WÜRZBURG / Musikhochschule – „CHAMPAGNER-DIVEN“
am 15.10. 2016 (Werner Häußner)
Was macht die Diva, wenn der Auftritt vorbei ist? Gigi Pfundmair hat darauf eine ernüchternde Antwort. Es bleiben Kinder, Küche, Kirche, diese drei. Na gut, Kirche gehört nicht gerade zum Repertoire der Diva – sie reflektiert eher auf dem heimischen Kanapee in Morgenmantel und fluffigen Flamingo-Pantoffeln das Schicksal einer Frau, die im Pausenbrote Schmieren für den Nachwuchs den ersten morgendlichen Höhepunkt erlebt.
Aber es gibt’s ja noch das glamouröse Leben mit Chiffon und Champagner, und letzterer spielt nicht nur in der „Fledermaus“, sondern auch im Dasein einer Diva offenbar eine erste Rolle. Die drei Damen, die sich zur Probe eines Kreuzfahrt-Musikprogramms treffen, stoßen jedenfalls bei jeder Gelegenheit an. „Champagner-Diven“ heißt entsprechend auch der Abend, zu dem sich die Münchner Opernsängerin und Chansonniere Gigi Pfundmair, die Würzburger Pianistin Michaela Schlotter und die veritable Operettendiva Elke Kottmair zusammengetan haben. Das Resultat ist eine charmante Untersuchung des Diva-Lebens auf zwei Stunden im Theater der Musikhochschule Würzburg, Dort haben sie alle dereinst studiert – und das, so scheint’s, hat sie wieder zusammengeführt.
Eine Diva hat einfach zu spät zu kommen, das gehört zum Image, und so rauscht Elke Kottmair erst nach einiger Zeit ein, behängt mit Tüten vom „Shopping“ – auch das gehört dazu. Schließlich muss man sich für Ereignisse wie dem „Künstlerball bei Kroll“ (aus Eduard Künnekes „Die lockende Flamme“) entsprechend ausstaffieren. Könnte ja sein, dass einer Frau statt der üblichen männlichen Luschen mal etwas Richtiges über den Weg läuft – so ein Neandertaler zum Beispiel. Und wenn Elke Kottmair den Song von Tim Fischer im Stil der Kabarettlieder aus den Zwanziger Jahren schmeichelnd und mit lüsternem Piano singt und gurrt, dass sie dem Urmenschen mit seinem Meisterringerkörper liebend gerne das haarige Schulterblatt kämmen würde statt sich mit den Stoppelfräsen weichlicher Geschlechtsvertreter von heute abzugeben.
Jaja, Männer, Männer, Männer: Auch wenn sie im real-fiktiven Bühnengeschehen während der zwei unterhaltsamen Stunden kaum vorkommen – nur der Kreuzfahrt-Kapitän (Rudi Ramming) hat ein kurzes Intermezzo –, spielen sie doch, wie man heute so schön sagt, „gefühlt“ eine dominierende Rolle. Man will ja keine lustige Witwe bleiben oder werden, deswegen widmet „frau“ sich nach Franz Lehárs Schlager dem Studium der Männer, das als ebenso schwer wie das der „Weiber“ beschrieben wird. Und auf der Kreuzfahrt, die im zweiten Teil des Abends zu bewältigen ist, spielen Elke Kottmair und Gigi Pfundmair ein Alphabet-Ratespiel, bei denen den beiden wirklich zu jedem Buchstaben ein Mann einfällt: Ob Benjamin, der nichts anzuziehen hat, oder Hans, der üble Dinge mit seinem Knie treibt.
Elke Kottmair, mit langen Erfahrungen aus ihrem Engagement an der Dresdner Staatsoperette, trifft wunderbar den Ton der Diseuse, des Kabarettgirls, aber auch der desillusionierten Seele im bitteren „Surabaja Johnny“ Kurt Weills. Und Michaela Schlotter greift nicht nur in die Tasten des Flügels, sondern singt gleich mit – und wenn es nur das quietschkomische „bling bling“ ist, mit dem sie eine Parodie von Offenbach unsterblicher Barcarole begleitet. Man muss ja das Kreuzfahrt-Publikum bespaßen – zum Beispiel mit dem Duett aus „Lakmé“, einer Oper von Leo Délibes, die heute kaum mehr gespielt, dafür aber für eine Kaffee-Werbung ausgeschlachtet und unversehens wieder weithin bekannt wurde.
Für eine Pianistin wie Michaela Schlotter sind die musikalischen Späße natürlich keine technische Herausforderung – aber: den richtigen Ton zu treffen, den passenden Schlenker im Metrum auszukosten, den Klang ironisch aufzuladen oder scheinbar naiv zu klimpern, sind Künste, die manchem „seriösen“ Pianisten lebenslang verschlossen bleiben. Das Publikum goutiert den Schwung des Abends und lacht auch an Stellen, an denen der Witz erst auf den zweiten Blick erkannt wird.
Werner Häußner