ist etwa die Arie der Königinmutter Christina im ersten Akt, mit dramatischer Verve gesungen von Karen Leiber, an den großen tragischen Partien Glucks orientiert. Im Kontrast dazu stellt sich Ebba Brahe – verkörpert von Anja Gutgesell – mit einer sensiblen lyrischen Klage vor, die sich formal zwar noch an der Zweiteilung langsam – schnell orientiert, diese aber sehr frei nutzt. Delagardie, der königliche Feldherr und unwissentlich Instrument der mütterlichen Intrige, hat ein unkompliziert liedhaftes Entrée, das Deuk-Young Lee ansprechend präsentiert.

Der zweite Akt spielt unter einfachen Seeleuten und Fischern am Strand. Vogler stimmt etwa im Auftritt des Fährmanns Johan (Daniel Fiolka) einen papagenohaften Tonfall an, der aber an entscheidender Stelle expressives Gewicht erhält: Wenn Johan davon spricht, dass „der Sprung von den Mädchenjahren zur Ehe“ schwer sei, kleidet das Vogler in eine aufsteigende Linie mit einem „Sprung“ am Ende recht malerisch ein. Inhaltlich bemerkenswert: Das Volk spürt instinktiv die Intrige, die Gustav Adolf und Ebba auseinanderbringt, noch bevor die Betroffenen etwas ahnen. Den König stattet Vogler mit Bravour aus, die Yong Bae Shin auch elanvoll realisiert. Barbara Schöller hinterlässt in der kleineren Rolle der Märta Banér, einer Vertrauten Ebba Brahes, wie stets einen verlässlichen Eindruck.

Nach den eineinhalb Stunden mit der Musik Abbé Voglers und vielen Hintergrundinformationen bedauert man umso tiefer, dass es nicht möglich war, die Oper szenisch und mit Orchester aufzuführen. Frank Sodemann mühte sich zwar redlich um Voglers Noten; die Details und die Raffinesse der Instrumentation, die man aus anderen Werken Voglers kennt, lassen sich jedoch am Flügel nicht darstellen. So wirkte die Begleitung oft wie ein Gerippe, dem das Fleisch zwischen den Rippen fehlt. Vielleicht gelingt es doch noch, das Aufführungsmaterial in Schweden aufzutreiben und eine späte Erstaufführung dieses aufschlussreichen Werks in deutschsprachigen Landen zu organisieren: Das Bemühen um den Abbé Vogler, das war in Würzburg festzustellen, würde sich allemal lohnen.

Werner Häußner

 

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