Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

WÜRZBURG: LA SONNAMBULA – konzertant

23.04.2014 | KRITIKEN, Oper

WÜRZBURG: LA SONNAMBULA (konzertant) am 21.4. 2014 (Werner Häußner)

 Man mag es nicht glauben, aber seit 150 Jahren ist am Würzburger Theater keine Oper von Vincenzo Bellini gespielt worden. Das ist nicht ungewöhnlich: Der Wagner-Wahn und der damit verbundene Geschmackswandel haben das Belcanto-Repertoire, vulgo „wälscher Tand“, nachhaltig verdrängt. Bis heute verbinden in dieser Tradition stehende Musikfreunde die Opern Rossinis, Bellinis, Donizettis oder des jungen Verdi – von Mercadante, Pacini oder anderen „Kleinmeistern“ ganz zu schweigen – mit dem Ruch des Naiven, Simplen, Oberflächlichen.  Und erst allmählich spricht sich in den Außenposten der deutschen Theaterlandschaft herum, dass es da etwas zu entdecken gäbe. So schaffte es Bellini erst jetzt wieder auf die Würzburger Bretter, zumindest konzertant. GMD Enrico Calesso dirigierte zwei konzertante Vorstellungen von „La Sonnambula“ und hatte – zum Entzücken des längst nicht gefüllten Hauses – mit Eva Mei eine prominente italienische Sopranistin für die Titelrolle gewonnen.

Der herzliche Beifall war nicht unverdient, denn das Philharmonische Orchester stellte sich der ungewohnten Aufgabe mit überraschendem stilistischem Einfühlungsvermögen. Oft verleiten die auf den ersten Blick anspruchslosen Begleitfiguren Bellinis Orchester wie Dirigenten zu unterschätzen, wie schwer diese Musik zu realisieren ist. Die transparente Partitur fordert Aufmerksamkeit, Präzision und Gespür für feinste Nuancen in Phrasierung, Tongebung und -balance.

Die Philharmoniker entsprachen dem in hohem Maße. Calesso zeichnete die langen Bögen, die melancholische Weite der melodischen Entwicklung, das Legato und das Cantabile Bellinis stilistisch sehr bewusst nach. Das Concertato im zweiten Aufzug gelang mit organisch pulsierendem Tempo. Auch wenn im Orchester nicht alles so geschmeidig phrasiert war, wie es mit Bellini erfahrene Musiker erreichen würden, zeigt dieser Einstieg in die musikalische Welt des Sizilianers, wie versiert das Würzburger Orchester die Herausforderung annimmt, und lässt hoffen, dass eine von Bellinis Opern auch einmal szenisch den Weg auf die Würzburger Bühne zurückfinden werde.

Eva Mei, die vor fast 25 Jahren blutjung als Konstanze an der Wiener Staatsoper debütiert hat, zauberte für die beiden Abende den Widerschein des klassischen Belcanto auf die Würzburger Bühne. Sie weiß einfach, wie die Stimme zu führen ist, wie eine Gesangslinie flexibel zu modellieren ist, wie der elegische Ton zu formen und in fließendes Legato zu gießen ist. Die Sängerinnen und Sänger aus dem Würzburger Ensemble mussten sich an ihrer Seite nicht verstecken: Mit Joshua Whitener präsentierte sich ein Elvino, der mit seiner jugendlichen Frische, vor allem aber mit seinen sicheren, verfärbungsfreien Höhen so manchem etablierten Vertreter des Fachs des „tenore di grazia“ das Fürchten lehren könnte.

Anfangs saß die Stimme noch etwas zu fest, fehlte den Phrasen – vielleicht auch aus Nervosität – noch ein wenig die ätherisch anmutende Leichtigkeit. Aber die dramatischeren Momente des zweiten Akts („ Ah! Perché non posso odiarti“) erfüllt Whitener bei einwandfreier technischer Bewältigung mit Feuer und Brillanz. Das Mainfrankentheater hat mit diesem Tenor ein Talent im Ensemble – und eine Chance, Werke adäquat zu besetzen, die sonst an einem Haus dieser Größe mangels geeigneter Sänger nicht zu realisieren sind.

Auch Sonja Koppelhuber bestätigte in der kleinen Rolle der Teresa, dass sie mit ihrem wohlklingenden, unverkrampft geführten Mezzo zu den hoffnungsvollen Kräften am Würzburger Haus zählt. Die Lisa sang Anna Viola klar und präsent; Vazgen Ghazaryan als Gast aus Erfurt gab dem Grafen Rodolfo zum Glück nicht nur voluminöse Bassgewalt mit: in den zurückgenommenen Momenten wirkt seine guttural positionierte Stimme freier und sauberer fokussiert. Daniel Fiolka und Yong Bae Shin füllten als Alessio und Notar ihre Partien zuverlässig aus. Der Chor des Mainfrankentheaters, einstudiert von Michael Clark, war im Bemühen um einen flexiblen, homogenen Klang vom Glück der Tüchtigen begünstigt. Unter solchen Voraussetzungen kann man das Würzburger Theater nur ermutigen, Bellini nicht wieder für 150 Jahre aus den Augen zu verlieren …

Werner Häußner

 

Diese Seite drucken